Mal für drei Wochen, mal für sechs Monate: Bereitschaftspflege gibt Mädchen und Jungen ein Übergangszuhause
Mama nicht nur für die eigenen Kinder: Bereitschaftspflege gibt Mädchen und Jungen ein Übergangszuhause
David ist in der Familie von Christina Schmidt zu Hause – auch wenn dies nur auf Zeit ist. Er ist das siebente Kind, das innerhalb von zwei Jahren in der Bereitschaftspflegefamilie lebt und hier unterstütz wird, während die beste Lösung für seine Zukunft gesucht wird. Foto: Sascha Ditscher
Sascha Ditscher

Der kleine David kommt freudig auf die Besucher zugelaufen, und auch beim Gespräch mit der Rhein-Zeitung wuselt er um den Tisch herum, spielt in der Nähe. Fast so, als merke er, dass es um ihn geht. Um ihn und um seine Mama – oder besser gesagt um die Frau, die er Mama nennt. Auf Zeit: Christina Schmidt und ihre Familie sind eine Bereitschaftspflegefamilie. David ist das siebente Kind, das sie in zwei Jahren aufgenommen haben.

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David ist in der Familie von Christina Schmidt zu Hause – auch wenn dies nur auf Zeit ist. Er ist das siebente Kind, das innerhalb von zwei Jahren in der Bereitschaftspflegefamilie lebt und hier unterstütz wird, während die beste Lösung für seine Zukunft gesucht wird. Foto: Sascha Ditscher
Sascha Ditscher

Christina Schmidt heißt eigentlich anders, ihren Namen haben wir geändert. Aus Gründen der Sicherheit, für sie selbst und die Kinder, die hier ein Zuhause auf Zeit finden. Denn die bisher vier Mädchen und drei Jungen zwischen drei Wochen und dreieinhalb Jahren, denen sie, ihr Mann und die drei eigenen Kinder schon Pflegefamilie waren, sind nicht immer mit dem Einverständnis der leiblichen Eltern hier untergebracht worden. Das geht manchmal ganz schnell: Einmal hat das Handy geklingelt, als sie gerade mit einer Tochter in der Stadt war, eine Brille abholen, erinnert sich die 39-Jährige. Da haben sie neben der Brille eben auch noch ein Kind mitgebracht.

Neun Bereitschaftspflegefamilien gibt es, auf die das Jugendamt Kobenz zurückgreifen kann, mit eigentlich elf Plätzen. Derzeit sind es aber sogar zwölf Kinder, die vorübergehend in den Familien leben, weil ihre eigenen Eltern sich nicht gut genug um sie kümmern können, berichtet Simone Manger vom Pflegekinderdienst des Jugendamtes. Manchmal ist das nur vorübergehend, wie bei den nur wenige Wochen alten Zwillingen, die drei Wochen lang Christina Schmidt und ihre Familie auf Trab gehalten haben, bis deren Mutter stabil genug war, sie zu sich zu nehmen. Da war an Schlaf kaum zu denken, erinnert sie sich lächelnd. Aber man merkt, wie froh sie ist, dass die Geschichte gut für die Kinder weiterging – und dass sie ihren Teil dazu beitragen konnte.

Außerdem gibt es 82 „normale“ Pflegefamilien mit insgesamt 109 Kindern, die vom Jugendamt betreut werden, zusätzlich einige sozial-pädagogische Pflegestellen für Kinder mit einem höheren Unterstützungsbedarf, berichtet Simona Manger. Immer ist die Stadt auf der Suche nach weiteren Familien – das können auch Einzelpersonen sein oder sogenannte Regenbogenpaare, ist auf der Homepage zu lesen.

Kinder haben oft schon viel erlebt

Wieder kommt David angewackelt und klettert auf die Couch. „Ich behandele die Pflegekinder wie meine eigenen auch“, sagt Christina Schmidt, dann schränkt sie ein: „Ich versuche es.“ Denn die Kleinen bringen meist schon so viel eigene Geschichte und Erfahrungen mit, dass man doch geneigt ist, sie ein wenig mehr zu verwöhnen. Da wird auch häufiger ein Lieblingsessen gekocht, wenn die Kinder neu da sind. Regeln aber gelten für alle gleich, vielleicht ist das auch das Geheimnis, warum es so wirkt, als würde David schon immer fest zur Familie gehören. Auch die Großeltern und der Freundeskreis wissen schon: Die Schmidts sind oft mehr als die eigentlich fünf. Da wird auch unterstützt, wenn Klamotten fehlen oder mal einer auf die Kinder aufpassen muss, weil Christina Schmidt einen wichtigen Termin hat oder ihrem Mann im Büro helfen muss.

Geplant war es eigentlich nie, auch anderen Kindern ein Zuhause zu geben, aber das Thema schlich sich so ein, erzählt die Pflegemutter entspannt beim Kaffee. Von einer Bekannten war sie bereits vor Jahren darauf angesprochen worden, ob sie nicht eine Pflegefamilie sein wollten, doch da war das jüngste Kind selbst noch ganz klein. Zwei Jahre später wurde erneut, diesmal vonseiten der Kita-Leitung in dem kleinen Ort bei Koblenz die Idee an sie herangetragen. Und diesmal ernsthaft abgewogen. Die ganze Familie schaute sich den Fragebogen an, den das Jugendamt von interessierten Familien einfordert, und im Verlauf der vielen Gespräche zwischen Eltern und Kindern wurde klar: Ja, wir wollen das machen. Aber nicht als „normale“ Pflegefamilie, sondern als Bereitschaftspflege.

Die Abschiede sind schrecklich

„Bei Pflegefamilien besteht immer auch die Möglichkeit, dass die Kinder doch manchmal nach Jahren wieder zu den Eltern zurückgehen, und das konnten wir uns absolut nicht vorstellen“, sagt Christina Schmidt. Bei der Bereitschaftspflege ist es von vornherein auf eine begrenzte Zeit angelegt, und damit kommt die Familie besser klar. „Viele sagen: Das könnte ich nie, wenn man die Kinder lieb gewonnen hat, sie dann wieder abgeben“, sagt die Pflegemutter. „Ich kann das auch nicht gut aushalten. Aber was wäre denn die Alternative? Dass man die Kinder gar nicht unterstützt?“ Auch bei ihren eigenen Kindern sieht die Mutter im Übrigen, wie sehr sie sich verändert haben: Vieles sehen sie nicht mehr als selbstverständlich an, und sie sind unheimlich sozial, das macht die Mutter froh.

Kontakt gibt es übrigens häufiger auch zur leiblichen Mutter der Kinder, dann nämlich, wenn sie ein Umgangsrecht hat. Die Treffen finden oft im Kinder- und Jugendheim in Arenberg statt, manchmal trifft Christina Schmidt dann auf die Eltern. Manche reagieren ablehnend, andere sind froh, die Frau kennenzulernen, die jetzt gerade für ihr Kind sorgt. Und die Schmidts selbst versuchen, nichts zu bewerten.

Ein einziges Mal hat es übrigens nicht geklappt mit einem Kind, das Mädchen war extrem aggressiv, und vor allem die jüngste Tochter wurde regelrecht von ihr drangsaliert. Eine Weile hat die Familie es noch mit Unterstützung der Fachleute aus Arenberg versucht, aber es ging nicht. Christine Schmidt fällt es sichtbar nicht leicht, darüber zu sprechen, aber auch dies gehört ja nun mal dazu. Auch die Tatsache, dass manche glauben, Pflegefamilien würden dies wegen des Geldes tun, das sie bekommen. Da kann die Pflegemutter richtig sauer werden.

Für David wird gerade eine passende Pflegefamilie gesucht. Es wird ein schwieriger Abschied werden, das weiß seine „Mama“ jetzt schon, für alle. Oben im Flur zeugen die Bilder von den bisherigen Kindern, die hier eine Familie auf Zeit gefunden haben. Aber auch sonst wären sie nicht vergessen.

Von Doris Schneider

Heute ist ein Infoabend zum Thema Pflegeeltern

Aktuell wirbt der Pflegekinderdienst der Stadt mit Großplakaten im Stadtgebiet für neue Pflegeeltern. Interessierte haben auch die Möglichkeit, am heutigen Dienstag, 22. November um 19.15 Uhr an einem Infoabend in der Familienbildungsstätte, Thielenstraße 13, Koblenz teilzunehmen.

Anmeldung unter www.fbs-koblenz.de oder telefonisch unter 0261/356 79. Der Infoabend ist kostenlos und bieten die Möglichkeit, sich individuell über die Aufgabe als Pflegemutter oder -vater zu informieren. Insbesondere für kleinere Kinder ist die Unterbringung in einer Pflegefamilie häufig besser als in einer Heimeinrichtung, da sie hier in familiären Bezügen aufwachsen können.

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