Von unserer Redakteurin Doris Schneider
Kann die Seilbahn eine umweltfreundliche Alternative zum Auto sein? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? „Sie kann, aber das muss man dann wirklich politisch wollen“, sagt Mario Pott, von Beruf Verkehrsplaner bei der Firma BPV-Consult in Koblenz. Und dazu müsse man eine Reihe von Voraussetzungen schaffen:
1. In der Nähe der Bergstation müssten Parkplätze geschaffen werden, damit Pendler dort ihr Auto abstellen können. Und da es von der Lage her kaum anders möglich ist als sie relativ weit weg von der Seilbahn zu platzieren, müsste es Pendelbusse geben. „Jeder Umstieg ist zwar problematisch, weil er die Nutzung unattraktiver macht“, sagt Pott, der auch im Landesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland ist. Aber dass die Pendler 20 Minuten quer übers Plateau spazieren, ist im Alltag einfach unrealistisch.
2. Noch besser, wenn auch im Moment illusorisch, wäre es aus verkehrsplanerischer Sicht, die Seilbahn oben auf dem Plateau zum Pendlerparkplatz und in der Stadt zum Zentralplatz zu verlängern. Denn jeder Umstieg auf ein anderes Verkehrsmittel kostet Zeit – und das ist es, was Pendler nicht haben.
3. Die Berg- wie auch die Talstation müssten von möglichst vielen Buslinien angefahren werden, damit Pendler auch ohne Auto auskommen. Das gilt oben im Wesentlichen für die Linien aus Montabaur (460 und 116) und die Linie 9 (Niederberg/Arenberg), im Tal vor allem für die Linie 1, die dann häufiger fahren müsste.
4. Die Seilbahn müsste ins VRM-Ticket mit eingebunden sein, genau wie es schon beim Schrägaufzug der Fall ist, der mit einer VRM-Wochen- oder Monatskarte genutzt werden kann. Denn wenn die Kosten zu hoch sind, wird das Pendeln ohne Auto nicht attraktiv.
5. Die Fahrtzeiten müssten erheblich ausgeweitet werden, und zwar im Grunde ganzjährig. Mindestens von 6 bis 20 Uhr müssten die Gondeln fahren, damit sie für Pendler überhaupt nutzbar sind, eher länger, so Mario Pott.
Natürlich müsse aber zunächst genau geklärt werden, ob der Bedarf überhaupt besteht. Da aber etliche Tausend Menschen vom Westerwald, aber auch aus Urbar, dem Rhein-Lahn-Kreis oder den rechtsrheinischen Höhenstadtteilen nach Koblenz zum Arbeiten pendeln, ist das Potenzial wahrscheinlich da, sagt Mario Pott.
„Wenn es politisch gewollt ist, dass man die Seilbahn nutzt, um umweltfreundlicher zu pendeln, müsste man dann das Parken für Pendler in der Stadt noch unattraktiver machen. Aber das ist natürlich eine höchst unpopuläre Vorgehensweise“, lacht er.
Grundsätzlich würde Stephan Pauly, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Mosel (VRM), die Integration der Seilbahn in den ÖPNV sehr begrüßen. „Und so etwas ist ja auch kein Luftschloss, das gibt es beispielsweise in Bozen seit vielen Jahrzehnten“, sagt er. Aber er ist äußerst pessimistisch, dass das in Koblenz klappen wird, und zwar vor allem wegen der Kosten. Denn die Bahn müsste zum einen erheblich länger fahren, aus seiner Sicht mindestens von 6 bis 23 Uhr, wie Busse auch. Sie müsste auf jeden Fall ganzjährig fahren. Und sie müsste in den VRM-Tarif eingebunden werden – und damit würde der Betreiber einen erheblichen Mindererlös erzielen, der ihm ausgeglichen werden muss. „Und da der Stadtrat ja einen unbedingten Ausgabestopp vereinbart hat, sehe ich da gar keine Chance für eine solche Entscheidung“, so Pauly.
Bei der Stadt ist die Seilbahn als Pendlerbahn derzeit kein Thema. „Die Einbindung der Seilbahn in den ÖPNV wäre sicher eine schöne Sache, doch müssten zuvor einige Probleme gelöst werden“, so Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig. Da wäre zunächst die Zufahrt zur Bergstation, die nicht durch den schönen Festungspark gehen sollte. Ferner müssten die Betriebszeiten, die heute auf eine touristische Nachfrage zielen, für Pendler deutlich ausgeweitet werden. Ob dafür überhaupt eine Nachfrage besteht, müsste zunächst geklärt werden. Und: Erst einmal müsse man abwarten, wie sich das Gelände der Fritschkaserne entwickelt.
Mit der Koblenzer Seilbahn ins Büro gondeln: Geht das?
Beispiel 1: Max Mustermann wohnt in der Hauptstraße in Neuhäusel und arbeitet im Koblenzer Verwaltungszentrum. Am Freitag ist er mit dem Auto gefahren: Für die 17,5 Kilometer braucht er theoretisch 17 Minuten, in Stoßzeiten natürlich länger. Er kann auf einem der Mitarbeiterparkplätze oder auf einem der Großparkplätze in der Nähe sein Auto abstellen und sitzt wenige Minuten später am Schreibtisch. Zeitverbrauch in etwa und mit etwas Glück: 20 bis 25 Minuten.
Heute will er die Seilbahn nutzen, vorausgesetzt, deren Fahr- passen zu seinen Arbeitszeiten. Er stellt sein Auto an der Fritschkaserne ab (bis dahin braucht er acht Minuten), muss dann bis zur Gondelstation laufen (etwa 19 Minuten). Die sechs Minuten Fahrt über den Rhein genießt er sehr. Nun läuft er zum Zentralplatz (zwölf Minuten), fährt dann mit dem Bus ins Verwaltungszentrum (weitere zwölf Minuten) und geht an seinen Schreibtisch. Insgesamt ist er mindestens eine Stunde unterwegs, also fast 40 Minuten länger als mit dem Auto.
Beispiel 2: Maria Musterfrau wohnt in der Urbarer Hauptstraße und arbeitet im Verwaltungshochhaus am Schängel-Center. Am Freitag ist sie mit dem Auto zur Arbeit gefahren. Da sie keinen Parkplatz in der Stadt gemietet hat, stellt sie den Wagen meist unter der Balduinbrücke ab. Bis dahin braucht sie mit dem Auto etwa 14 Minuten, dann noch mal zu Fuß etwa 16 Minuten zu ihrem Büro: 30 Minuten ist sie insgesamt unterwegs, wenn sie gut durchkommt.
Heute fährt sie mit der Seilbahn: Den Wagen stellt sie nach vier Minuten an der Frischkaserne ab, läuft dann die 19 Minuten übers Plateau. Nach sechs Minuten Gondelfahrt und einem Fußweg von etwa zwölf Minuten erreicht sie ihren Schreibtisch. Gebraucht hat sie insgesamt etwa 40 Minuten, also zehn Minuten mehr als mit dem Auto.
Morgen ist sie übrigens noch schlauer: Da fährt sie mit dem Rad zur Bergstation, das dauert etwa 13 Minuten. Dann sechs Minuten gondeln, wieder für vier Minuten aufs Rad: In 23 Minuten sitzt sie am Schreibtisch, allerdings ein bisschen verschwitzt.