Siegel ist überzeugt, dass der Aufsichtsrat eine gute Wahl getroffen hat. Das sagt auch Bürgermeisterin Ulrike Mohrs. Die Aufsichtsratschefin verweist auf mehrere hochkarätige Bewerbungen nach einer bundesweiten Ausschreibung und betont, dass der neue Mann in den Bewerbungsgesprächen einen sehr guten Eindruck hinterlassen hat. „Ich kenne Adalbert Fettweiß schon seit Jahren aus der Arbeitsgemeinschaft rheinland-pfälzischer Wohnungsbauunternehmen. Ich bin froh, dass er meine Nachfolge antritt“, betont Michael Siegel.
Schwierige, erfolgreiche Jahre
Der scheidende Geschäftsführer kann auf schwierige, aber durchaus erfolgreiche Jahre zurückblicken. So ist die Eigenkapitalquote des Unternehmens auf fast 50 Prozent gestiegen. Wichtig für die Mieter: Der Wohnungsbestand wurde erheblich aufgewertet. Als er am 1. April 1995 als Abteilungsleiter Wohnungswirtschaft bei der Koblenzer Wohnbau anfing, sah es noch ganz anders aus. Das Unternehmen hatte gerade erst begonnen, als eigenständiger Akteur auf dem Markt aufzutreten. Bis 1994 war die damalige Moselland als Tochterunternehmen der Heimstätte Rheinland-Pfalz noch Geschäftsbesorgerin der Wohnbau mit ihren seinerzeit rund 2100 Wohnungen und für die rund 1500 städtischen Wohneinheiten. Mit der Verselbstständigung der Koblenzer Wohnbau wurde der kommunale Bestand schließlich unter einem Dach zusammengefasst. Das hatte auch personelle Folgen: Die Mitarbeiter, die bei der Moselland für den gesamten städtischen Bestand verantwortlich waren, wechselten zur Wohnbau. Geschäftsführer wurde Josef Kühlem, der ebenfalls von der Moselland kam. Damals wurde auch die neue Abteilung Wohnungswirtschaft geschaffen. Michael Siegel, der damals noch in Bonn tätig war, bewarb sich erfolgreich um die Leitung dieser Abteilung, zu der in jener Zeit noch die Technik gehörte. Diese wurde erst später im Zuge der wachsenden neuen Aufgaben ausgegliedert.
„Zunächst mussten wir uns organisatorisch neu aufstellen und den Bestand auf Vordermann bringen, weil zuvor relativ wenig investiert worden ist“, erinnert sich Siegel und ergänzt: „In der Hochzeit, etwa um 1998/99, haben wir bis zu 290 Wohnungen jährlich modernisiert.“ Er übernahm das Amt am 1. Juli 1999 von Josef Kühlem, der altersbedingt ausschied.
Zum Vergleich: Heute werden pro Jahr rund 45 Wohnungen saniert. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass inzwischen der Bestand einen guten Durchschnitt erreicht hat. Dennoch ist die Zahl der Einzelmodernisierungen nach wie vor beträchtlich. Jährlich wechseln etwa 300 Mieter ihre Wohnungen, die Wohnbau nutzt die kurze Zeit des Leerstandes, um zu renovieren. Vor allem aus energetischer Sicht musste in den vergangenen 25 Jahren einiges nachgeholt werden.
Mieter sind wechselunwilliger
Was sich bis heute verändert hat, ist vor allem der Markt. Siegel beobachtet einen nachlassenden Wunsch, die Wohnung zu wechseln: „Viele Mieter wissen, dass sie sich weder preislich noch qualitativ verbessern können.“ Denn zum Kernklientel der Wohnbau gehören Mieter mit überschaubarem Einkommen. Sie wissen zu schätzen, dass der aktuelle Quadratmeterpreis durchschnittlich bei 6,10 Euro liegt. „Unsere Durchschnittsquadratmetermieten liegen einen Euro unter denen des geförderten Wohnraums“, erklärt Bürgermeisterin Mohrs. Zum Vergleich: Im Stadtgebiet liegt der Durchschnitt bei 7,40 Euro, was aber an den vielen Altverträgen liegt. Wer neu einzieht, muss mit höheren Beträgen rechnen.
Im Laufe seiner Geschäftsführertätigkeit war Michael Siegel auch mit mehreren großen Bauprojekten konfrontiert. Den Anfang machte die Neuentwicklung des Areals der Boelcke-Kaserne, das die Wohnbau komplett angekauft hatte. „Das war für uns damals Neuland“, räumt der Geschäftsführer ein und erinnert an die Schwierigkeiten, etwa bei der Bewältigung von Altlasten. Nicht leicht war auch die Erneuerung des Bestands am Luisenturm (Asterstein) im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“. Der Geschäftsführer erinnert sich gut an den Vorwurf, die Wohnbau habe die Mieter vertreiben wollen. „Genau das war nicht der Fall“, betont er und verweist darauf, dass für jeden Mieter eine gute Lösung gefunden wurde.
Eine weitere Herausforderung war die Revitalisierung und Aufwertung des Bereichs Mittelweiden. Dies geschah dadurch, das leer stehende, heruntergekommene Objekte vom Markt genommen und ersetzt wurden – ein langjähriger Prozess, der aktuell mit der Realisierung des Neubaus „In der Wehring 8“ abgeschlossen wird. Ulrike Mohrs verweist zudem auf ein Novum für die Wohnbau: Zusammen mit der Reihenhaus-AG ermöglichte sie seinerzeit bezahlbares Wohneigentum.
Großsiedlung bleibt Thema
Mit dem Dauerthema Großsiedlung Neuendorf wird sich auch der neue Geschäftsführer auseinandersetzen müssen. Allerdings gab es in der „Ära Siegel“, eine rege Sanierungstätigkeit, was aktuell am Wallersheimer Weg besonders gut zu erkennen ist. Dazu kamen zahlreiche Projekte im Auftrag der Stadt wie das „JuBüz“ auf der Karthause. Der dickste Brocken war die Schulsanierung, allein in diesem Bereich wurden in der „Wohnbau-Ära“ von 2005 bis 2016 rund 100 Millionen Euro investiert. Heute übernimmt diesen Part das zentrale Gebäudemanagement der Stadt. Eine weitere Referenz war die Kernsanierung und Umbau der alten Fachhochschulgebäude „Am Finkenherd“ zum Berufsschulzentrum.
Trotz der vielen realisierten Projekte wartet auf den neuen Mann an der Spitze noch viel Arbeit. Ein Schwerpunkt wird dabei die Schaffung von neuen Mietwohnungen sein. Die Weichen sind bereits gestellt. Aktuell wird der Bebauungsplan für das rund 11.000 Quadratmeter große Areal des ehemaligen Nutzviehhofs entwickelt. Er könnte Mitte 2021 rechtskräftig sein. Parallel dazu arbeitet die Wohnbau unter anderem bereits an den Plänen für die Erschließung und Neubebauung. Gebaut werden sollen bis zu 100 Mietwohnungen, wenn möglich in Teilen auch nach dem Modell des generationenübergreifenden Wohnens.
Perspektivisch soll die Zahl der vom Unternehmen geschaffenen Wohnungen sogar um insgesamt rund 300 bis 400 steigen. So will die Wohnbau auch in den Bereichen des Sportplatzes Steinstraße und der jetzigen Kfz-Zulassungsstelle bauen. Zu diesem Zweck will die Stadt Koblenz lastenfrei Grundstücke an die Wohnbau übertragen. „Sonst wäre die Forderung, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, nicht erfüllbar“, so Michael Siegel abschließend. Reinhard Kallenbach