Viele hat er kennengelernt in den 27 Jahren, die er in der Caritas-Wohnungslosenberatungsstelle in der Koblenzer Neustadt 20 gearbeitet hat. Nun geht Fröhlich in Altersteilzeit, und eigentlich will er auch gar keinen Text in der Rhein-Zeitung dazu haben. Seine Zustimmung zum Treffen gibt er nur, weil es ums Thema gehen soll und nicht um seine Person. Um die, die keine Lobby haben, sagt er. Für sie tritt er als Anwalt auf, ihnen leiht er seine Stimme.
Und sein Ohr. Er weiß, wie die Menschen in die Situation gekommen sind, in der sie nun sind – ohne Arbeit, ohne Wohnung. Dass sie oft vielfältige Problemlagen haben, mit Suchtkrankheiten, mit psychischen Krankheiten. Und dass es für die meisten ganz schwer ist, wieder in ein „geordnetes Leben“ zurückzufinden. Manchen kann man gar nicht helfen, weiß der Moselaner. „Aber man muss es versuchen.“ Ihre Probleme darf man nicht mit nach Hause nehmen, sagt er.
Wohnungslosigkeit kann jedem und jeder passieren
Leicht ist das nicht immer. Für Fröhlich steht im Mittelpunkt der Mensch. Jeder Einzelne. „Die sind ja nicht aus Jux und Dollerei auf der Straße“, sagt der 63-Jährige. „Das hat nichts Romantisches!“ Und es könnte jedem passieren. Das ist Fröhlichs Haltung zum Thema Wohnungslose.
Und damit steht er nicht allein: Mitgefühl und Empathie beobachtet er auch bei vielen anderen Koblenzern, die Wohnungslose unterstützen. Natürlich gebe es auch immer wieder bei manchen den Wunsch, Wohnungslose möglichst aus dem Stadtbild zu entfernen, um einen „ordentlichen Eindruck“ in der Stadt zu schaffen. Jahrelang hat der Sozialarbeiter sich gegen diese Haltung aufgelehnt, hat darauf hingewiesen, dass Probleme nicht verschwinden, wenn man sie zudeckt. Mittlerweile sieht er, dass auch viele politisch Verantwortliche so denken wie er.
Auch im Podcast
In einer Folge unseres Podcasts RZInside zum Mord an dem Obdachlosen Gerd Michael Straten äußert sich Markus Fröhlich zum Thema Wohnungslosigkeit in Koblenz. Den Podcast hören Sie auf allen gängigen Portalen wie Spotify und direkt hier:
Dieser Mordfall macht die Koblenzer bis heute sprachlos: Am 22. März 2018 wird auf dem Koblenzer Hauptfriedhof die Leiche von Gerd Michael Straten gefunden. Der 59-jährige Obdachlose wurde enthauptet. In dieser Folge von RZInside fragen Annika Wilhelm und Finn Holitzka: Warum musste Straten sterben.Podcast zum Mordfall Straten: Der geköpfte Obdachlose von Koblenz
Was fehlt: Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen
Das ändere aber nichts am Hauptproblem, nämlich am Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Und der wird immer schlimmer, sagt Fröhlich, der nach einer kaufmännischen Ausbildung wieder zur Schule gegangen ist und dann später an der Fachhochschule Koblenz Soziale Arbeit studiert hat. Drei Jahre war er in der Arbeit mit behinderten Menschen tätig, dann sechs Jahre im Caritas-Migrationsdienst. Und seitdem standen und stehen die wohnungslosen Menschen im Mittelpunkt seiner Unterstützung. Und nicht nur seiner.
Gemeinsam mit den Kollegen von den anderen Fachdiensten wie AWO und Schachtel kümmern sich die Caritas-Mitarbeiter um die Wohnungslosen, die in der Beratungsstelle Essen bekommen, sich aufhalten, duschen können. 110 von ihnen sind hier auch gemeldet, sodass wichtige Post sie erreicht. Was das angeht, fällt es Fröhlich leicht, nun in den Ruhestand zu gehen: „Die Kollegen machen das schon.“
Gemeinsam haben die Sozialarbeiter der verschiedenen Träger auch – damals mit dem Anschub des ehemaligen Lotto-Geschäftsführers Peter Schössler, ein guter Bekannter von Markus Fröhlich – eine zusätzliche Stelle organisiert: Menschen, die lange auf der Straße waren, werden über einen längeren Zeitraum darin unterstützt, sich an Regeln des Zusammenlebens in einem Miethaus wieder zu gewöhnen. Das hat auch bei potenziellen Vermietern Vertrauen geweckt.
Manches ist besser geworden
Die Angebote für Wohnungslose in Koblenz sind besser geworden in den vergangenen Jahren, sagt Fröhlich, auch beispielsweise durch das Projekt Housing First, das bei der AWO angesiedelt ist. „Denn genau darum geht es doch, den Menschen Wohnraum anzubieten, auch ohne Wenn und Aber.“
Wenn da nicht wieder dieses Manko wär: Wenn es für sehr viele finanziell schwache Gruppen zu wenig Wohnungen gibt, dann ist die Klientel der Wohnungslosen ganz unten, wenn eine Wohnung frei wird und Mieter gesucht werden. „Man darf nicht eine Gruppe gegen die andere ausspielen“, ist sein Wunsch – und ein bisschen auch sein Vermächtnis.
Das passiert in der Neustadt 20
Im Jahresschnitt finden in der Neustadt 20 rund 500 wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen Rat und Unterstützung, heißt es vonseiten der Caritas. Hier gibt es eine Fachberatungsstelle, einen Tagesaufenthalt, Sanitärbereiche für Frauen und Männer, eine Kleiderkammer, eine ärztliche Kontaktstelle in Kooperation mit MediNetz Koblenz sowie eine Clearingstelle zu Krankenversicherungen. Hier sind auch die Streetworker der aufsuchenden Sozialarbeit beispielsweise am Bahnhof angedockt. Insgesamt acht Menschen arbeiten hier im Team. Im Haus befinden sich darüber hinaus zehn Einheiten im Rahmen eines Wohnprojektes.
„Täglich kommen circa 50 Menschen, um Rat zu suchen, den Hygienebereich zu nutzen oder sich mit einer Mahlzeit zu stärken“, sagt Caritas-Pressesprecher Marco Wagner gegenüber unserer Zeitung. Zurzeit sind in der Neustadt 20 insgesamt 110 Menschen postalisch gemeldet, die keinen vertraglich abgesicherten Wohnraum haben. So sind sie beispielsweise für die Ämter erreichbar wegen Terminen und/oder Zahlungen.
Die Beratung und der Tagesaufenthalt werden zum überwiegenden Teil aus Eigenmitteln und Spenden sowie einem Anteil der Kommune finanziert. Die Kosten für die Straßensozialarbeit sowie die ambulanten Hilfen werden von der Stadt übernommen. Die Finanzierung der Fachberatungsstelle Wohnraumsicherung erfolgt durch Stadt und Land und durch Eigenmittel.
Kontakt: Fachberatungsstelle für Menschen ohne Wohnung, Neustadt 20, Koblenz, Telefon 0261/914 40 78, E-Mail mow@caritas-koblenz.de, mehr Informationen gibt's unter www.caritas-koblenz.de/mow