Calisthenics in Metternich
Koblenzer Jugendliche werden zu Fitnesshelden
Eddy gehört zu den jungen Erwachsenen, die die Anlage initiiert und geplant haben. Für ihn ist damit ein Traum in Koblenz in Erfüllung gegangen.
Martin Ingenhoven

Die Musik ist laut, die Stimmung gut, obwohl mancher Tropfen Schweiß fließt: Die neue selbst angelegte Trainingsfläche vor dem Jugendhaus ist nun offiziell in Betrieb genommen worden. Calisthenics ist das Zauberwort. Was steckt dahinter?

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Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Mischung aus Spielplatz und Turnhallen-Parcours, ist in Wirklichkeit ein ambitioniertes Jugendprojekt, das in den vergangenen Wochen vor dem Haus der offenen Tür (HoT) in Metternich verwirklicht wurde. Die neu errichtete Calisthenics-Anlage bietet nun sportlich Interessierten – insbesondere Jugendlichen – die Möglichkeit, sich unter freiem Himmel körperlich zu betätigen. Calisthenics, das heißt: Trainieren mit Eigengewicht.

Beeindruckend: eine „menschliche Flagge“

Wer an diesem Nachmittag das Gelände vor dem HoT betritt, wird Zeuge lebendiger Szenen: Jugendliche und junge Männer feuern einander an, während aus einer mitgebrachten Box motivierende Musik schallt. Zwei Sportler liefern sich einen freundschaftlichen Wettbewerb im Klimmzüge-Machen, ein anderer erklimmt eine senkrechte Metallstange, spannt seine Muskeln an und hebt den Körper zur Seite, bis dieser waagerecht in der Luft steht. Die Übung trägt den Namen „menschliche Flagge“ – und sie ist ein beeindruckender Anblick.

Musik gehört zum Calisthenics-Training unbedingt dazu. In der Regel sorgen die Jugendlichen selbst dafür.
Martin Ingenhoven

Doch auch wer noch nicht auf diesem sportlichen Niveau angekommen ist, findet passende Einstiegsmöglichkeiten. Ein jüngerer Sportler nutzt ein elastisches Gummiband, um sich bei seinen Klimmzug-Versuchen unterstützen zu lassen. Es hilft ihm, das eigene Körpergewicht teilweise abzufedern, und ermöglicht dadurch erste Erfolgserlebnisse.

„Calisthenics ist nicht einfach nur ein Sport – das ist ein Lifestyle“, sagt Eddy, einer der Initiatoren des Projekts. Gemeinsam mit seinem Bruder Arnold und weiteren engagierten Jugendlichen hat er das neue Sportareal vor dem HoT von Grund auf mitentwickelt.

Kerstin Wesely leitet das HoT in Koblenz Metternich und ist stolz darauf, was die Jugendlichen erreicht haben.
Martin Ingenhoven

„Die Anlage ist auf Initiative der Jugendlichen hier entstanden. Die Idee kam von ihnen und nahm im Jahr 2020 erste Gestalt an“, berichtet Kerstin Wesely, Leiterin des HoT. Der Vorschlag stieß schnell auf Interesse – nicht nur bei den Jugendlichen selbst, sondern auch in den städtischen Gremien. Arnold, der ältere der beiden Brüder, erinnert sich gut an die Anfangszeit: „Ich habe das Projekt damals sowohl im Jugendrat als auch im Koblenzer Stadtrat vorgestellt und eine Rede gehalten.“ Zu diesem Zeitpunkt war er 23 Jahre alt.

„Ich finde es einfach gut, wenn Kinder und Jugendliche gemeinsam Sport treiben.“
Arnold hat die Planung sehr unterstützt.

Obwohl Arnold selbst kein aktiver Calisthenics-Sportler ist, unterstützte er die Planung mit großem Engagement. „Ich finde es einfach gut, wenn Kinder und Jugendliche gemeinsam Sport treiben“, sagt er heute – fünf Jahre später. Bruder Eddy hingegen ist mit Leidenschaft dabei. „Ich fand den Sport schon immer interessant, aber wir hatten keinen Platz zum Trainieren. Und dann haben wir überlegt, auf die Wiese vor dem HoT eine Calisthenics-Anlage hinzustellen“, erzählt er. Beide Brüder bestätigen, dass die Idee sowohl im Jugendrat als auch im Stadtrat schnell Zustimmung fand.

Kerstin Wesely und ihr Team sind stolz, die Calisthenics-Anlage in Koblenz endlich öffentlich vorstellen zu können.
Martin Ingenhoven

Die Realisierung der Anlage wäre jedoch ohne die Unterstützung weiterer Partner kaum möglich gewesen. Bei der offiziellen Eröffnung betonen alle Beteiligten, wie wichtig Kooperation und Engagement bei solchen Projekten sind. Mit Antje Knieper vom Koblenzer Jugendamt, Kai Wichmann vom Bistum Trier und Rolf Hennequin von der Koblenzer Bürgerstiftung waren gleich mehrere Förderer anwesend, die das Projekt finanziell und organisatorisch begleiteten.

„Für viele Jugendliche ist dieser Ort wie ein zweites Wohnzimmer – ein Anlaufpunkt, an dem sie Dinge loswerden können.“
Kerstin Wesely, Leiterin des HoT

Die Bedeutung des HoT für den Stadtteil Metternich ist den Unterstützern bewusst. „Das hat hier eine ganz lange Tradition – in diesem Jahr feiern wir das 60. Jubiläum. Seit Generationen ist das HoT ein Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene. Für viele Jugendliche ist dieser Ort wie ein zweites Wohnzimmer – ein Anlaufpunkt, an dem sie Dinge loswerden können. Es gibt eine enge Beziehung zu den Mitarbeitenden“, erklärt Wesely.

Bis 22 Uhr abends darf vor dem HoT in Metternich künftig jeder zum Workout kommen und findet oft gleichgesinnte Calisthenics-Fans.
Martin Ingenhoven

Sorgen um möglichen Vandalismus macht sie sich kaum. Die Anlage ist rund um die Uhr zugänglich – und dennoch blieb es bislang ruhig. „Bisher läuft alles gut, und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Die Anlage steht jetzt seit einem Monat, und den Jugendlichen ist bewusst, dass sie sie aus eigener Kraft auf die Beine gestellt haben. Sie kontrollieren sich gegenseitig, und auch wir appellieren immer wieder an sie – aber man kann wirklich sagen, dass das funktioniert. Vormittags sitzen hier auch viele Eltern aus der Kita, was zeigt, dass der Platz gut angenommen wird“, zeigt sich Wesely optimistisch.

Die positive Resonanz motiviert bereits zu neuen Ideen. So haben jüngere Nutzerinnen und Nutzer des HoT den Wunsch geäußert, künftig auch einen sogenannten Soccer Court – ein kleines Fußballfeld mit Banden – errichten zu dürfen. Die gelungene Umsetzung der Calisthenics-Anlage hat ihren Unternehmergeist offenbar geweckt.

„Für die Calisthenics-Anlage selbst wünsche ich mir auch trainierende Frauen – am besten eine, die einfach den Anfang macht und so als Vorbild für andere dient.“
Leiterin des HoT Metternich, Kerstin Wesely

Wesely hofft zudem, dass sich auch mehr Mädchen und Frauen für das Training im Freien begeistern können. „Für die Calisthenics-Anlage selbst wünsche ich mir auch trainierende Frauen – am besten eine, die einfach den Anfang macht und so als Vorbild für andere dient.“

Auch Eddy und Arnold zeigen sich zufrieden mit dem Erreichten – und voller Tatendrang. „Ich wünsche mir, dass die Anlage noch mehr besucht wird, wir uns hier so richtig verausgaben können – und dass vielleicht auch noch ein paar weitere Anlagen in Koblenz gebaut werden“, sagt Eddy, während er jüngeren Kindern die richtige Technik beim Klimmzug erklärt. Inzwischen haben sich auch einige seiner Freunde zu einer Liegestütz-Challenge zusammengefunden.

Calisthenics am HoT in Metternich ist keine Frage des Alters. Auch Hausmeister Paul Gutjahr trainiert mittlerweile regelmäßig auf der öffentlichen Anlage.
Martin Ingenhoven

Am Ende eint sie alle der Stolz, ein Projekt nicht nur geplant, sondern auch konsequent umgesetzt zu haben. Wer sich selbst ein Bild machen oder Calisthenics ausprobieren möchte – sei es bei der „Planke“ oder der „menschlichen Flagge“ – ist herzlich eingeladen.

Der Calisthenics-Park befindet sich direkt vor dem HoT Metternich, Trierer Straße 123c. Die Anlage ist rund um die Uhr geöffnet und kann kostenlos genutzt werden.

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