Neue Vortragsreihe in der Vinothek Winningen wirft Licht auf Ritter, Leidenschaft und Minnesang
Männer, die von Liebe schwärmen: Neue Vortragsreihe in Winningen beleuchtet Ritter im Mittelalter
Ausstellung "Codex Manesse und die Entdeckung der Liebe"
Liebe, Leidenschaft und Rittertum: Das sind die Themen, die im Vortrag von Wolfgang Schmid in der Vinothek behandelt werden. Foto: Ronald Wittek/dpa
Ronald Wittek. picture alliance / dpa

In einer neuen Vortragsreihe sollen in der Winninger Vinothek wissenschaftliche Themen kurzweilig vorgetragen werden, umrahmt von Musik, Wein und Diskussionen. Den Aufschlag macht Historiker Wolfgang Schmid, der hauptberuflich Professor für Landesgeschichte an der Universität Trier ist, seit 15 Jahren in Winningen lebt und in seiner Freizeit zur Geschichte der Region forscht. Und Schmid weiß: Bei den Rittern an der Mosel war einiges los.

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Die Frage, ob es an der Mosel überhaupt Ritter gab, kann Wolfgang Schmid schnell beantworten: „Schauen Sie doch mal, wie viele tolle Burgen wir hier haben“, sagt der 67-Jährige: Cochem, Thurant, Bischofstein, allein Kobern-Gondorf hat vier Stück. Im Hunsrück thront noch die Ehrenburg, die Familie Eltz lebt zudem seit 800 Jahren auf ihrer Burg im Maifeld, die Touristen aus aller Welt anzieht.

Doch mehr als eine romantische Vorstellung vom Ritterleben ist bei den meisten nicht in den Köpfen geblieben, daran könnten die Ritter selbst einen Anteil haben. Die mittelalterliche Welt war in drei Stände der Christenheit unterteilt: die Geistlichen, die gebetet haben, die Werktätigen, die gearbeitet haben und die Ritter, die beschützt haben, Feinde abgewehrt haben und das Heilige Land in den Kreuzzügen von Ungläubigen befreien sollten, erklärt Schmid. Eine gottgewollte Ordnung, die erst die Französische Revolution aufzulösen schafft. Allerdings fand die Zeit der Ritter schon wesentlich früher ihren Untergang.

Zunächst einmal: Wer Ritter war, war adelig und musste demnach nicht in dem Sinne arbeiten und auch keine Steuern zahlen, sagt Schmid. Ritter saßen auf Burgen, die sie militärisch verteidigen und baulich instand halten mussten – und die imposanten Bauwerke spielten in der Verwaltung eines Landabschnitts eine wichtige Rolle: „Burgen waren die Verbandsgemeindeverwaltungen des Mittelalters“, sagt Schmid, hier wurden Steuern eingesammelt und es wurde Gericht gehalten. Allerdings veränderte sich die Welt um die Ritterburgen herum zusehends. Ein treibender Faktor für die Entwicklung in der Moselregion war der Erzbischof von Trier, Balduin von Luxemburg (1308 bis 1354), der Landesherr war und endlich sein Land regieren wollte. Viele kleine Bezirke, teils bis auf die kleinsten Gemeinden, hatten Sonderrechte, die es Balduin schwer machten, wirklich zu regieren. Seine Lösung? Die ganzen Raubritter entlang der Mosel müssen weg.

Vier Probleme für die Ritter

Was ein Raubritter ist, so erklärt Schmid, ist Definitionssache. „Ein Ritter darf beispielsweise eine Fehde führen, aber wenn der Landesherr sagt: ,Ich möchte das nicht', dann ist der Ritter auf einmal ein Raubritter.“ Balduin von Luxemburg wollte ein zusammenhängendes Territorium von Koblenz bis Trier ausbauen. Er bot den Rittern an, entweder als Verwalter für ihn zu arbeiten oder er eroberte ihre Burgen und „jagte sie zum Teufel“.

Die Politik, vor allem der besagte Ausbau der Territorien, war das erste Problem der Ritter, das zweite Problem waren Veränderungen in der Kriegsführung. Der Ritter kämpfte zu Pferd und mit dem Schwert in der Hand, Mann gegen Mann, erklärt Schmid. Doch Bogenschützen und Fußtruppen mit Lanzen revolutionierten die Kriegsführung. Ein drittes Problem war die Veränderung der Gesellschaft: „Wenn man ein Kurfürstentum regieren will, braucht man eher Verwaltungsfachleute als Ritter“, sagt Schmid. Das Bürgertum in den Städten ließ nicht nur seine Söhne studieren, sondern kam durch den Handel zu Geld und konnte so manchem Ritter seine Burg abkaufen: „Dann haben sie noch die Tochter eines Ritters geheiratet, ein Wappen erworben, und schon waren auch sie im Adelsstand.“

Das vierte Problem: Die Zeit der Kreuzzüge war vorbei. Die Ritter gerieten in eine Existenzkrise. So mancher träumte und schrieb sich zurück in eine gute alte Zeit, in der die Ritterwelt noch in Ordnung war. Illustrierte Bilderhandschriften zeigen, wie das ideale Ritterleben ausgesehen haben soll: „Das ist eine Sehnsucht“, weiß Schmid, „ein Traum von Heldentum und Liebe.“ Die Bekannteste davon ist die Manessische Liederhandschrift mit Werken von 140 Minnesängern.

Heldentum und Liebe

Heldentum ist das eine; Liebe war für den Ritter ein ebenso hohes Gut wie Schlachtenschlagen und Kreuzzüge führen. Zeugnis davon sind die Minnesänge – eine reine Männerdomäne. Doch wie war die Wirklichkeit? Oft werden arrangierte Ehen von der Braut aus gedacht, die im Kindesalter einem Mann versprochen wird, den sie womöglich am Traualtar das erste Mal sieht. Doch auch der Bräutigam kennt seine Angetraute nicht. „Und ausgerechnet diese Leute schreiben dann romantische Liebeslieder“, sagt Schmid. Lieder und Gedichte also, von Männern verfasst, die von Liebe schwärmen. Am schönsten ist bekanntlich die unerfüllte Liebe. „Der Ritter bekommt von der Angebeteten immer mehr Aufgaben und Prüfungen, doch am Ende kriegt er sie nicht.“ Die Männer schwärmen, dichten und kämpfen, die schönen Ritterfräuleins sind reine Projektionsfläche. Doch Schmid muss für die mittelalterliche Damenwelt eine Lanze brechen: „Wir wissen von Gräfinnen, die als Witwe ihr Territorium regierten und von Kaufmannsfrauen, die die Geschäftskorrespondenz führten, aber es gibt eben gewisse Normen.“

Aber gibt es denn nun einen moselländischen Minnesang? Von Eltzer Rittern für Fräulein von Burg Thurant? Leider nein, sagt Schmid, damit könne er nicht dienen. Die Kurfürsten von Trier, Köln und Mainz haben den Adel aus der Region platt gemacht, und ohne einen Hof gibt's keine Minne.

Von Stefanie Braun

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