„Meine Frau nennt die Baustelle nur ,die Mauer’“, sagt Roberto Möckel und lacht. Zum Lachen ist ihm dabei nicht immer zumute: Das Weindorf, idyllisch gelegen am Rhein, ist durch die Baustelle an der Pfaffendorfer Brücke von den Hauptspazierwegen vom Deutschen Eck kommend abgeschnitten, und das auf Jahre hin.

Gerade hat Möckel eine Anfrage vorliegen, erzählt er, eine ganz typische: Eine Gruppe will bei ihm einen größeren Tisch reservieren, weil sie einen Ausflug zum Deutschen Eck plant. „Was sage ich denen?“, fragt er. Ist er ehrlich und berichtet, dass man nur mit einem Umweg zu ihm kommt, dann sagt ihm die Gruppe vermutlich ab. Verschweigt er es, sind die Leute möglicherweise sauer.

Der Umweg, der durch die Sperrung der Wege am Rhein verursacht wird, ist gar nicht immens lang, aber es ist kein besonders schöner Weg, und das Weindorf wirkt dadurch eben wie abgeschnitten. Auf 20 bis 25 Prozent Umsatzverlust beziffert der Pächter den Schaden.
Sauer ist er nicht, die Brücke muss nun mal gebaut werden. Und dass die Baufirmen keinen Durchgang für Fußgänger schaffen können, ist jedem klar, der das Ein- und Ausfahren der Lkw beobachtet, die sich manchmal nahezu minütlich in die Baustelle schieben. Zum Glück ist abends und am Wochenende auf der Baustelle in der Regel Ruhe, wenn das Weindorf geöffnet hat, sagt Möckel.

„Anfangs hatte ich sogar gedacht, es würde Gäste anziehen, die die Baustelle beobachten wollen“, sagt der 52-Jährige und lächelt. Aber dafür wiederum sieht man nicht genug von den Arbeiten. Sie sind ein weiterer Nackenschlag für den Pächter: Übernommen hat er das Weindorf nämlich im Herbst 2019. Und dann kam Corona.

Gerade rund um das Jubiläumsjahr ist dies besonders ärgerlich. Denn die Geschichte ist hier in den heute noch vier Häusern und dem idyllischen Innenhof lebendig. „Ich erzähle sie auch oft“, sagt Möckel. Dass das Weindorf eigentlich nur einige Wochen bleiben sollte, sorgt immer wieder für Erstaunen bei den Gästen.
Denn das Gelände war eigentlich eine Freilicht-Ausstellung zum Thema 1000 Jahre Rheinland, in der typische Winzerhäuser aus den deutschen Weinbauregionen nachempfunden waren. In ihnen wurden während der Ausstellung die Weine und Weinprodukte vorgestellt. „Das ursprünglich nur für die Dauer der Ausstellung errichtete Weindorf war schon bald so beliebt, dass es dauerhaft als Touristenattraktion erhalten wurde“, schreibt die Koblenz-Touristik auf ihrer Homepage.

Das Weindorf atmet Geschichte: Im Zweiten Weltkrieg wurde es bei einem Luftangriff zerstört und 1951 in seiner jetzigen, leicht vereinfachten Form wieder aufgebaut. Und es ist für Koblenz fast schon so etwas wie ein Denkmal geworden, verbunden mit dem Miniatur-Weinberg hinter den Häusern: „Mit gerade einmal 750 Rebstöcken auf 1500 Quadratmetern ist das ,Schnorbach Brückstück’ noch immer die kleinste registrierte Einzellage in ganz Deutschland“, berichtet die Koblenz-Touristik.

Aber der Zahn der Zeit hat an dem Gelände und den Gebäuden genagt, eine Sanierung steht an, sagt Roberto Möckel. Die Koblenz-Touristik habe ihm deshalb den Pachtvertrag gekündigt. Zwei Tage nach dem Gespräch mit unserer Redaktion wird der Zeitplan deutlich: Möckel hat die Koblenz-Touristik, die Eignerin des Weindorfs ist, informiert, dass er bis zum 30. September das Weindorf offen haben und dann bis zum 31. Oktober räumen werde.
Bis dahin will er einen Endspurt einlegen und ab Mitte April auch an den eigentlichen Ruhetagen Montag und Dienstag mit einer kleinen Karte ab 17 Uhr öffnen. „Im Oktober plane ich einen Hausflohmarkt an allen Wochenenden, jeweils samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr.“ Denn alles, was im Weindorf drin sei, gehöre ihm und muss raus.

Wann die Sanierung ansteht und was alles gemacht wird, dazu gibt es vonseiten der Stadt auf Anfrage unserer Redaktion keine Infos: „Derzeit befindet sich das Verfahren zur Sanierung des Weindorfs in der internen Abstimmungsphase“, so Stadtsprecher Thomas Knaak. „Ein konkreter Zeitplan für die Sanierung steht daher noch nicht fest.“

Nach der Sanierung könne Möckel sich erneut für die Pacht bewerben, habe ihm die Stadt angeboten – das reicht ihm aber als Perspektive nicht aus. Dabei hätte er das Weindorf gern weitergemacht. „Ich habe gedacht, noch dreimal Fünf-Jahres-Verträge, bis ich 67 bin. Das hätte mir gefallen.“
Zweites Standbein ausbauen
Vermutlich will Möckel nun das zweite Standbein ausbauen, das er aufgebaut hat, um die Verluste aus der Baustellenzeit aufzufangen. Dabei ist es eigentlich sogar ein Corona-Kind: Als die ersten Lockdowns kamen, hat der gelernte Koch und Ingenieur für Lebensmitteltechnologie, der jahrelang bei Sebamed gearbeitet und überhaupt schon extrem viele verschiedene Dinge gemacht hat in seinem Leben, die Idee für eine Handcreme entwickelt.
Mit Traubenkernöl und Weinextrakt hat sie einen schönen Bezug zum Weindorf. „Auch wenn das enthaltene Resveratrol die noch wichtigere Rolle spielt“, sagt Möckel und lacht. Denn das sei ein wirklich besonderer Stoff, der gegen Hautalterung und Pigmentflecken wirke, ist er von seinem Produkt überzeugt.

Die Entwicklung der Creme dauerte eine ganze Zeit, doch seit September 2024 ist sie nun auf dem Markt. Sie trägt mit Dr. Virmani den Namen von Möckels Frau, die wissenschaftliche Leiterin und Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist. Schon von Anfang an plante der Koblenzer auch eine Gesichtscreme und weitere Produkte in der Serie. Diese Idee wird nun vermutlich spruchreif, wenn es mit ihm und dem Weindorf nicht weitergeht.
Das bedauert er im Übrigen sehr. Denn das Weindorf ist Möckel wichtig geworden, auch wenn er damals wirklich fast buchstäblich über die Gastronomie gestolpert ist: Beim Joggen am Rhein erzählte er einem Freund, er wolle sich selbstständig machen. Und der wusste, dass das Weindorf einen neuen Pächter sucht – so nahm es seinen Lauf.