Berichte stellen neue Berechnungsformel der Gebühren in Koblenz juristisch infrage - Hat das Konsequenzen?
Medienrummel um Parkausweise für Anwohner: Wie das „Koblenzer Modell“ bundesweit Schlagzeilen macht
Anwohnerparken soll in Koblenz ab März teurer werden
Anwohnerparken am Koblenzer Florinsmarkt: Eine Entscheidung der Stadt Koblenz ist derzeit Thema bundesweiter Mediendebatten. Foto: Sascha Ditscher
Sascha Ditscher

Seit einigen Tagen ist Koblenz bundesweit in den Medien. Große Zeitungen und Magazine haben die neuen Regeln zur Berechnung der Anwohnerparkgebühren aufgegriffen. Was macht das Koblenzer Modell so interessant für die Medienlandschaft? Und was sagen die Koblenzer Parteien und die Stadt zu der Debatte, in der ein Verkehrsrechtsexperte zum Kronzeugen dafür wird, dass Koblenz angeblich nicht rechtskonform handelt?

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Anwohnerparken soll in Koblenz ab März teurer werden
Anwohnerparken am Koblenzer Florinsmarkt: Eine Entscheidung der Stadt Koblenz ist derzeit Thema bundesweiter Mediendebatten. Foto: Sascha Ditscher
Sascha Ditscher

Ab dem 1. März wird das Anwohnerparken in Koblenz teurer und nach einer neuen Formel berechnet: Länge des Autos mal Breite des Autos mal 45 Cent mal 52 Wochen. Die Höhe der Gebühren hängt damit von der Fahrzeuggröße ab. Uwe Lenhart, ein Verkehrsrechtsanwalt aus Frankfurt, hält dieses Vorgehen für rechtswidrig. Damit löste er in den vergangenen Tagen ein großes überregionales Medienecho aus, das in Koblenz nachhallt. Ratsfraktionen fordern nun die rechtliche Überprüfung der Gebühren.

30,70 Euro betrug bisher die Jahresgebühr für einen Anwohnerparkausweis. Ein Smart fortwo kostet nach der neuen Berechnung nun ab März jährlich 104,87 Euro, ein deutlich größerer Skoda Superb Kombi mit 212,11 Euro mehr als doppelt so viel. In einem Bild-Artikel sagt Rechtsanwalt Lenhart: „Die starken Gebührensprünge sind eine Ungleichbehandlung. Das geht so nicht.“

Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht

Lenhart verweist auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2023. Es geht um die Frage: Ist es aus juristischer Sicht zulässig, dass Anwohner mit größeren Autos auch mehr Parkgebühren zahlen müssen? Die Fraktion der FDP in Koblenz stellt genau das nach den jüngsten Berichten infrage. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hinterfrage grundsätzlich, ob die Fahrzeuglänge ein geeignetes Kriterium zur Berechnung der Parkgebühren sei, sagt Fraktionsvorsitzender Christoph Schöll, selbst Jurist.

Das Urteil beschäftigt sich mit dem Anwohnerparkgebühren in Freiburg. Dort wurden unter anderem Gebührenklassen eingeführt, die sich nach der Länge des Fahrzeugs richteten. In der Praxis bedeuteten dies teils große Kostensprünge bei kleinen Größenunterschieden: 50 Zentimeter längere Autos konnten doppelt so viel Gebühren kosten. Aus Sicht des Gerichts verstieß das gegen den Gleichheitsgrundsatz. In Koblenz will man eine solche Ungleichbehandlung verhindern. Durch die neue Berechnungsformel werden die Gebühren nach Fahrzeuglänge gestaffelt. Minimale Längenunterschiede können dadurch im Verhältnis nicht doppelt so teuer sein.

So reagiert die Stadt auf die Kritik

Die Stadt Koblenz sieht sich auf der sicheren Seite. Auf Anfrage unserer Zeitung schreibt sie: „Eine Ungleichbehandlung können wir nicht erkennen. Die Gebührenordnung und die Berechnungsmethode wurde im Vorfeld von unserem Rechtsamt eingehend geprüft.“ Der Gedanke hinter der Formel folgt der Logik: Wer mehr Parkfläche beansprucht, zahlt auch mehr.

Doch: Die FDP-Fraktion hält auch das für eine Ungleichbehandlung. Denn die Fahrzeuglänge sei nicht immer entscheidend. Auf einem markierten Stellplatz sei es beispielsweise egal, ob er von einem großen oder kleinen Fahrzeug belegt werde. Die Stadt argumentierte vor wenigen Wochen dagegen, der Großteil der Anwohnerparkflächen in Koblenz sei nicht markiert, die Fahrzeuglänge dementsprechend relevant. Die FDP fordert nun, die „rechtliche Konsistenz“ der Verordnung zu prüfen. Die Freien Wähler sahen den Medienaufschrei derweil als Anlass, bei der Stadtverwaltung grundsätzlich zu erfragen, warum sie die Verordnung für zulässig hält.

Nicht unwichtig zu erwähnen ist: Die Entscheidung zur neuen Verordnung lag bei der Stadtspitze, nicht beim Stadtrat. Im Dezember wurde der Rat über die Umsetzung in Kenntnis gesetzt. Fast alle Fraktionen sprachen sich damals aus unterschiedlichen Gründen gegen die neue Verordnung aus.

Gegnern der Regelung wie den Koblenzer Liberalen gibt das bundesweit mediale Echo nun Auftrieb, das Thema noch einmal aufzugreifen. Bild berichtete, Spiegel online berichtete, Focus berichtete, t-online berichtete, Autofachmagazine berichteten. Und so fort. Sat 1 war mit einem Kamerateam vor Ort, demnächst flimmert die Koblenzer Parkdebatte ergo deutschlandweit über die Bildschirme. Einordnend ist zu sagen: In den großen Medien geht es natürlich meist weniger um die Tiefen kommunalpolitischer Debatten in Koblenz und den Haushalt des Rhein-Mosel-Großstädtchen, sondern mehr um übergreifende Fragen: Wem gehört der Straßenraum? Pro oder contra SUV?

Das sagen die Fraktionen

Angesprochen auf die deutschlandweite Berichterstattung äußern allerdings auch weitere Fraktionen Verständnis für die Kritik. Die Wählergruppe Schängel (WGS) hebt auf Anfrage hervor, sie habe die Verwaltung von Anfang auf eine Ungleichbehandlung bei der Berechnung nach Fahrzeuglänge hingewiesen. Die WGS schlug eine einheitliche Gebühr für alle Autos vor.

Die SPD hält eine erneute Überprüfung der Verordnung für sinnvoll, sollte es Zweifel an der Rechtmäßigkeit geben. Die Staffelung nach Fahrzeuglänge greift aus Sicht der Fraktion zudem zu kurz. Es stelle sich die Frage nach der Gerechtigkeit. „Nicht nur SUVs brauchen viel Platz, auch eine vierköpfige Familie braucht ein größeres Auto“, so die SPD. Soziale Verhältnisse hätten auch die CDU, die Grünen und die Fraktion Die Linke-Partei gern berücksichtigt. Allerdings: Im Fall Freiburg sah das Gericht Ermäßigungen aus sozialen Gründen als unzulässig an. Die Stadt Koblenz schob etwaigen Überlegungen deshalb früh einen Riegel vor.

Aus Sicht der CDU braucht es neben der Fahrzeuggröße weitere Kriterien bei der Berechnung der Parkgebühren, wie etwa die Lage der Parkmöglichkeiten. Die Fraktion der Grünen hält die Entscheidung, die Gebühren nach Fahrzeuggröße zu bemessen, derweil für richtig. Die Linke-Partei-Fraktion sagt, die Berichterstattung von Focus und Bild passe zum „üblichen Narrativ dieser rechtspopulistischen Medien“, das die Gebührenerhöhung als Angriff auf die Freiheit der Bürger sehe. Die Koblenzer AfD findet die neue Berechnungsformel „ideologisch aufgeladen“. Die gesamte Erhöhung sei „teurer, bürgerferner Murks“ und müsse deshalb vom Tisch. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Stadt das Inkrafttreten der Gebühren zum 1. März verschiebt.

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