Als Geschenk an die Kunsttage
Künstler fertigt Graffitigemälde im Winninger Uhlen
Schweißtreibende Arbeiten am Uhlenweg: Künstler Nico Sawatzki vollendet sein Gemälde, um es dem Verein Kunsttage Winningen zu schenken.
Stefanie Braun

Landschaftsbild in Kulturlandschaft: Ein Jahr nach den Kunsttagen fertigt Nico Sawatzki ein Kunstwerk im Winninger Uhlen. Normalerweise würde ein Werk dieser Größe 20.000 Euro kosten. Warum er es dem Kunsttageverein schenken möchte.

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Eigentlich ideales Wetter: Die Sonne scheint, die Temperaturen sind mehr als frühlingshaft, ein kleines Wölkchen bahnt sich einen einsamen Weg am Himmel. Fahrradfahrer, Läufer, Wanderer jubeln auf dem Wirtschaftsweg, der neben Bahnstrecke und B416 von Kobern-Gondorf nach Winningen und zurück führt. Nur Nico Sawatzki, der schwitzt und brütet und sprayt – zumindest versucht er es gegen den tückischen Wind, der die Farbpartikel seiner Spraydose schwer kontrollierbar macht.

Sawatzki (40) hat seine Spraydosen in einer umfunktionierten Bierkiste neben sich auf einem Gerüst stehen, das er vor der Weinbergswand aufgebaut hat. Den Plan, 90 Prozent seines Werkes mit den Spraydosen zu vollenden, muss er wegen eben diesem Wind über Bord werfen, stattdessen greift er zu Pinsel und Acrylfarbe. Seit Dienstagmittag ist der Künstler aus Regensburg hier zu Werke, bis Donnerstag hat er noch Zeit. Dann soll sein Geschenk an Winningen im Beisein einer Gruppe geladener Gäste enthüllt werden.

Nico Sawatzki (40) hat Mitte der 90er-Jahre mit dem Sprühen von Graffitis begonnen, war immer kunstinteressiert, hat früher mit Öl und Aquarell experimentiert und Comics gezeichnet. Heute beschäftigt sich der Autodidakt mit abstrakten Landschaften.
Stefanie Braun

Wenn man Sawatzki fragt, was da entsteht auf der Betonwand, die er vor seinen Arbeiten noch ausgebessert und grundiert hat, sodass sie glatt ist und die Farben gut zur Geltung kommen, dann antwortet er scherzhaft: „Ein Bild.“ Eine Landschaft soll es werden, doch keine konkrete, auch wenn der Platz direkt am Fuß der Weinberge des Uhlen dies vermuten lassen würde. Sawatzkis Bilder erinnern an kurze Blicke aus einem beschlagenen Zugfenster hinaus auf eine Landschaft, die man erkennt und doch nicht kennt. Abstrakt und gleichzeitig vertraut.

Teils könnte man meinen, Bäume zu sehen, Flüsse, Berge: „In Hamburg schwören die Leute, die Elbe zu sehen“, erzählt Sawatzki, dabei hat er die Elbe gar nicht auf Leinwand gebannt. Zu Hause in seinem Atelier arbeitet er größtenteils auf Leinwänden. Eigentlich braucht es für Landschaften nur zwei Konstanten, erklärt er: Ein Oben und ein Unten, vom Horizont aus gesehen. Der Rest entsteht im Kopf des Betrachters. So soll es nun auch in Winningen sein. Am Dienstagnachmittag erinnern die Farben, die Sawatzki zu Hause grob vorausgewählt hat, noch an einen Sonnenuntergang, doch da wird noch reduziert, sagt er. Entkitscht. Abstrahiert.

Eigentlich werden im Uhlenweg, einer beliebten Rad- und Wanderstrecke zwischen Winningen und Kobern-Gondorf, Skultpuren ausgestellt. Sawatzki fertigt nun ein Bild, von dem er nicht genau weiß, wie lange es halten wird. Auch deswegen schenkt er es dem Verein Winninger Kunsttage.
Stefanie Braun

Der Autodidakt malt gelegentlich noch auf Betonwänden, dabei war das früher sein Hauptmedium, zusammen mit den Sprühdosen. Mitte der 90er-Jahre fängt er als Graffitikünstler an, es ist damals noch keine so große Szene wie heute in Regensburg. Der Reiz des Verbotenen hat den Jugendlichen gelockt – und das Interesse für Kunst, fürs Zeichnen und für Kunstgeschichte. Mit seinen Eltern besucht er Ausstellungen, experimentiert mit Ölfarben, Aquarellen, zeichnet Comics. Doch die Sprühfarbe bleibt sein Hauptmedium. Mit diesem nimmt er Auftragsarbeiten, für mittelständige Unternehmen an, aber auch für große Namen wie BMW.

Sprayen und schwitzen: Bei den heißen Temperaturen und dem sonnigen Wetter ist die Arbeit an einer Betonwand schweißtreibend.
Stefanie Braun

Als der gelernte Versicherungskaufmann seine Stunden im Hauptjob reduzieren will, lehnt sein Chef ab, also kündigt er ganz – und ist mit Mitte 20 mit einem Schlag hauptberuflich Künstler. Er hat viel Glück gehabt, aber auch das Glück des Fleißigen, sagt er rückblickend. Es geht immer weiter mit Aufträgen und dem Künstlerdasein.

Bis ihn 2018/19 eine Schaffenskrise heimsucht. Als sein Vater stirbt, muss er sich mit vielem anderen beschäftigen, und als er zur Kunst zurückkehrt, findet er den Sinn darin nicht mehr. Bis dahin hat Sawatzki grafisch gearbeitet, architektonische Räume kreiert, bis alles so verkopft war, dass für keinen freien Gedanken mehr Platz war. Er fängt auf einer leeren Leinwand wieder an, und da erscheinen die Landschaften, mit denen er auch 2024 für die Winninger Kunsttage an die Mosel kommt.

Es muss noch einiges getan werden: Am Dienstagnachmittag findet Sawatzki sein Werk noch etwas zu "kitschig", da wird noch reduziert und abstrahiert, sagt er. Am Donnerstag wird das Gemälde im Beisein geladener Gäste enthüllt.
Stefanie Braun

Auf der Art Karlsruhe wird er von Frank Hoffbauer entdeckt, Sawatzki sagt die Winninger Kunsttage zu und erwartet erst nicht viel. Umso begeisterter ist er im Nachhinein, von dem positiven Engagement aller Beteiligten, von dem herzlichen Hand-in-Hand-Arbeiten und nicht zuletzt von seinen verkauften Bildern. Schon kurz nach den Kunsttagen sieht er sich mit Hoffbauer und Matthias Knebel vom Weingut Knebel, in dessen Weingut er ausstellen durfte und dem die jetzige „Ausstellungsfläche“ gehört, die Wingertswand an. Hier möchte er dem Verein ein Gemälde erstellen, zu einem unschlagbaren Preis: Er weiß nicht, wie lange das Werk auf der Wand halten wird, gibt er zu bedenken, und normalerweise würde etwas in der Größe von zweieinhalb mal drei Meter rund 20.000 Euro kosten. Doch er möchte es schenken.

Ob man in seinen Werken auch mal einen Weinberg sehen wird? Er findet die kontrastreichen Berge mit den tollen Perspektiven schon sehr ansprechend, sagt er. Aber wenn, dann abstrakt, sodass jeder, der will, einen Weinberg darin sehen kann. So wie die Hamburger überall die Elbe sehen, könnten die Moselaner dann überall Weinberge sehen.

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