Den Nutzerinnen und Nutzern der Rheinische Landesbibliothek in Koblenz (RLB) steht seit diesem Frühjahr ein technisch-künstlerisches Highlight zur Verfügung: Die RLB, die zum Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz (LBZ) gehört, konnte kürzlich eine beachtliche Sammlung historischer Koblenzer Festungspläne aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwerben. „Die aus Kopenhagen stammenden Zeichnungen ergänzen den schon vorhandenen Bestand und sind eine wertvolle Quelle für die regionalhistorische Forschung“, betont die RLB. Digital können diese Pläne seit Kurzem von jedermann im rheinland-pfälzischen Digitalisierungsportal „dilibri“ abgerufen werden.
Zumeist müssen die Mitarbeiter der RLB gängige Auktions-Kataloge und Online-Angebote studieren, um interessante Objekte für die Landesbibliothek zu finden. „In diesem Fall wurde jedoch unsere Leiterin, Annette Gerlach, direkt von einem Antiquariat kontaktiert“, berichtet Barbara Koelges. Die Fachreferentin der Abteilung Sammlungen der RLB verwaltet die neu erworbenen Zeichnungen. Die Pläne hatte das 1821 gegründete Buch-Antiquariat „Herman H. J. Lynge & Søn“ mit Sitz in der dänischen Hauptstadt angeboten. In solchen Fällen steht dem LBZ ein Budget zur Verfügung: „Das Landesbibliothekszentrum hat einen Buchkaufetat, in dem auch eine feste Summe für antiquarische Käufe vorgesehen ist“, so Koelges. Insbesondere für Historiker und Liebhaber von Festungsanlagen seien solche technischen Kunstwerke interessant: „Wir hatten schon eine Führung mit einer Gruppe von Koblenzer Festungsvereinen.“

Unter den zeichnerisch exzellenten Festungsplänen sticht eine 1820 entstandene Sammlung besonders hervor: Es handelt sich um eine Kollektion aus 18 Plänen (plus Deckblatt) von Bollwerken rund um Koblenz – darunter die Festungen Kaiser Franz, Kaiser Alexander und Ehrenbreitstein sowie die Mosel- und Rheinflesche. Die handkolorierten Tuschezeichnungen zeigen neben den Gesamtplänen der Festungen auch sehr detailgetreu Einzelheiten wie beispielsweise Kasematten, Tore, Wasserbehälter und Kücheninventar. Die einzelnen Blätter haben eine Größe zwischen 43 x 28 Zentimetern und 104 x 88 Zentimetern.
Über diese Sammlung hinaus wurden 1825 entstandene Pläne der Festungen Kaiser Alexander und Kaiser Franz sowie der Festung Koblenz – gezeichnet um 1800 – angekauft. Hinzu kommt ein Plan von Koblenz und Ehrenbreitstein, datiert auf den 29. März 1830. Letztgenannte Zeichnung wurde von einem dänischen Offizier namens C. Krag gefertigt. Dagegen sind die übrigen Pläne meist nicht signiert, was eine Identifizierung der Schöpfer schwierig macht. Lediglich bei der Kollektion sind einige der 18 Blätter mit dem Namen „Neumann“ unterschrieben. Hat diese Person alle Pläne der Sammlung kreiert, oder nur einen Teil? Und der Rest wurde von technisch und zeichnerisch gleichermaßen versierten dänischen Offizieren geschaffen? „Hier sind sicher noch einige Forschungsarbeiten notwendig“, meint Koelges.

Die über ganz Koblenz verteilten Festungen sind noch heute im Stadtbild sichtbar – und historische Zeugnisse der politischen und militärischen Situation zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Aufgrund der Entschlüsse des Wiener Kongresses war das Rheinland 1815 endgültig an Preußen gefallen. Es entstand die sogenannte Rheinprovinz, als deren Hauptstadt Koblenz bestimmt wurde. Das militärisch starke Preußen sollte hier potenziellen Expansionsbestrebungen Frankreichs einen Riegel vorschieben. Deshalb entstand in Koblenz auf Anordnung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. eines der umfangreichsten Befestigungssysteme Europas, das aus mehreren Festungen bestand.
Unter der Überschrift „Spionage oder genehmigte Erkundung?“ hat der ehemalige Stadtarchiv-Mitarbeiter Peter Kleber bereits vor einigen Jahren zahlreiche Berichte ausländischer Militärs über den Bau der Festungsanlagen in Koblenz ausgewertet. Danach hielten sich wohl häufiger Offiziere aus Ingenieurkorps oder Generalstäben mit offizieller Einladung in Koblenz auf – vor allem, wenn sie aus Ländern kamen, die vorher gegen Napoleon verbündet waren. „Es lag im Interesse Preußens, die hier entwickelten neuen Befestigungsideen an diese Staaten weiterzugeben“, schrieb Kleber. Ziel war, „mit einem möglichst einheitlichen Abwehrsystem einer neuerlichen Aggression Frankreichs entgegenzutreten“.
Hier sieht man die Pläne
Abrufbar sind die beschriebenen Pläne im Internet unter dem Link: https://www.dilibri.de. Danach müssen die Signaturen H 67, H 63, H / 64 und H 66 im Suchfeld eingegeben werden.