Kathrin Paul-Hanisch ist nicht nur eine Frau, die Frauen liebt, sondern hat auch ein Buch über eine unerwartete Frauenliebe geschrieben. Aus ihrem Roman liest die selbstständige Versicherungsfachfrau, Sängerin und Hörbuchsprecherin am Freitag, 15. November, um 18.30 Uhr im Kurioos in Koblenz, Altenhof 5.
Als Lesbe schreibt man, was man kennt.
Kathrin Paul-Hanisch
Die 45-Jährige wohnt mit ihrer Ehefrau, zwei Hunden, zwei Katzen und einem Teich voller Fische in einem Dorf im Westerwald. Geboren und aufgewachsen ist sie in Sachsen-Anhalt, zog dann beruflich in den Westerwald und lebte später auch nahe Koblenz, in Andernach und Neuwied.
Für unsere Serie über queer(es) Leben in Koblenz haben wir Kathrin Paul-Hanisch per Video angerufen – und erreichten sie in einer Ferienanlage auf Kreta.
In lockerem Kapuzenpulli, Badeschlappen und rauchend, so sitzt die 45-Jährige uneitel und locker vor der Handykamera in Poolnähe. Sie lacht hier und da, blickt manchmal verschmitzt zu ihrer Mutter rüber, wenn es um intimere Fragen ging.
Wie kam es dazu, dass Sie ein Buch über eine unerwartete Frauenliebe geschrieben haben, in der eine der beiden erst entdeckt, dass sie sich zu einer Frau hingezogen fühlt?
Als Lesbe schreibt man, was man kennt (lacht). In beiden Frauen stecken auch autobiografische Züge.
Welche denn?
Eine der Protagonistinnen ist Ostdeutsche, die wie ich in der Gastronomie lernte und Fotografin wurde. Okay, nicht Musikerin, so wie ich, aber das geht ja in dieselbe Richtung. Der Charakter von ihr, die ja vorher eine Beziehung zu einem Mann hatte, trägt die Züge einer meiner Exfreundinnen.
Was hat es mit dem Titel Schau ins Land auf sich?
„Schau ins Land“ ist ein besonderer Ort in Rengsdorf. Diesen Ort habe ich auch erstmals mit einer Frau besucht.
War das eine besondere Frau?
Ja, mit ihr hatte ich mein erstes Mal. Aber wir waren nicht verliebt.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie auf Frauen stehen?
Meine Mutter hat das zuerst gemerkt. Sie meinte, dass meine Grundschullehrerin extrem wichtig für mich war. Aber das ist ja bei vielen in dem Alter so. Das erste Mal so richtig doll verliebt war ich mit 17! Das Mädel war mit mir in einer Klasse. Wir waren zu dritt in der Disco, sie kam angeschossen. Ich sah sie, und bei mir hat es Zoom gemacht. Bei ihr leider nicht. Es war eine unerfüllte Liebe. Aber mir war schon vorher klar, dass ich auf Frauen stehe, weil ich ihnen hinterher geguckt habe, und die Sachen, die ich mit Jungs hatte, mich nicht erfüllten. Da lief nicht mehr als komische Küsse.
Das erste Mal glücklich verliebt waren Sie in eine Arbeitskollegin, als Sie mit 18 Jahren die Ausbildung zur Hotelfachfrau im Westerwald begonnen hatten. Konnten Sie beide Ihre Gefühle frei ausleben?
Familiär war das gar kein Problem, außer mit meinem Stiefvater, der hat einfach nicht drüber geredet. Als Auszubildende mussten wir manchmal 18 Stunden arbeiten. Wenn wir es gut trafen und zur selben Zeit frei hatten, konnten wir es auch genießen und ausleben, in ihrer oder meiner Wohnung, aber weniger im Dorf. Die Kollegen wussten es, und das war auch gar kein Problem. Im Gegenteil!
Wie meinen Sie das?
Als meine Freundin ausgelernt hatte und weg war, kamen einige meiner Kolleginnen an und meinten: Ich wollte schon immer mal eine Frau küssen. Darf ich?
Und?
Ich hab es nur einmal gemacht. (lacht)
Wie ging es Ihnen früher als Jugendliche mit Ihrer sexuellen Identität – und wie heute?
Dadurch, dass ich sowohl mit meiner besten Freundin als auch in der Familie keine negative Erfahrung gemacht habe, war das für mich ein recht einfaches Spiel. Interessant wurde es später dann, wenn wir mit Kollegen in der Disco unterwegs waren, und andere Männer, die Dorfjugend, ankamen und meinten: Ich treib dir das aus, du hattest nur noch nicht den richtigen Mann. Aber da stehe ich drüber.
Wurden Sie schon mal beschimpft?
Nein. Nur der Vater meiner zweiten Freundin war heavy. Sie kam auch aus dem Osten. Wir beschlossen, wir besuchen erst ihre Eltern, dann meine. Ich sagte zu ihrem Vater beim Essen: Herr XY, ich liebe Ihre Tochter. Dann musste ich meine Tasche packen. Ich fragte meine Freundin, ob sie mitkommt. Sie sagte: Ja, und wir fuhren dann zu meinen Eltern.
Wenn es in Koblenz eine Kneipe gibt, die bekannt dafür ist, dass homosexuelle und andere queere Menschen hier anzutreffen sind und gern feiern, dann ist es das Kurioos. Die Bar und Lounge im Altenhof ist dabei nicht nur ein Treff und geschützter Raum für Leute aus der Regenbogenfamilie.Sexuelle Identität ist im Kurioos in Koblenz egal: Wirt der queeren Bar im Interview
Sind unterhalten Menschen auf der Bühne mit ihren Bands. Sind sie jemand, der privat viel in der queeren Szene unterwegs ist?
Ja, früher war ich eine Szenegängerin. Zumindest im Koblenzer Bereich hatten wir eine Clique. Wir sind auch nach Köln gefahren, wenn CSD (Christopher Street Day, Anm. d. Red.) war. In Neuwied hatten wir auch eine Stammkneipe. Das ist aber alles 20 Jahre her. Gott sind wir alt. (lacht) So viel Szene gibt es auch gar nicht mehr. Eine rein lesbische Location gab es in Moselweiß, ich glaub, die hieß Regenbogenbar oder so. Aber da war ich nicht oft. Wir sind mit der Freundesclique oft ins Vogue gegangen. Da war es durchmischter. Früher war ich auch ständig im Kurioos und vorher im Deja vu. Daher kenne ich Fräggel als DJ gut (Jens Prangenberg, Inhaber des Kurioos, Anm. d. Red.) und durch ihn Marcel Witt (Wirt und Geschäftsführer der queeren Bar Kurioos, Anm. d. Red.).
Welche Verbindung haben Sie zu Koblenz?
Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal 1996 – frisch aus Sachsen-Anhalt hatte ich die Ausbildung in Ehlscheid (Westerwald) begonnen – im Dunkeln zur Berufsschule in die Stadt reingefahren bin. Ich sah die vielen Lichter und die Festung. Das war ein beeindruckendes Bild. Ich hatte in Koblenz auch schon ein paar Arbeitsstellen und habe in der Nähe gelebt. Die Stadt ist ultra schön angelegt. Wenn man unterhalb der Festung reinfährt, ist es toll, die vielen Kirchtürme und die Flüsse zu sehen. Bei unseren Auftritten mit den Bands begegnen wir zudem einem sehr freundlichen und weltoffenen Volk. Heute bin ich ab und zu in Koblenz, wenn ich meine Mama am Koblenzer Hauptbahnhof abhole, wenn sie zu Besuch kommt. Und bei meiner Lesung bin ich natürlich im Kurioos anzutreffen.