Neues Buch von Autor M
Mit der Feder gegen Hass und Gewalt
Zeigen dürfen wir ihn nicht, unter dem Pseudonym M schreibt er an seiner Familiensaga. Mittlerweile ist der fünfte Band erschienen.
Stefanie Braun

Der anonyme Schriftsteller schreibt in seiner rheinischen Saga unter anderem über die Gräuel der Nazizeit. Für ihn wichtig: Die Menschen müssen mitfühlen, erst dann können sie verstehen.

Er schreibt über den Terror der Nazizeit, verpackt in einer Familiensaga: Der neueste Band – der fünfte – des Autors M ist gerade erschienen, zwei weitere sollen noch folgen. Auch wenn der Siebte eigentlich der Erste ist – und nur für seine Nachkommen bestimmt war.

Auch seine eigene Geschichte ist, wie die von Vielen, eng verwoben mit der deutschen Geschichte: Hauptschüler war er, kam aus desolaten Verhältnissen, der Vater, kriegstraumatisiert, wird zum Familientyrannen. Ein Lehrer erkennt das Potenzial des Jungen, hilft ihm auf die richtige Schiene. Der junge M – der nur unter Pseudonym veröffentlicht – bleibt auf selbiger, holt Fahrt auf, studiert. Heute ist er Jurist.

Will er als zweite Generation die Dinge angehen, die seine Eltern nicht angehen konnten? Vielleicht. Teilweise sind die Erzählungen seiner eigenen Familie in seine Werke eingeflossen. Ein Beispiel: In Band vier seiner Familiensaga wird die Figur Rebecca Rosenzweig bei der Flucht vor Bomben in einem Stollen verschüttet. Seiner Mutter ist dies dreimal passiert.

Ein Blick auf den Rhein: Die Familiensaga ist auch eine rheinische Familiensaga, entsprechend kommt auch etws Humor darin vor. Denn M glaubt: Menschen die lachen, töten nicht.
Stefanie Braun

M schreibt über Gräuel, über Hass und Tod – seine eigene Nahtoderfahrung war der Grund, warum er mit dem Schreiben anfing. Er habe ein sehr gutes Körpergefühl und gespürt, dass der Sensenmann vor der Tür stand. Der Herzspezialist bestätigt den düsteren Besucher, nur noch wenige Meter und der Gevatter Tod hätte sinnbildlich die Klingel betätigt. Eine OP folgt, ein Helfershelfer wird eingesetzt, der dem Tod fürs Erste die Tür versperrt, und M mit einem Nahtoderlebnis und einer Erkenntnis zurücklässt: Die Uhr läuft ab.

Zeit für Fragen: Hast du alles richtig gemacht? Nein, muss er sich sagen. Er wollte immer schreiben. Da ist was in ihm, das aufs Papier muss – oder wie in seinem Fall ins Tonband. Denn das war es, was ihn vom Schreiben abhielt: Es dauert zu lang. Moderne Technik lässt die Gedanken so schnell aufs digitale Papier fließen, wie sie eben kommen.

Saga verbindet Lebens- und Ländergeschichten

Er beginnt mit seiner eigenen Geschichte, für seine Nachfahren. Doch es folgt ein weiteres Aha-Erlebnis. Mit dem Schreiben kann er etwas gegen das tun, was ihm schon lange Sorgen bereitet: das Erstarken des Nationalsozialismus. Doch wo beginnt man mit so einer Familiensaga, die Lebensgeschichten und Ländergeschichten verbindet? M beginnt bei der Kaiserzeit, bei der Schlacht von Verdun.

Er hat sich die Landschaft angesehen, die noch immer unter dem Gefecht der Menschen leidet: Wälder, die am Gift im Boden ersticken, Böden, die Wellen schlagen von Explosionen und verscharrten Leichen – und auf der anderen Seite sind immer mehr Menschen demokratieverdrossen und europamüde. Deshalb schreibt er, geht in Schulen, arbeitet mit Schauspielern. Der Mensch – gerade wenn er jung und beeinflussbar ist – muss fühlen, erst dann versteht er richtig, sagt M.

Der fünfte Band "Im Quellgebiet der mörderischen Flut" ist im November 2024 erschienen.
Autor M

Fünf Bände seiner Familiensaga sind nun erschienen, der jüngste am 22. November 2024. Band sieben ist schon lange fertig, fehlt noch Band sechs. Für den muss er noch recherchieren, denn er würde gern über das Leid der Sinti und Roma schreiben. Er hatte Kontakt mit einem Angehörigen, der ihm Dinge erzählte, die man sich als Autor nicht ausdenken kann. Das 15-Minuten-Gespräch beschäftigt M für Wochen, der Mann meldet sich nicht mehr. Vielleicht hat ihn das Erzählte retraumatisiert, vermutet M. Nun sucht er nach Leuten, die ihm von dieser besonderen Opfergruppe berichten.

"Im Strudel der Dämonen" heißt der vierte Band der rheinischen Familiensaga.
Stefanie Braun

Trotz aller Brutalität bleibt auch Band fünf eine rheinische Familiensaga, inklusive der rheinischen Frohnatur. Er könne nicht nur Furchtbares schreiben, sagt er. Außerdem glaubt M: Menschen, die lachen, töten nicht.

Und Menschen, die schreiben, leiden die mit? Als Jurist kann er sich professionell distanzieren, sagt M. Doch ein Kriminalpsychologe gibt ihm nach Band 1 Feedback: Wer so authentisch über Gewalt – egal ob in physischer oder psychischer Form – schreibt, hat selbst viel davon erlebt. M denkt an das Ungetüm Vater, das er überwunden hat. Doch er muss weiterschreiben, da sei er Getriebener – und wolle ein Zeichen setzen, dass so etwas nie wieder passieren dürfe. Denn „der alte Kram“ ist nicht vorbei, sondern wirkt bis heute.

Wir können nicht sagen, „wer ‚Sieg heil’ ruft, tut schon nichts“, sagt M. „Wir haben jetzt das beste Deutschland, das es je gab – und das müssen wir gegen Extremisten verteidigen.“ Aufstehen als Demokraten und laut werden – er sei eben laut über die Feder.

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