Anträge von AfD und CDU
Mehr Flaggen in Koblenz? Ratsdebatte endet im Desaster
Der Koblenzer Stadtrat bei seiner konstituierenden Sitzung im Juli 2024.
Jan Lindner

Die AfD will mehr Flaggen in Koblenz, die CDU stellt im Stadtrat einen Änderungsantrag, Grüne und Linke keilen los, eine unsägliche Debatte nimmt ihren Lauf. Weil alte ideologische Gräben aufreißen und die CDU ihre Rolle noch nicht gefunden hat.

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Bei der Kommunalwahl vor einem knappen Jahr ist der Koblenzer Stadtrat neu zusammengesetzt worden. Die CDU-Fraktion als mit etwas Abstand stärkste Kraft wollte fortan eine Führungsrolle in einem stabilen Bündnis einnehmen. Stattdessen hat sie sich während der Haushaltsberatungen im November in die Opposition manövriert. Seither muss sie mitansehen, wie sich Grüne, SPD, Freie Wähler sowie Die Linke-Partei in parteipolitischen Punkten durchsetzen. Das mündet mitunter in seltsamen wie völlig unnötigen CDU-Anträgen und unsäglichen Debatten – wie in der jüngsten Sitzung. Eine Analyse.

Man kann nun wahrlich nicht behaupten, dass es in Koblenz nicht genug Flaggen gäbe. Es gibt sie in vielfacher Ausfertigung am Deutschen Eck, an der Stellen in der Stadt, vor Bundesbehörden und einigen Firmen wie der Debeka. Für die AfD sind es dennoch nicht genug Flaggen. Sie hätte gern das ganze Jahr über Nationalflaggen an Dienstgebäuden und Liegenschaften der Stadt (ergänzend zur Landesverordnung), soweit es dort einen Fahnenmast gibt, und drei Flaggen am Zentralplatz (von Stadt, Land und Bund). Begründung: Dadurch würden Nationalsymbole „eine dringend notwendige Normalisierung erfahren, auch der identitätsstiftende Charakter eines gegenwärtigen Symbols der gemeinsamen Werte und der Zusammengehörigkeit darf nicht unterschätzt werden“. Letztlich könnten sich fremde Menschen hierein besser integrieren.

So begründet die Verwaltung die Ablehnung des AfD-Antrags

Man hätte diesen Antrag nun mit der Begründung der Verwaltung gegen die AfD-Stimmen ablehnen können. Erstens: Für Dienstgebäude und Liegenschaften der Stadt hat der Stadtrat keine Beschlusskompetenz, sondern das Land, auch wenn das paradox klingt. Ferner gebe es bereits an vielen Stellen in Koblenz Flaggen, dazu seien die Kosten von 3000 Euro bei der angespannten Haushaltslage kritisch zu sehen. So weit, so nachvollziehbar. Debatte unnötig und deshalb nicht vorhanden, nächster Tagesordnungspunkt. Oder?

Aber nicht mit der CDU. Ihr Änderungsantrag verfolgte ein ähnliches Ziel, auch wenn sich Fraktionschef Stephan Otto eingangs deutlich vom AfD-Antrag distanzierte. Jedoch sollte die Stadt prüfen, welche Dienstgebäude und Liegenschaften mit der Europaflagge (und nicht wie von der AfD gefordert mit der Nationalflagge) ausgestattet werden könnten und wo im Zentrum man vier Fahnenmasten ganzjährig aufstellen könne mit der Landes-, Bundes-, Stadt und Europaflagge.

Die Grünen versuchten noch eindringlich, die CDU von ihrem Änderungsantrag abzubringen

Otto stellte klar, dass sich seine Fraktion mit dem Thema schon länger befasst, es aber verpasst habe, den Antrag fristgerecht einzureichen. Deshalb der Änderungsantrag. Besonders von den Grünen wurde die CDU vor Sitzungsbeginn eindringlich darauf hingewiesen und gewarnt, welchen Verlauf die Debatte vermutlich nehmen würde, noch dazu am Tag des 80-jährigen Endes des Zweiten Weltkriegs. Und dass die Union ihren Antrag deshalb zurückziehen möge.

Aber die CDU ließ sich davon nicht beirren. Es folgte eine gut 40-minütige hitzige und für neutrale Beobachter schmerzhafte Debatte, die hier im Wortlaut nicht wiederholt werden soll. Ihren Sinn und vor allem Unsinn kann man sich in der Wiederholung des Livestreams anschauen (zu finden unter www.koblenz.de). Alles vorherseh-, abseh- und vermeidbar, und selbst von Ratsmitgliedern, die sonst nicht um scharfe Attacken verlegen sind, als „unsäglich“ und „Desaster“ bezeichnet. Hat der CDU hier die Klar- und Weitsicht gefehlt? Oder hat sie auf stur gestellt, weil sie sich nicht von den Grünen und anderen belehren lassen wollte – und deshalb durchgezogen?

Die CDU befindet sich in einer maximal undankbaren Position

Klar ist, die CDU befindet sich im Rat in einer für sie maximal undankbaren Position. Aus dem Führungsanspruch als stärkste Fraktion ist bislang keine Führungsrolle geworden. Mit SPD und Freien Wählern (FW) wäre ein solches Bündnis möglich, allerdings steht da noch immer der Wechsel der langjährigen CDU-Fraktionschefin Anne Schumann-Dreyer zu den Freien Wählern um Fraktionschef Stephan Wefelscheid im Raum. In der CDU ist dieses Manöver noch nicht vergessen.

Dazu kommt, dass die SPD schon länger eine starke Nähe zu den Grünen hat und mit ihnen und Die Linke-Partei in der vergangenen Wahlperiode ein erfolgreiches Bündnis hatte. Die Grünen wiederum haben die CDU bereits mehrfach auch mit unlauteren und unwahren Behauptungen attackiert und ihr ein Annähern an die AfD vorgeworfen – was die CDU glaubhaft von sich weist. In den Ratssitzungen sind es vor allem Bert Flöck und Fraktionschef Otto, die die AfD regelmäßig angehen und inhaltlich entlarven.

Mit ihrem OB-Kandidaten Ernst Knopp muss die CDU eigene Akzente setzen

Auch die Linken sind seit jeher ein rotes Tuch für die CDU (Stichwort Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU Deutschland). Böse Zungen behaupten, dass die Union sie im Zweifel eher meiden würde als die AfD. Ein Pakt oder eine festere Zusammenarbeit scheint undenkbar. Und: Die CDU hat mit Ernst Knopp einen eigenen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl am 21. September aufgestellt, muss sich also besonders in nächster Zeit deutlich von SPD (mit Kandidat und Amtsinhaber David Langner) und Grünen distanzieren. Letztgenannte könnten auf einen eigenen Kandidaten verzichten und Langner unterstützen.

Für die CDU ist die aktuelle Lage also mehr als verzwickt und extrem komplex. Sie muss eigene Akzente und Anträge setzen, sich von Grünen und SPD absetzen, aber immer befürchten, dass die sie mit ihrer fragilen Mehrheit samt Unterstützung der Freien Wähler in die Tonne verfrachten.

Der AfD-Antrag indes wurde bei sechs Ja-Stimmen der AfD abgelehnt. Auch der Änderungsantrag der CDU fand keine Zustimmung bei 24 Ja- und 25-Nein-Stimmen (Grüne, SPD, Freie Wähler und Die Linke-Partei).

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