Bendorf/Koblenz – Als ihre Ehe nach einem Jahr kaputt war, als sie sich mit ihrem Mann nur noch stritt, da machte eine Koblenzer Türkin (27) einen radikalen Schnitt: Sie fuhr mit neun Verwandten, vier Autos und einem Anhänger nach Bendorf, um die eheliche Wohnung in einem Ruck zu räumen. Plötzlich standen sich im Treppenhaus gut ein Dutzend Personen gegenüber. Ein Rempler, ein Kraftausdruck, dann eskalierte die Situation. Der Bruder (31) der Frau sackte zusammen, sein Bauch war voller Blut.
Jetzt steht der türkische Ex-Mann (26) der Frau wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Schöffengericht Koblenz. Laut Anklage rammte er dem Mann ein Messer in den Bauch, mehrere Zentimeter tief. Er bestreitet dies.
Die Ex-Frau kam mit zwei Brüdern, zwei Cousins und einem Onkel, ihrer Mutter, einer Tante und zwei Cousinen. Im Treppenhaus wurde es eng. Es herrschte Chaos, die Stimmung war hitzig. Der verletzte Bruder der Frau erzählte im Prozess, ihm sei blanker Hass entgegengeschlagen. Hingegen schimpfte die Schwester des mutmaßlichen Messerstechers über den plötzlichen Auflauf im Haus: „Ich sah lauter Köpfe!“ Und: „Hätten wir das gewusst, hätten wir die Tür gar nicht erst aufgemacht.“ Ihre Mutter behauptete sogar: „Mein Haus wurde überfallen!“
Zum Aufeinandertreffen der Familien kam es am 20. August 2011 gegen 14.30 Uhr. Beide schilderten vor Gericht zwei unterschiedliche Geschichten. Der Angeklagte berichtete: Er war in der Wohnung seiner Mutter. Als es klingelte; öffnete er mit ihr und seiner Schwester die Haustür und ging ins Treppenhaus. Seine Ex-Frau stieg mit ihrer Familie die Stufen hoch – und sofort kam es zum Streit, weil er das Haustürschloss ausgetauscht hatte. Plötzlich boxte ihm ein Bruder seiner Ex-Frau ins Gesicht und nahm ihn in den Schwitzkasten. Ein anderer trat ihm gegen die Schulter. Auch seine Mutter wurde geschlagen, fiel zu Boden. Er hatte mit dem späteren Opfer fünf Sekunden Blickkontakt, es kam aber nicht zu Gewalt. Er stach nicht zu, bekam nichts von einem Messerangriff mit, sondern ging irgendwann einfach in die Wohnung. Ja, die Polizei stellte bei ihm später eine kleine Schnittwunde am Finger fest. Er weiß aber nicht, woher diese rührt.
Das Opfer schilderte das Geschehen so: Er kam mit seiner Familie ins Haus, da beschimpfte die Mutter des Angeklagten seine Schwester. Es kam zum Gerangel. Sie gingen dann ins Dachgeschoss, um Möbel abzubauen. Als er „ganz ohne Hintergedanken“ noch mal nach unten lief, geschah es: Er ging an der Wohnung der Mutter des Angeklagten vorbei. Plötzlich kam dieser zur Tür heraus, stach ihm wortlos ein Messer in den Bauch. Einen zweiten Stich wehrte er ab. Es war wohl ein Springmesser.
Die Schwester (34) des Angeklagten will von der Messerattacke nichts mitbekommen haben. Anders der Cousin (17) des Opfers. Er sagte im Prozess, er habe den Angeklagten nach der Tat weggehen sehen. Und er sah, dass dieser „etwas Dunkles“ in der Faust hielt. Der Prozess geht am Montag weiter.
Von unserem Redakteur Hartmut Wagner