„Endlich widder doheim“
Manfred Gniffke erzählt von Kindheit nach dem Weltkrieg
Im Rahmen einer spannenden Zeitreise erzählte Manfred Gniffke von seiner Kindheit im Koblenz der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Peter Karges

Koblenzer Stadtführer blickt zurück auf seine Kindheit zwischen lebensgefährlichen Trümmern und Kekssuppe als Schulspeisung. In einem zweistündigen Vortrag führte er im Rahmen der Reihe „80 Jahre Kriegsende und Befreiung“ durch die Stadt.

Als die Amerikaner am 17. März 1945 das linksrheinische Koblenz eroberten, da lebten in der Stadt, die zu 83 Prozent zerstört war, nur noch wenige Tausend Menschen. Die meisten Schängel hatten schon Monate zuvor Koblenz verlassen, waren zu Verwandten in der Umgebung geflohen oder nach Thüringen evakuiert worden. Nach der Kapitulation am 8. Mai kehrten die Koblenzer aber rasch in Scharen wieder zurück. Heimkehrer war im Sommer 1945 auch Manfred Gniffke. Im Rahmen der Vortragsreihe „80 Jahre Kriegsende und Befreiung“ erzählte er bei einem fast zweistündigen Spaziergang durch die Altstadt, wie er die ersten Nachkriegsjahre erlebt hatte. Knapp 50 Zuhörer folgten seiner spannenden historischen Rundreise mit dem treffenden Titel: „Endlich widder doheim“.

Amerikanische Soldaten im Mai 1945 in der zerstörten Weißergasse
Us Army. US Army

Manfred Gniffke ist ein Kind der Weißergasse, und so war es nur logisch, dass die historische Rundreise auch hier startete. Wobei die heutige Weißer Gasse eigentlich nur noch den Namen mit dem historischen Vorgänger gemein hat. „Vor dem Krieg lebten in der Weißer Gasse, die elf Kneipen hatte, bis zu 3000 Menschen“, betonte Manfred Gniffke. Wie die Kastorgasse, in der bis zu 5000 Menschen lebten, war die Weißer Gasse ein eigener Kosmos. Mit dem Bombenangriff am 6. November 1944 fiel sie in Schutt und Asche. „Nur ein Haus hatte den Angriff unbeschadet überstanden“, erzählt der bekannte Koblenzer Stadtführer. Es war sein Nachbarhaus, das eigene war ebenfalls zerstört. Als er mit seinen Eltern und seiner Oma im Sommer 1945 von Thüringen nach Koblenz zurückkehrte, musste man sich erst einmal auf die Suche nach einer neuen Heimstätte machen. In Koblenz konnte man nämlich nur bleiben, wenn man eine Unterkunft vorweisen konnte. „Gottlob konnten wir bei meinem Onkel und meiner Tante in der Gemüsegasse 10 bleiben“, erzählt Manfred Gniffke. Die Wohnverhältnisse waren spartanisch, zwei Zimmer für sechs Personen, Klo auf dem Hof.

Notrationen in schwieriger Ernährungslage kommen aus der Schweiz und den USA

Noch schwieriger als die Wohnsituation war jedoch die Ernährungslage. Um eine auch nur annähernd flächendeckende Versorgung zu erreichen, hatte die Verwaltung die Lebensmittel rationiert. Doch die Rationen reichten kaum zum Überleben. Hilfe kam in dieser Notsituation aus dem Ausland, vorweg aus der Schweiz und von den Quäkern aus den USA. „Ohne diese Hilfe hätten viele von uns es nicht gepackt“, sagt Manfred Gniffke. Als Kind kam er in den Genuss der Schulspeisung, oftmals eine Art Kekssuppe. „Mit der Pampe hätte man auch Schlitze zu machen können, aber wir hatten Hunger, da war uns das egal“, erzählt Manfred Gniffke. Um die kargen Rationen aufzubessern, versuchten viele zudem auf dem Land bei den Bauern etwas zu ergattern oder auf den Umschlagplätzen der Lebensmittel, wie dem Moselhafen oder dem Lützeler Güterbahnhof etwas zu stibitzen. „Vom Lützeler Güterbahnhof gingen nämlich die Züge nach Frankreich ab“, erzählt Manfred Gniffke.

Von einer amerikanischen Artilleriegranate getroffen stürzte das Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I. in den letzten Kriegstagen von seinem Sockel.
US Army. Stadtarchiv Koblenz

Ein großer Schritt zur Normalität im Chaos der Nachkriegszeit war für die Kinder der Schulbeginn im Herbst 1945. Der Altstädter Gniffke ging erst in Lützel, dann in die provisorisch aufgestellten Baracken vor dem Schloss in die Schule. Der Weg dorthin führte immer durch die Trümmer, nach Lützel sogar über die Behelfsbrücke, da die Wehrmacht auf ihrem Rückzug Teile der Balduinbrücke gesprengt hatte. „Für uns Kinder waren die Trümmer ein großer Spielplatz“, sagt Gniffke. Allerdings bargen sie auch tödliche Gefahren, so ließen zwei seiner Schulkameraden hier beim Spiel ihr Leben.

Die sehr interessante historische Zeitreise, bei der Manfred Gniffke auch auf manch geänderte Gewohnheit aufmerksam macht, wie das frühere Schauen aus dem Fenster, das einstmals so beliebt war, wie das heutige Handystarren, endet vor der Liebfrauenkirche. Letztere hatte am 6. November 1944 keinen direkten Bombentreffer erhalten, ihr Kirchendach war durch Funkenflug allerdings in Brand geraten. Messen wurden aber, wie Gniffke erzählt, hier dennoch gefeiert, und zwar in einer vollen Kirche.

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