50 Jahre war der Kettiger Schiedsmann - Nun blickt er auf eine bewegte Zeit im Ehrenamt zurück
„Lieber schlichten statt richten“, ist Windens Devise – Kettiger blickt auf 50 Jahre als Schiedsmann zurück
50 Jahre lang empfing Winfried Winden in seiner Funktion als Schiedsmann in seinem Büro in seinem Zuhause in Kettig Menschen, die ihn um Hilfe bei Streitschlichtungen ersuchten. Nun – mit 82 Jahren – hat er sein Amt niedergelegt.
Mira Zwick

Kettig. An seinen ersten Fall vor 50 Jahren kann er sich noch genau erinnern. „Da wusste ich noch gar nicht, wie man Schiedsmann überhaupt schreibt“, sagt Winfried Winden lachend. Und auch, wenn er damals keine Einigung erzielen konnte, so ist er doch von der Sinnhaftigkeit und dem Nutzen eines Schiedsmannes überzeugt. „Lieber schlichten statt richten“, war stets seine Devise.

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50 Jahre lang empfing Winfried Winden in seiner Funktion als Schiedsmann in seinem Büro in seinem Zuhause in Kettig Menschen, die ihn um Hilfe bei Streitschlichtungen ersuchten. Nun – mit 82 Jahren – hat er sein Amt niedergelegt.
Mira Zwick

Etliche Nachbarschaftsstreitereien, aber auch strafrechtliche Delikte konnte er beilegen, bevor sie vor Gericht gingen – rund 70 Prozent, schätzt der Kettiger rückblickend. Nun hat er nach einem halben Jahrhundert im Dienst sein Ehrenamt als Schiedsmann für die Gemeinde Kettig und Bassenheim niedergelegt – „erschreckend, wie lang“, sagt er rückblickend und scheint sich selbst zu wundern, wie schnell die Zeit vergangen ist.

Doch zurück zu den Anfängen: 1967 zog der in Aachen geborene Winden gemeinsam mit seiner Frau aus beruflichen Gründen – er war Kaufmann im Außendienst – nach Kettig. Fünf Jahre später wird er von der Gemeinde zum Schiedsmann berufen, ein Ehrenamt, das auch mit einer großen Verantwortung einhergeht.

Und sein erster Fall? Da kam damals ein älterer Kettiger zu ihm, seines Zeichens Wagner. Der hatte einen Klumpfuß, weswegen er seit jeher von den Jugendlichen des Dorfes veräppelt wurde. Der Wagner wiederum drohte den Jugendlichen mit einem Knüppel. Bei der Kirmes, die etwas außerhalb des Ortes gefeiert wurde, eskalierte der Zwist. Der Wagner hielt Nachtwache, und die Jugendlichen nutzten die Gelegenheit und warfen ihn in ein tiefes Loch, das vom Bimsabbau herrührte und aus dem er nicht aus eigenen Kräften herausklettern konnte. Nach langen Hilferufen befreiten ihn Kettiger aus seiner misslichen Lage. Wegen dieses Vorfalls kam der Wagner einige Male zu Winfried Winden, um sich mit den verschiedenen Jugendlichen zu einigen, leider ohne Erfolg, letztendlich ging es für die Beteiligten vor Gericht, bedauert Winden. Doch bei vielen weiteren Anliegen, die diesem Folgen sollten, konnte er eine Schlichtung herbeiführen.

Ich habe auf viele Leben positiven Einfluss genommen.

Winfried Winden

„Es gibt eine Vielzahl an Delikten, bei denen vor einer Anklage vor Gericht erst ein Schiedsmann aufgesucht werden muss, das wissen viele nicht“, erzählt Winden. So zum Beispiel bei Nachbarschaftsstreitereien, Beleidigungen, aber auch bei Kneipenschlägereien – „die waren aber früher viel häufiger als heute.“ Überhaupt habe sich die Zahl der Schlichtungen in Windens Amtszeit von Anfangs 18 bis 25 Fällen im Jahr reduziert. Wie viele es zuletzt waren, ließ er sich jedoch nicht entlocken.

Einmal bekam er auch Hilfe von außen, erinnert sich Winfried Winden zurück. Da ging es um den Überwuchs eines alten Baumes auf das Nachbargrundstück – auch ein klassischer Fall für den Schiedsmann. „Es gab leider keine Einigung, bis Sturmtief ,Antonia' kam. Damit hatte sich die Sache dann erledigt“, grinst er.

Das Amt des Schiedsmanns ist schon eine große Entlastung für die Amtsgerichte.

Viele Fälle konnte Winfried Winden als Schiedsmann schlichten und mussten somit gar nicht erst vor Gericht verhandelt werden.

Bevor es mit derlei Fällen vor Gericht geht, muss ein Schlichtungsversuch erfolgen. Dazu muss sich derjenige, der einen Streit schlichten möchte, einen Antrag beim zuständigen Schiedsmann stellen. Der protokolliert das Anliegen und lädt beide Parteien zu einer Schlichtungsverhandlung ein. „Bei dem Gespräch habe ich mich erst mal zurückgelehnt und beide Parteien miteinander sprechen lassen, die beiden Parteien sollen es am besten selbst regeln“, war sein Leitsatz. „Vor allem muss man aber auch gut zuhören können.“ Konnten sich die Beteiligten nicht von selbst einigen, machte Winden einen Vorschlag, erläutert er weiter. Das Handwerkszeug wie beispielsweise Mediation lernte er bei den verschiedenen Seminaren des Bunds Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen.

Können sich die beiden Parteien letztendlich einigen, wird dies schriftlich festgehalten und ist damit auch rechtlich bindend. „Das Amt des Schiedsmanns ist schon eine große Entlastung für die Amtsgerichte“, ist Winden überzeugt. Erst wenn der Schlichtungsversuch erfolglos ist, muss der Schiedsmann eine Sühnebescheinigung beziehungsweise Erfolglosigkeitsbescheinigung ausstellen, mit der der Klageweg beschritten werden kann.

Im Grunde bin ich eine rheinische Frohnatur. Außer Krankheit schmeißt mich nichts so schnell um.

Winfried Winden

Auf diese Weise lernte Winden viele Menschen kennen, viele Lebensgeschichten und auch viele Lügen. „Neid ist der schlimmste Feind des Menschen“, resümiert er. „Aus heiterem Himmel beschimpfen sich Menschen, die sich jahrelang in den Armen gelegen haben.“ Ihnen zu helfen, war seine Mission in den vergangenen fünf Jahrzehnten. „Ich habe auf viele Leben positiven Einfluss genommen“, sagt Winden zufrieden.

Das Schönste sei für ihn stets gewesen, wenn sich die Beteiligten im Nachgang bei ihm bedankten. Honoriert wurde seine ehrenamtliche Arbeit aber auch mit einer Vielzahl von Ehrungen, unter anderem die Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz. „Es sind so viele, dafür hätte ich an vier meinen Wänden gar keinen Platz“, blickt er sich um. Nur eine hat er in seinem Büro aufgehangen: eine Urkunde, die ihm seine Freunde zu diesem besonderen Jubiläum überreichten, berichtet er gerührt. Ein bisschen macht er den Eindruck, dass er es selbst noch nicht fassen kann, das Ehrenamt, das er den größten Teil seines Lebens bekleidet hat, niedergelegt zu haben. Doch Langeweile und Trübsal werden nicht aufkommen, ist er überzeugt: „Im Grunde bin ich eine rheinische Frohnatur. Außer Krankheit schmeißt mich nichts so schnell um.“

Von Mira Zwick

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