Bislang kamen die meisten Geflüchteten auf privatem Wege in die Region, denn die offizielle Verteilung durch das Land startet derzeit erst. Eine erste Anfrage erhielt der Kreis MYK am Wochenende: Insgesamt 22 Personen sollten am vergangenen Montag aufgenommen werden, sagt Martin Gasteyer von der Kreisverwaltung. Der Großteil der Zuzüge erfolge bislang jedoch privat: „Über die Verbandsgemeinden registriert sind weitere 739 Personen, die auf anderen, selbst organisierten Wegen in den Landkreis gekommen sind.“
Doch die Nachfrage nach Schulplätzen besteht bereits jetzt: „Seit dem 11. März haben wir vier Kinder aufgenommen, und wir erhalten ständig neue Anfragen“, sagt Daniel Bongers, der Schulleiter der St.-Franziskus-Realschule plus und Fachoberschule in Koblenz. „Es handelt sich um zwei Geschwisterpaare, die mit ihren Müttern hier sind“, sagt Bongers. Ähnlich sieht es am Bischöflichen Cusanus-Gymnasium aus: Vier Kinder wurden aufgenommen, sagt Schulleiter Carl Josef Reitz, alle sind privat untergekommen.
Auch das Koblenzer Görres-Gymnasium nimmt Geflüchtete auf. „Es waren bereits zwei 15-jährige Jungs für ein Anmeldegespräch bei uns“, sagt Schulleiterin Ute Mittelberg, weitere Kinder würden folgen. Schulen in der Region, die Integrative Konrad-Adenauer-Realschule plus in Vallendar und die Grundschule Christophorus in Mülheim-Kärlich, haben je ein Kind aufgenommen.
Sprache spielt die entscheidende Rolle
Bei der Integration der Kinder spielt die Sprache eine zentrale Rolle. Diesbezüglich hat das Cusanus-Gymnasium Glück. Carl Josef Reitz sagt: „Alle, die wir bisher aufgenommen haben, sprechen gut oder sehr gut Englisch.“ Das erleichtere die Kommunikation erheblich. Auch Deutschkenntnisse seien bereits vorhanden: „Eine Schülerin geht in die elfte Klasse, sie spricht schon sehr gut Deutsch, kann ohne größere Schwierigkeiten am Unterricht teilnehmen“, sagt Reitz. Auch die anderen Kinder, die in die siebte und neunte Klasse gehen, hätten bislang bereits bis zu vier Jahre Deutschunterricht gehabt.
Doch das trifft nicht auf alle Kinder zu, die aus der Ukraine kommen. Der Junge etwa, der in die vierte Klasse der Christophorus- Grundschule geht, spricht kein Deutsch und kein Englisch – doch es waren schnell „Übersetzer“ gefunden: „Wir haben Kinder in dieser Klasse, die Russisch sprechen“, berichtet Schulleiterin Birgit Simons-Eger. Zudem half ein glücklicher Zufall: Die Mutter eines Schülers, sagt sie, stamme aus demselben ukrainischen Ort wie der Junge. „Sie war in den vergangenen Tagen an der Schule, hat ihn etwas begleitet und konnte übersetzen.“
Und auch die anderen Schulleiter teilen mit, dass es in ihren Schulen Lehrer, Schüler und Eltern gebe, die Russisch oder Ukrainisch sprechen. Unterstützung erhalten die Schulen auch vom Land: Es stellte Lehrern für Erstgespräche unter anderem deutsch-ukrainische Fragebögen zur Verfügung.
In reguläre Klassen integrieren
Damit die Integration gelingen kann, ist aber mittelfristig das Erlernen der deutschen Sprache unerlässlich. Dafür bieten die Schulen insbesondere Deutsch-Intensivkurse an, die häufig schulübergreifend stattfinden und bereits seit der Fluchtwelle 2015 etabliert sind. „Die Kinder besuchen den Kurs, bis sie das A1- oder A2- Sprachniveau erreicht haben, danach werden die Stunden und die Unterstützung reduziert“, sagt Ute Mittelberg, Leiterin des Görres-Gymnasiums.
Doch Carl Josef Reitz vom Cusanus-Gymnasium äußert auch Bedenken, denn: Das Schulsystem in Rheinland-Pfalz sieht vor, dass keine separaten Flüchtlings- oder Willkommensklassen gebildet werden, sondern dass die geflüchteten Kinder in die regulären Klassen integriert werden. „Das ist aus pädagogischer Sicht durchaus sinnvoll, gestaltet sich im Alltag aber oft sehr schwierig“, sagt Reitz.
„Wenn Sie sich vorstellen, dass sich eine Lehrkraft, wie an unserer Schule, ohnehin allein um rund 30 Schüler kümmert und dann zwei hinzukommen, die kein Deutsch sprechen, wo sie vielleicht noch ins Englische wechseln und die Kinder integrieren muss, dann ist das für Lehrer kaum zu leisten“, sagt Reitz. Zudem äußert er Bedenken, was das Erlernen der Sprache angeht: „Das Verständigen in der deutschen Sprache ist die eine Sache. Für den mittel- bis langfristigen Schulerfolg wird es jedoch entscheidend sein, inwieweit es den Schülern gelingt, die schriftliche Ausdrucksform zu erlernen.“
Über Erlebtes sprechen fällt schwer
Neben der Sprache sei der Umgang mit den Fluchterfahrungen eine Herausforderung für die Schulen. „Die Kinder sind zunächst einmal sehr froh, dass sie eine neue schulische Heimat gefunden haben“, sagt Carl Josef Reitz. „Aktuell befinden sich die Kinder jedoch nicht in der Verfassung, dass sie über das Erlebte sprechen können und wollen.“
Ähnliche Erfahrungen machte Birgit Simons-Eger bei dem Jungen, der in die vierte Klasse geht: „Als ich ihn zum ersten Mal sah, wirkte er etwas ängstlich, war ruhig und blass“, sagt sie. Das sei ihr persönlich sehr nahe gegangen. „Für solche Fälle haben wir die Schulsozialarbeiter im Haus. Zudem können die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion sowie der Schulpsychologische Dienst hinzugezogen werden“, sagt Simons-Eger.
Letzteren betreibt das Land Rheinland-Pfalz – eines der Beratungszentren befindet sich in Koblenz. Auch die Unterstützung durch die Mitschüler ist wichtig: „Die Klasse kümmert sich wirklich rührend um ihn“, sagt Simons-Eger. Die Kinder hätten etwa Namensschilder gebastelt, auf denen sie ihre Namen ins Russische übersetzten. „Er hat sogar schon wieder ein bisschen gelächelt; ich denke, er ist hier sehr gut aufgehoben“, sagt die Schulleiterin.
Wunsch nach zentraler Anlaufstelle
Die Kapazitäten für weitere Kinder variieren je nach Schule und Klasse. An den beiden Koblenzer Schulen in Trägerschaft des Bistums Trier sowie an der Christophorus-Grundschule seien die Klassen bereits ziemlich voll, sagen die Schulleiter. Man bemühe sich aber, so viele Kinder wie möglich aufzunehmen.
Ute Mittelberg schätzt, dass am Görres-Gymnasium pro Klasse noch maximal drei oder vier Kinder Platz haben. Würden es mehr, spreche man mit der Schulbehörde. Und Daniel Bongers wünscht sich, dass die Anmeldungen künftig über eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle in Koblenz koordiniert werden. Dies sei sinnvoller, als dass sich Privatpersonen – wie aktuell – einfach an die Schulen wenden, die sie kennen. Erste Schritte, auf einem vermutlich langen Weg.
Maßnahmen zur Sprachförderung an Schulen
Für die Vermittlung der deutschen Sprache sind in Rheinland-Pfalz die Deutsch-Intensiv-Kurse zentral. Hier können Schüler mit Migrationshintergrund, deren Sprachniveau nicht ausreicht, um dauerhaft in der Schule mitzuhalten, bis zur zehnten Klasse parallel zum Unterricht Deutsch lernen. Die Kurse umfassen je nach Alter 10 bis 20 Stunden pro Woche und finden neben dem regulären Unterricht in Gruppen von mindestens acht Kindern statt. Häufig werden sie schulübergreifend angeboten. Zudem gibt es Feriensprachkurse. Die finanziellen Mittel stellt das Land Rheinland-Pfalz bereit. mth