Koblenz
Koblenzer Netzwerk kämpft für Alphabetisierung

Viele, die nicht richtig lesen und schreiben können, versuchen, das zu vertuschen, weil sie sich schämen. Dabei stehen sie mit dem Problem nicht allein da – die Zahlen sind alarmierend hoch.

Annette Hoppen

Koblenz - Analphabeten helfen will die Koblenzer Außenstelle des Alpha- und Grundbildungsnetzes beim Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd und sucht dafür Partner.

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Koblenz – Analphabeten helfen will die Koblenzer Außenstelle des Alpha- und Grundbildungsnetzes beim Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd und sucht dafür Partner.

Der eine sagt, er hat nur seine Brille vergessen – „kannst du mal grad sagen, was da steht?“ Dabei kann er kaum einzelne Wörter lesen. Eine andere klagt über Kopfschmerzen – „kannst du mir mal grad den Brief hier vorlesen?“. Dabei kann sie zwar ein paar Brocken lesen, aber keine Satzzusammenhänge erfassen. „Die Leute sind meist sehr findig“, sagt Margit Büttner vom Alpha- und Grundbildungsnetz beim Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd, Außenstelle Koblenz. Die Stelle ist als eine von sechs in Rheinland-Pfalz mit jeweils knapp zehn Stunden in der Woche neu eingerichtet worden und wird mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert. Zunächst für ein Jahr, Verlängerung möglich.

„Es geht in erster Linie jetzt erst einmal darum, Öffentlichkeitsarbeit zu machen“, erklärt Margit Büttner. Unter Federführung des DGB-Bildungswerkes Arbeit und Leben haben sich verschiedene Träger der Erwachsenenbildung in Rheinland-Pfalz zusammengeschlossen, um für das häufig verdeckte Thema zu sensibilisieren. Denn es ist alles andere als ein Randthema: Einer Studie zufolge werden rund 7,5 Millionen Bundesbürger als „funktionale Analphabeten“ eingeschätzt. Das heißt, sie können abgestuft nach verschiedenen Graden nicht oder nur eingeschränkt lesen und/oder schreiben.

Oft wurschteln sie sich jahrzehntelang durch: „Bei einer Frau, die in einer Firma als Putzhilfe gearbeitet hat, kam es zum Beispiel erst dann ans Licht, als der Urlaubsantrag im Computer eingegeben werden musste und nicht mehr wie früher einfach nur dem Chef gesagt wurde, wann man frei machen will“, berichtet Büttner. Das ist kein Einzelfall, belegen die Studien: Immerhin rund 58 Prozent der Betroffenen sind danach erwerbstätig und haben Strategien entwickelt, den Alltag auch ohne Lese- und Schreibfähigkeiten zu bewältigen.

„Nicht richtig lesen und schreiben zu können, schränkt dennoch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ein, verhindert höhere Bildungsabschlüsse und kann die berufliche Eingliederung stark behindern“, sagt Büttner. Die Koordinierungsstelle in Koblenz steht noch ganz am Anfang ihrer Tätigkeit. Das Ziel ist es aber, neben der verstärkten Aufmerksamkeit fürs Thema auch Kurse anzubieten. „Es gibt zwar welche bei der VHS, aber in einer Stadt wie Koblenz sollte es mehrere Möglichkeiten geben.“

Für ihre Arbeit sucht die Koordinierungsstelle nun interessierte Partner aus Industrie und Handel, den Verwaltungen, Jobcentern, von Bildungsträgern, Vereinen, sozialen und kirchlichen Institutionen, die bereit sind, sich als Verbund für die Belange der betroffenen Personengruppe in Koblenz einzusetzen. Zudem werden engagierte Lehrpersonen für Alphabetisierung und Grundbildung mit zum Teil schwieriger Klientel gesucht. Diese Lehrer müssen nicht ehrenamtlich arbeiten. Die Kurse können aus einem anderen Topf des Europäischen Sozialfonds finanziert werden. Auch Fortbildungen in diese Richtung sind möglich.

Kontakt: Margit Büttner, Alpha- und Grundbildungsnetz Evangelisches Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd, Außenstelle Koblenz, Mainzer Straße 81, 56075 Koblenz, Telefon 0261/911 61 64, E-Mail mbuettner@eeb-sued.de

Doris Schneider

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