In Expertengruppen, politischen Gremien und Bürgerversammlungen wird das Projekt seit Ende September 2023 vorangetrieben. In seiner jüngsten Sitzung hat der Stadtrat drei Fokusgebiete festgelegt: die Altstadt, Karthause und Rauental/Goldgrube. Für diese drei Stadtteile sollen konkrete Wärmenetze konzipiert werden. In der Sitzung haben sich einige Fraktionen sehr deutlich gegen einen Anschlusszwang für Anwohner an das Wärmenetz ausgesprochen. Ein Überblick über den aktuellen Stand:
Die Ausgangslage: Eine Bestandsanalyse hat ergeben, dass in Koblenz mehr als 50 Prozent der Gebäude zwischen 1949 und 1978 gebaut worden sind. Würde man sie energetisch sanieren (Heizung, Gebäudehülle), was bereits geschieht, könnte man viel Energie einsparen. In Koblenz wird zu 80 Prozent mit Gas geheizt, doch die Stadt hat sich „verpflichtet, ihr Möglichstes beizutragen, um bereits zwischen den Jahren 2035 bis 2040 klimaneutral zu werden“.
Damit eine Wärmewende gelingen kann, müssen Kommunen in Deutschland bis spätestens Juni 2028 eine eigene Wärmeplanung erstellen. In Koblenz soll sie schon diesen Herbst vorliegen. Koordiniert wird das Wärmeplanungs-Projekt von den Stadtwerken Koblenz. Erarbeitet wird es von der Energieversorgung Mittelrhein in Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement der Hochschule Trier.
Die alternativen Energietechniken: Derzeit wird eine Potenzialanalyse durchgeführt, die prüfen soll, inwieweit in Koblenz andere Energiesysteme angewendet werden können. Dazu gehören Geothermie, Solarenergie, Windkraft, Biomasse, Wasserkraft und Abwärme. Erste Auswertungen zeigen demnach, dass Koblenz – wenig überraschend – großes Potenzial für Solarenergie auf Dächern hat. Die PV-Anlagen könnten künftig den Strom für die Wärmeversorgung durch Wärmepumpen bereitstellen.
Eine weitere Energiequelle stellt die Wärme aus Rhein und Mosel dar, die durch Flusswärmepumpen zur netzgebundenen Wärmeversorgung beitragen kann. Zudem ist die Stadt laut der Projektgruppe „gut geeignet“ für die Nutzung der Geothermie: oberflächennah für die Einzelversorgung oder auch mitteltief als Energieträger für Wärmenetze. Mit Wasserstoff soll künftig besonders die Industrie versorgt werden. Der Einsatz von Biomasse ist „nur begrenzt“ eine Option.
Für Windkraft sieht man in Koblenz kein Potenzial. Vor ein paar Jahren hatte eine Energiefirma drei Windräder in Rübenach errichten wollen. Jedoch hatten sich viele Einwohner dagegen gewehrt, andere Flächen im Stadtgebiet kommen für Windkraft gar nicht oder noch weniger in Betracht.
Die drei Fokusgebiete: Wegen ihrer hohen Bebauungsdichte, ihres hohen Energieverbrauchs und des damit vorhandenen Energie-Einsparpotenzials eignen sich laut der Expertengruppe besonders Altstadt (Energieverbrauch: 103,4 Gigawattstunden pro Jahr), Karthause (51,4) und Rauental/Goldgrube (25,8). In der Altstadt gebe viele es viele städtische, Landes- und Bundesimmobilien als Ankerpunkte für den Aufbau eines Wärmenetzes und kommunale bzw. öffentliche Gebäude mit hoher Anschlusswahrscheinlichkeit. Im Rauental und in der Goldgrube könnten bestehende Netze weiterentwickelt werden. Auch auf der Karthause gibt es einige städtische Gebäude und einige Häuser mit mehreren Geschossen. Ein Versorgungskonzept für einzelne Gebäude ist nicht vorgesehen.
Für die drei Fokusgebiete sollen nun konkrete Wärmenetze erarbeitet werden. Unabhängig davon zu sehen sind Projekte, besonders Neu- und Umbauvorhaben, für die bereits klimaschutzkonforme Lösungen entwickelt werden. Andere Stadtteile scheiden aus Sicht der Experten trotz hoher Wärmedichtewerte aus: So hingen die hohen Wärmewerte in Neuendorf mit industriellen Großverbrauchern zusammen. In Moselweiß trennt die Bahnlinie das Flurgebiet.
Die Reaktionen der Politik: Ulrich Kleemann (Grüne) sagte: „Wenn man sich den Sachstandsbericht anschaut, sieht man, wie groß die Aufgabe ist, Klimaneutralität im Wohnbereich zu erreichen, da hier überwiegend mit Gas geheizt wird.“ Es sei „sehr gut“, dass Koblenz so früh dran sei mit der Wärmeplanung. Ernst Knopp (CDU) sagte: „Wir gehen davon aus, dass es keinen Anschlusszwang der Bürger für Wärmenetze gibt.“ Vor allem diese Frage treibe viele Menschen um. Knopp forderte: „Wir müssen mit den prognostizierten Kosten konfrontiert werden. Die Kosten sind der entscheidende Faktor, auch für die Akzeptanz der Bürger.“ In Heidelberg (160.000 Einwohner) seien 825 Millionen Euro in das Wärmenetz investiert worden.
Stephan Wefelscheid (Freie Wähler) meinte: „Wenn wir ein Nahwärmenetz aufbauen wollen, zieht das enorme Investitionen nach sich. Der, der es aufbaut, will die Kosten rausbekommen.“ Auch er nannte die Frage nach dem Anschlusszwang „essenziell. Diejenigen, die kürzlich noch in eine neue Heizung investiert haben, werden erstmal abwarten.“ Marion Lipinski-Naumann (SPD) sagte: „Einen Nutzerzwang halte ich für schwierig. Wir brauchen Zuschüsse von denen, die das Programm auferlegt haben.“ Die Grenzen der drei Fokusgebiete müssten klarer definiert werden.
Joachim Paul (AfD) sagte: „Die Bürger wollen zukunftsfeste, preiswerte Energie in einem Umfeld, in dem alle Preise gestiegen sind.“ Das Thema Nutzerzwang sei „unausgegoren und eine Kostenfalle. Wir warnen auch vor noch mehr Bürokratie.“ Christoph Schöll (FDP) befand: „Die Kostenfrage wird mitentscheidend für die Umsetzung sein. Wenn man das zwei- oder dreifache für das, was man für Gas bezahlt, bezahlen müsste, wäre das blöd.“