Der 28-jährige Fabian trägt eine weinrote Kochschürze, fünf Sterne sind oberhalb seines Namens darauf abgedruckt, ebenso wie eine Kochmütze und zwei überkreuzte Kochlöffel. Doch nach einer Küchenschlacht sieht es in der Küche nicht aus, in der er gerade kocht. Stattdessen läuft alles ganz harmonisch ab. Lediglich die Suche nach den Küchenutensilien gestaltet sich etwas schwieriger. Immer wieder muss er nachfragen, wo sich was befindet, während er in dem dunkelgrünen Regalschrank nach etwas sucht. Denn Fabian kocht nicht in seiner eigenen Küche.
Am Herd auf der Kücheninsel brät Lisa, eine 26-jährige Koblenzerin mit kurzen, braunen Haaren, vegane Bouletten für Mini-Burger. Sie lebt in der Zweizimmerwohnung im Rauental, in der ihr Kochpartner Fabian nach Utensilien sucht. Inzwischen hat er gefunden, was er braucht, schnippelt Tomaten für das Bruschetta, während im Hintergrund ein Lied der deutschen Rock-Rap-Band Kraftklub läuft. Nebenbei springt er immer mal wieder ins Bad, er muss sich noch fertig machen. Denn gleich kommen die Gäste. Wer die Gäste sind? Das wissen beide nicht.
Drei Gänge, zwölf Teams und viele Geheimnisse
Lisa und Fabian sind nicht das einzige Zweierteam, das an diesem Abend zusammen kocht. Zwölf Teams à zwei Personen stehen jeweils gemeinsam in ihren Küchen und schnippeln, braten, backen. Die einen bereiten die Vorspeise zu, die anderen das Hauptgericht, und wieder andere das Dessert. Jedes Zweierteam muss also einen Gang zubereiten. Nach der Vorspeise ziehen die Zweierteams weiter, getrennt voneinander, in andere Küchen, zur Hauptspeise, zu neuen Leuten. Zum Dessert wiederholt sich das Spiel. So lernt man bei der Reise durch die Koblenzer Küchen an einem Abend zwölf neue Leute kennen.
Für manche ist es eine Premiere zusammen zu kochen, andere haben die Gerichte des Abends schon miteinander erprobt. Sie alle haben sich für Koblenz kocht angemeldet, ein Event, das immer wiederkehrend – mit einer längeren Pause seit der Coronapandemie – stattfindet. „Im Prinzip ist es das gleiche wie ‚Das perfekte Dinner‘, nur, dass man nicht bewertet wird. Hier geht es vor allem darum, zusammenzukommen, neue Leute kennenzulernen, dabei was Leckeres zu kochen und zu essen“, erklärt Lisa.
Rätselraten um die Gäste
Je näher 16 Uhr rückt, desto mehr Nervosität liegt in der Luft. Lisa schaut auf die halb fertigen Mini-Burger: „Ich bin gespannt, wer zu uns kommt, zu wem wir gehen, und wer was kocht.“ Um den Abend kreisen noch viele Fragezeichen, doch das Mysterium um Gäste, Gastgeber und Gerichte klärt sich später.
Kochpartner Fabian ist nicht weniger heiß darauf, zu erfahren, wer gleich durch die Haustür in die lichtdurchflutete, loftähnliche Wohnung tritt. Die Innenfenster mit weißem Rahmen lassen Licht aus dem Schlafzimmer in Lisas Wohnbereich und auf die Kücheninsel fluten, auf deren Herd in der Pfanne ein Teil der Vorspeise brutzelt. Der 28-Jährige sagt: „Ich frage mich gerade, ob wir auf Leute treffen, die wir schon kennen. Koblenz ist ein Dorf, da ist das gar nicht mal so unwahrscheinlich.“
Wer an ihrer Tür klingelt und für wen sie sich in der Küche gerade anstrengen, wissen die beiden erst, wenn die vier bis dahin Unbekannten durch die Tür treten. Das ist eine der vielen Überraschungen, die hinter dem Konzept von Koblenz kocht steckt. Sechs Leute werden sich in der Küche im Rauental versammeln.
Über ein Speeddating von weniger als zwei Stunden Freundschaften schließen, klappt das? Fabian erinnert sich an Januar, als das Event mit etwa 90 bis 100 Leuten stattfand: „Bei der Hauptspeise sind ganz viele Fahrradfans aufeinandergetroffen, dann gings dann um Touren, teure Räder, Equipment. Wir haben zwar Nummern getauscht und wollten einander was ausleihen, aber leider haben wir seitdem doch keinen Kontakt.“ Es geht aber auch anders, ruft ihm Lisa in Erinnerung: „2017 gab es Koblenz kocht auch schon. Zwei Freunde von mir haben sich da kennengelernt – und am Samstag heiraten sie. Die waren im Januar auch wieder dabei.“
15.59 Uhr. Es klingelt. „Mensch, die sind aber überpünktlich“, meint Lisa und schaut auf die Mini-Burger. Sie sind noch nicht fertig belegt. Als die vier Gäste durch die Wohnungstür treten, ist es tatsächlich eine Überraschung für die Gastgeber – Lisa erkennt unter ihnen Nick, einen Freund. Und auch Fabian entdeckt gleich zwei bekannte Gesichter. Der Rest ist ihnen gänzlich unbekannt.
Philosophieren bei Bruschetta
Mini-Burger, Bruschetta und Salat mit Honig-Senf-Dressing, das steht auf der Vorspeisekarte. Was es zur Hauptspeise gibt? Das wissen Lisa und Fabian noch nicht. Sie wissen nicht einmal, zu wem es hingeht. Die Vorspeise macht jedoch Lust auf mehr. Im ersten Moment spricht die Gruppe darüber, wie das Kochen lief. Fabian schmunzelt, als er gefragt wird, wie der gemeinsame Kochstil von ihm und Lisa war: „Wir haben viel improvisiert.“ Aber es hat funktioniert: Am Ende sind die Vorspeiseplatten fast leer.
Je länger die Sechs zusammensitzen, desto vertrauter werden die Gespräche. Wer erfindet eigentlich die Namen von Teesorten? Und könnte eine KI das nicht auch? Träumtänzer-Infusion ist nur eines von vielen Beispielen, das überzeugt. Die Gruppe bricht in Lachen aus.
Die heißen Diskussionen um banale Themen wirken, als wäre die Gruppe eine Clique, die sich schon Jahre lang kennt. „Ist bei einem Knoppers die Waffel oben oder unten?“, fragt einer aus der Runde, und die nächsten 15 Minuten entwickelt sich daraus ein Thema, das sich über den gesamten Abend ziehen wird. Denn Stefan, einer der Gäste, der lässig auf dem Sofa sitzt, erzählt plötzlich: „Ich habe in der Schule mal ein Knoppers Schicht für Schicht gegessen. Es war die Pause meines Lebens.“
Es ist eine Geschichte, die sich an dem Abend wie ein Lauffeuer verbreiten soll. Denn die Knoppers-Geschichte ist auch bei der Hauptspeise – die Gastgeber überraschen Lisa und Fabian mit Flammkuchen in der Frankenstraße – Thema. Genauso beim Dessert – ein Erdbeertiramisu in der Chlodwigstraße –, und auf der Afterparty im Irish Pub. So entstehen Legenden, findet ein Teilnehmer, Lisa zuckt mit den Schultern und lacht: „Daran sieht man: Koblenz kocht verbindet.“ Im Sommer soll die nächste, größere Version des Formats stattfinden.