Es ist Freitag, 20. Juni 1975. „Statt in die Schule zu gehen, bin ich vom Koblenzer Höhenstadtteil Karthause mit dem Rad zur Eröffnung der neuen Südbrücke über den Rhein zwischen den beiden Stadtteilen Oberwerth und Horchheim gefahren“, erinnert sich der Koblenzer Hansjörg Schütz. Die Bundesstraße 327 war am Eröffnungstag noch für den motorisierten Verkehr gesperrt.
„Mir kam die Idee, auch ein Stück des Eröffnungsbandes zu bekommen.“ Schütz setzte sich auf die Leitplanke genau über das Band, das an dieser Stelle dreimal herumgewickelt war. Viele wollten ein Stückchen abschneiden: „Die Souvenirjäger kamen mir mit ihren Scheren immer näher, aber kurz vor mir war Schluss mit der Jagd.“ Als sich die „Meute“ verzogen hatte, löste er die vielen Knoten und hatte ein 1,80 Meter langes Stück in Händen. „Später zeigte die reine Seide, was in ihr steckt: Aus einem völlig zerknitterten Streifen wurde ein ganz glattes Band!“
Keine Unterschrift: Der Verkehrsminister war zu schnell weg
Aber damit nicht genug: Schütz wollte auch unbedingt einen Echtheitsnachweis: die Unterschriften der drei Herren, die das Band zerschnitten haben. „Der Koblenzer Oberbürgermeister Willi Hörter war mir persönlich bekannt. Der Nächste war der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Jung – geschafft!“ Nur der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Heinrich Holkenbrink fuhr vor seinen Augen einfach weg.
Aber das hielt den damals 17-Jährigen nicht ab: Er schickte das Band mit der Post nach Mainz, und es kam unterschrieben zurück, zusammen mit einem Begleitschreiben, das „die Dreigliederung unserer Bundesrepublik symbolisch vervollständigt“.
Tag für Tag rollen heute rund 45.000 Autos über die Südbrücke. Fast genau vor 50 Jahren ist sie eröffnet worden, am 20. Juni 1975. Die Baustelle war von Unglücken geprägt, an die sich noch heute viele erinnern.Koblenzer Südbrücke ist 50: Beim Bau gab es viele Tote
Noch heute denkt Schütz oft an den Tag zurück: „Diese Eröffnung ist für meine Heimatstadt Koblenz ein Meilenstein!“ Auch und besonders vor dem Hintergrund, dass die Südbrücke gleich zweimal in der Bauphase eingestürzt ist, 19 Menschen starben. Am 10. November 1971 knickte ein weit über den Rhein ragendes Brückenteil ab, und am 21. September 1972 stürzte bei Betonierungsarbeiten an der Hangbrücke ein Gerüst ein und begrub weitere Bauarbeiter unter sich.
„Es gibt Vorfälle, die berühren nicht nur, sie brennen sich tief ins Gedächtnis ein“, berichtet Schütz gegenüber der Rhein-Zeitung. „Als 13-jähriger Junge nahm ich damals die Rhein-Zeitung vom 11. November 1971 in die Hand“, die Seite eins hat er noch heute. „Dort stand in dicken Lettern mit rotem Unterstrich, dass Arbeiter in den Rhein, in den Tod gestürzt sind. Das dunkle Foto der abgeknickten Brücke vergrößerte die Düsternis dieser Novembertage noch.“