Das Gespräch mit Stefan Weiler hat noch gar nicht richtig begonnen, da hat er schon zwei Apps empfohlen, die das Leben eines Reporters garantiert leichter machen: Ein Scanner für Visitenkarten und eine Diktierapp. Technik, die Zeit spart, begeistert ihn. „Innovation ist mein Ding“, sagt der neue Leiter der Wirtschaftsförderung in Koblenz. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Weiler darüber, was seine Mission ist, wie er den Wirtschaftsstandort Koblenz weiterentwickeln will und warum er auch mal unangemeldet in der Tür stehen kann.
Herr Weiler, in einem Interview sagten Sie mal, Sie seien ein Mensch mit Hummeln im Hintern. Ist das eine Stärke oder eine Schwäche von Ihnen?
Es ist immer beides. Ich war ja lange Wissenschaftler, und wenn man sozialwissenschaftlich irgendeine Erkenntnis hat, dann die, dass sich Menschen in ihrem Grundwesen nicht verändern. Das heißt, man muss sich akzeptieren. Ich war schon immer so: Ich will immer Neues kennenlernen, neue Menschen, neue Ansätze. Ich bin unglaublich neugierig. Das verstehe ich unter Hummeln im Hintern.
Kommt Ihnen diese Neugier in Ihrem Job als Wirtschaftsförderer zugute?
Ich bin, würde ich sagen, ziemlich extrovertiert. Ungefragte Ratschläge sind meine Spezialdisziplin. Ich scheue mich nicht, Leute kalt anzurufen. Ich gehe in Geschäfte und stelle mich vor. Neulich bin ich auf dem Rückweg einer Sitzung mit dem Rad am Marienhof vorbeigefahren und habe spontan bei der kaufmännischen Direktorin angeklopft, mich kurz vorgestellt und gesagt: Lass uns demnächst mal über Themen sprechen. So mache ich das. Wenn ich jemanden kennenlernen will, lerne ich ihn kennen. Das macht mir total Spaß. Zumal ich ständig neue Sachen erfahre, die ich alle aufschreibe und dann überlege, was man strategisch aufbauen kann. Leute, die nichts verändern wollen, sind nicht unbedingt meine ersten Ansprechpartner.
Eigentlich wollte ich fragen, wie oft Ihr Telefon am Tag zurzeit klingelt, aber mir scheint, als warten Sie da gar nicht drauf.
Das wäre auch falsch. Wenn ich hier im Büro sitzen würde, bis irgendjemand vorbeikommt, dann hätte ich meinen Job falsch verstanden. Wir müssen nach vorne gehen, der Job der Wirtschaftsförderung ist aktiv. Wir sind die Mutigen, die für Veränderungen stehen. Es ist essenziell, dass ich aus dem Büro rausgehe.
„Leute, die nichts verändern wollen, sind nicht unbedingt meine ersten Ansprechpartner.“
Stefan Weiler
Wie sehen Ihre Arbeitstage zurzeit aus?
Ich beginne meistens schon frühmorgens damit, meine Gedanken und Ideen aufzuschreiben. Gegen 8 Uhr bin ich im Büro, treffe Kollegen und lasse mir Updates geben, lese die Zeitung und dann geht die wilde Fahrt los. Treffen hier, Treffen da. Ich bin selten vor 20 Uhr zu Hause. Das ist aber auch nicht schlimm.
Sie waren zuletzt viele Jahre als Wirtschaftsförderer in Kaiserslautern aktiv. Nun der Schritt nach Koblenz. Warum?
Dass ich 30 Jahre lang denselben Job mache, funktioniert bei mir nicht, das wusste ich schon immer. Irgendwann will ich wieder was anderes sehen. Ich arbeite aus Leidenschaft. Aber wenn man morgens plötzlich aufsteht und denkt: Puh, ich könnte jetzt auch liegen bleiben, sind das erste Anzeichen, dass sich etwas verändern muss. Und dann kam die Gelegenheit: Ich hatte zufällig mit dem Wirtschaftsförderer von Koblenz, Thomas Hammann, telefoniert. Er erzählte mir, dass er bald in Rente geht und ich so: „Rente? Du siehst doch aus wie das blühende Leben.“ Ich finde das nebenbei gesagt volkswirtschaftlich völlig verrückt, dass wir Leute, die Lust haben zu arbeiten und die noch topfit sind, in Rente schicken. Ein Kfz-Mechaniker, wie mein Vater einer war, wird nicht bis 70 arbeiten können. Aber so Bürotäter wie wir? Na ja, Thomas sagte jedenfalls den folgenschweren Satz: „Werde doch mein Nachfolger.“ Ich fand das total interessant, habe mich beworben und irgendwie fanden die mich gut genug, um mir den Job anzubieten.

Nach den ersten Monaten in Koblenz und ihren ersten Eindrücken: Was unterscheidet die Stadt von Ihrer vorherigen Station Kaiserslautern?
Städtevergleiche sind immer sehr schwierig, weil viel von der Lage abhängt. Kaiserslautern liegt mitten im Wald, von allem ein Stück weg und hat einen brutalen Strukturwandel hinter sich. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gibt es deutlich weniger als in Koblenz. Koblenz liegt logistisch super, hat zwei fantastische Flüsse, Hunderttausende Touristen. In Kaiserslautern kann man jeden Touristen mit der Hand begrüßen. Koblenz ist eine sehr erfolgreiche Stadt über Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte gewesen, dafür haben wir hier aber nicht diese Wissenschaftslandschaft wie in Kaiserslautern mit der Uni und vielen Instituten. Wir müssen in Koblenz die Wissenschaft und die Wirtschaft zusammenbringen. Aktuell sind wir eine Stadt mit zwei Hochschulen, aber keine Hochschulstadt. Das ist ein großer Unterschied.
Was meinen Sie damit? Wie würde die Wirtschaft von einer Hochschulstadt Koblenz profitieren?
Junge Leute kämen mehr ins Zentrum, das würde das Stadtbild verändern, Restaurants und Kneipen würden sich freuen. Es gibt interessante Wissenschaftsbereiche an Uni und Hochschule, von denen die Wirtschaft profitieren kann. Ich nenne mal den Bereich Künstliche Intelligenz oder auch die Robotik.

Was die Wirtschaftsförderung will, steckt in ihrem Namen: Es geht darum, die Wirtschaft zu fördern. Aber wie sieht das konkret aus?
Es ist tatsächlich ein sehr breit gefächertes Feld. Im Grunde genommen geht es aber darum, Arbeitsplätze zu erhalten und Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn es der Wirtschaft nicht gut geht, geht es der ganzen Region nicht gut. Zum Fördern gibt es verschiedene Instrumente. Wir brauchen zum Beispiel Flächen für Unternehmen, die sich ansiedeln wollen. Dann müssen wir uns um die Bestandsunternehmen kümmern. Wir haben einen großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in allen Bereichen. Wir müssen überlegen, wie man Transformation schaffen kann, etwa durch den Einsatz von KI, durch neue Kundschaft, durch neue Netzwerke.
Stichwort Flächen: Auf der Internetseite der Wirtschaftsförderung steht: „Momentan haben wir keine Grundstücke im Angebot“. Ist der Mangel ein großes Problem?
Der ist überall ein Thema, keine Stadt hat genug Flächen. Man könnte das auch so sehen: Je weniger Flächen eine Stadt hat, desto erfolgreicher war sie wohl in der Vergangenheit. Aktuell entwickeln wir ein neues Gewerbegebiet, den Bubenheimer Berg, da wird es in Zukunft ein paar Hektar geben. Aber wir brauchen auch ein klares wirtschaftliches Profil. Darin sehe ich eine Aufgabe von mir. Wir müssen wissen und sehr genau auswählen, wen wir hier haben wollen.

Ist Koblenz in der Position, sich die Besten aussuchen zu können?
Ja.
Direkt neben der Uni und dem Technologiezentrum (TZK) in Metternich baut die Wirtschaftsförderung gerade das Pier56. Was ist die Vision für dieses Bürogebäude und wie ist der aktuelle Stand?
Das Gebäude wird im Frühjahr fertig. Und die Vision ist ganz einfach: Das TZK ist dazu da, Gründer und Start-ups zu uns zu holen und groß zu machen. Wenn diese erwachsen sind, haben wir mit dem Pier56 bald ein Gebäude direkt nebenan, in dem sie sich weiter entwickeln können. Ansonsten würden sie vermutlich den Standort wechseln. Ich glaube, wir sind mit dem Gebäude gut aufgestellt, um junge Unternehmen zu halten.
Sind die Büroflächen schon alle besetzt?
Das Gebäude ist schon ziemlich belegt, es sind aber auch noch Flächen frei. Zum Beispiel wird Sdui aus dem TZK ins Pier56 umziehen. Der Dreiklang aus Uni, TZK und Pier56 wird ein Innovationsensemble sein, das es in dieser Form in Rheinland-Pfalz nicht gibt. Das ist schon ein Pfund für Koblenz.
Ein Thema, das viele Menschen interessiert, ist der Leerstand in der Innenstadt. Muss sich Koblenz da Sorgen machen?
Wenn man vergleichen würde, würden wir ganz gut dastehen, aber das ist nicht das Empfinden der Koblenzer. Ich würde sagen, die Lage in Koblenz ist nicht besorgniserregend, aber wir müssen etwas tun. Ich werde dazu auch Ideen einbringen. Allerdings liegt dieses Thema nicht direkt in unserem Zuständigkeitsbereich. Wir müssen etwas für die Aufenthaltsqualität in der Stadt tun, zum Beispiel durch Events, kulturelle Erlebnisse oder Produkte, die aus Koblenz kommen und die einzigartig sind.
Sie sind jetzt 59 Jahre alt. Wird Koblenz Ihre letzte Arbeitsstation sein?
Wer weiß das schon? Und wer weiß, wie lange ich noch arbeite. Ich werde bestimmt zwei Jahre brauchen, bis mich jeder kennt und drei oder vier Jahre, um wirkmächtig zu sein. Da wäre es schon doof, vorher zu gehen. Aber das liegt ja nicht nur an mir. Ich bin keiner, der darauf wartet, dass man ihn wegschickt, wenn es nicht passt. Bis jetzt sieht es aber sehr gut aus. Ich habe große Lust auf Koblenz und schon vor, hier Wurzeln zu schlagen.
Über Stefan Weiler
Stefan Weiler hat Politikwissenschaftin den USA sowie Politik und Germanistik in Mannheim studiert. In Kommunikationswissenschaften hat der 59-Jährige promoviert. Als Medienforscher arbeitete er für das Fernsehen beim ZDF und für RTL. Später gründete er in Berlin Anfang der 2000er-Jahre eine Internetplattform für Kinder und Jugendliche. Viele Jahre arbeitete er danach als Medienexperte in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. Von 2017 bis November 2024 war Weiler Wirtschaftsförderer in Kaiserslautern. Mit der Stadt fühlt er sich weiterhin verbunden: „Das Fußballherz schlägt für den FCK.“ Weiler ist verheiratet und hat einen Sohn.