Der Koblenzer Baudezernent über seine ersten Monate im Amt, Hierarchien und große Projekte
Koblenzer Baudezernent Andreas Lukas: Moselufer soll für Autos gesperrt werden
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Der Koblenzer Baudezernent Andreas Lukas und seine Mitarbeiterin Carolin Schapper im Bürogebäude am Bahnhof. Foto: Jan Lindner
Jan Lindner

Mehr (bezahlbare) Mietwohnungen, mehr Radwege: Das sind die beiden Themen, die der Koblenzer Baudezernent Andreas Lukas (Grüne) ganz oben auf seiner Agenda hat. Seit einem halben Jahr ist er als erstes Grünen-Mitglied in dem wirkmächtigen Amt. Was hat er im Dezernat bislang verändert?

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Seine Wahl im Dezember 2023 durch den Stadtrat galt durch die breite Unterstützung der Fraktionen von Grünen, CDU und SPD schon vorher als sicher. Zu einem ersten Bilanzgespräch des Beginns seiner achtjährigen Amtszeit empfängt er in seinem aufgeräumten, geräumigen Büro im ersten Stock des Baudezernats, mit direktem Blick auf den Bahnhofsvorplatz.

Herr Lukas, wie waren die ersten Monate im neuen Amt für Sie?

Der Start war sehr angenehm, ich fühle mich von meinem Büro, von den Ämtern des Baudezernats und von meinem Büroleiter sehr gut unterstützt. Ich habe das Personal von meinem Vorgänger Bert Flöck komplett übernommen.

Gab es im April eine Übergabe zwischen Ihnen und Herrn Flöck?

Nein, es gab keine richtige Übergabe. Das lag an mir, weil ich bis Ende April an meinen damaligen Job an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Mayen gebunden war. Herr Flöck hat mir einen ausführlichen Vermerk geschrieben. Für uns war es genau richtig so.

Sie begegnen Bert Flöck weiterhin. Er sitzt für die CDU im Stadtrat, dazu im Stadtentwicklungsausschuss und im Bauausschuss, die Sie beide leiten. Die Konstellation ist ungewöhnlich, manche sehen Flöcks Engagement in seinen früheren beruflichen Tätigkeitsfeldern kritisch. Was sagen Sie?

Es ist seine neue Rolle als CDU-Stadtratsmitglied. Im Großen und Ganzen läuft der Austausch bislang absolut fair und kollegial. Natürlich ist er noch sehr nah am Baudezernat dran. Wenn er ein offizielles Anliegen hat, meldet er sich vorher bei uns und lässt uns nicht auflaufen.

Welche Struktur haben Sie im Baudezernat vorgefunden? Haben Sie schon etwas geändert?

Herr Flöck hat sicher stärker klassisch geführt, so bin ich nicht. Wir wollen mehr in Funktionen denken, weniger in Hierarchien. Jeder hat seinen Aufgabenbereich, und jeder muss einen guten Job machen, dass es funktioniert. Wenn es gut läuft, lasse ich es laufen. Ich bringe mich eher in Projekte ein, wo ich meine, dass es Unterstützungsbedarf gibt und wo ich helfen kann, wenn es hakt oder wenn etwas entschieden werden muss. Etwa, wenn es um die Verhandlung von städtebaulichen Verträgen geht. Ich muss aber nicht jede einzelne Pressemeldung freigeben. Wir haben gute Amtsleiter, denen vertraue ich voll und ganz.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Für die zugesagte 3-Millionen-Euro-Förderung des Landes der Rad- und Gehwegbrücke zwischen Goldgrube und Rauental mussten wir in Mainz in Ministerien einige Klinken putzen. Die ersten Gespräche auf Ministerebene habe ich übernommen, Tiefbauamtsleiter Kai Mifka hat das dann eingetütet. Es ist sich keiner zu schade, Klinken zu putzen. Wenn das 14 Millionen Euro teure Projekt an der Finanzierung scheitern würde, würde auch nicht der Bahnhaltepunkt kommen. Es ist eher klassisch in der Politik, Probleme von sich wegzuschieben und sich mit Erfolgen zu brüsten. Aber ich bin kein Berufspolitiker, eher eine Verwaltungsfachkraft, und kümmere mich um Probleme.

Welche größeren Projekte bearbeitet das Dezernat derzeit?

Neben der Rad- und Gehwegbrücke in der Goldgrube haben wir die Entwicklung des Wohnquartiers in der ehemaligen Fritsch-Kaserne unter Dach und Fach gebracht. Der Vertrag liegt jetzt zur Abstimmung beim Projektentwickler. Für die fünf Wohnhäuser mit sozialem Wohnungsbau in Metternich liegt die Baugenehmigung unterschriftsreif vor. Beim Ensemble am Florinsmarkt ist der Bauantrag in Vorbereitung. Wir haben ihn mit den Ämtern intensiv vorbereitet und erwarten täglich, dass er bei uns eingeht. Das soll der neue Spirit im Dezernat sein: Ein Investor kommt, hat noch keinen Bauantrag gestellt, aber wir kümmern uns vorher um die Probleme, dass es schneller geht.

Klar ist, dass das neue Innenstadtkonzept durch das Land mit viel Geld gefördert wird. Einzelmaßnahmen hat der Stadtrat bislang weder beraten noch beschlossen. Dennoch gab es hitzige Diskussionen, weil das Peter-Altmeier-Ufer und die Obere Löhr autofrei werden könnten. Wie sehen Sie das?

Mein persönliches Ziel ist, das Moselufer neu zu gestalten und autofrei zu bekommen. Den Vorschlag hat mein Vorgänger auch unterstützt. Bei der Oberen Löhr bin ich unentschlossen. Eigentlich war ich der Meinung, dass auch die Straße autofrei werden sollte. Allerdings hat mich ein Leserbrief in der RZ nachdenklich gestimmt. Darin hat sich jemand gefragt, ob in der Debatte auch die Belange von älteren Menschen oder Personen mit Gehbehinderung berücksichtigt würden. Würde die Straße autofrei, könnten sie dort Fachgeschäfte nicht mehr erreichen. Die Frage ist, ob man die Straße für Autos sperren, aber trotzdem gewährleisten kann, dass ältere Leute oder Menschen mit Behinderung in die Geschäfte kommen. Darüber müssen wir nochmal mit dem Tiefbauamt und Einzelhändlern sprechen.

Sie sind der erste Koblenzer Baudezernent mit grünem Parteibuch. Spüren Sie das im täglichen Umgang? Wie viel Parteipolitik können und wollen Sie umsetzen?

Ich versuche, alle Anfragen gleichermaßen zu bedienen. Die meisten bekomme ich von der CDU, deshalb ist der Austausch mit ihr bislang der intensivste. Bei den Koblenzer Grünen ist Teamwork sehr gefragt. Kim Theisen (Fraktionschefin im Stadtrat), Christopher Bündgen (Co-Vorsitzender des Kreisverbands) und Ulrich Kleemann (Ratsmitglied) sowie meine Amtsleiter sind für mich sehr wichtige und allererste Ansprechpartner und Ratgeber. Der Austausch läuft sehr vertrauensvoll und unterstützend. Kleemann ist ein alter Hase, Theisen und Bündgen sind noch sehr jung, haben aber trotzdem ein hohes politisches Niveau.

Gibt es Forderungen der Grünen an Sie? Etwa eine Abhakliste mit Projekten? Schließlich hatte die Partei das Vorschlagsrecht für Ihr Amt.

Nein. Wenn es Forderungen gäbe, wären sie bei der aktuellen Haushaltslage, die viele Dinge infrage stellt, obsolet. Klar ist: Alle wollen mehr Mietwohnungen, derzeit gibt es in Koblenz 42.500. Wenn ich in siebeneinhalb Jahren aus dem Amt scheide, sollen es 44.000 sein. Außerdem wollen wir den Radwegverkehr weiter ausbauen: 2025 wollen wir zehn Kilometer neue Radwege bauen und dann vor allem die dicken Bretter bohren.

Inwiefern?

Farbe auf die Fahrbahn zu streichen ist das eine. Aber jetzt geht es darum, die Leinpfade weiter auszubauen, es geht um die Brücke in der Goldgrube und um den Rad- und Gehweg auf der Horchheimer Brücke. Das sind alles sehr aufwendige Verfahren, entsprechend geduldig sind alle, das braucht seine Zeit. Außerdem wollen wir im Dezernat das Ökokonto reaktivieren, das lag darnieder. Dabei geht es darum, vorzeitig Ausgleichsflächen für Neubauprojekte zu generieren. Wir haben nicht nur das Problem, dass wir keine neuen Gewerbeflächen zur Verfügung haben. Wir haben auch keine Ausgleichsflächen mehr.

Wo neue Radwege entstehen, fallen auch Parkplätze weg.

In der Altstadt ist das Thema Parken ganz sensibel. Am Florinsmarkt wandeln wir Parkplätze in Anwohnerparkplätze um, das haben wir auch am Peter-Altmeier-Ufer vor. Auswärtige können in Parkhäusern parken, dazu sind sie da. Wenn Parkplätze wie in der Mainzer Straße wegfallen, geht das nur, wenn woanders welche geschaffen werden. Für Investoren von Neubauprojekten haben wir eine Stellplatzverpflichtung.

Warum ist es für die Stadt so schwierig, neue bezahlbare Mietwohnungen zu schaffen? Welche Möglichkeiten hat sie?

Wenn Investoren kommen, haben wir die Möglichkeit, eine Quote von sozial gefördertem Wohnungsbau festzulegen. Bei den Projekten Fritsch-Kaserne und Goebensiedlung auf dem Asterstein liegt sie bei 30 Prozent. Dazu können wir Bauanträge mit sozial gefördertem Wohnungsbau, wie in der Trierer Straße, prioritär bearbeiten. Und wir können über die städtische Wohnbaugesellschaft Wohnungen bauen. Ein Problem ist, dass wir in Koblenz offiziell eine Leerstandsquote von vier Prozent haben, obwohl viele Leerstände wegen Sanierungsbedarf gar nicht marktverfügbar sind. Die offizielle Quote erschwert es, die Stadt als angespannten Wohnungsmarkt auszuweisen, weshalb es anspruchsvoll ist, etwa eine Zweckentfremdungssatzung zu verabschieden, damit nicht noch mehr Wohnungen in Ferienwohnungen umgewandelt werden.

Zur Person: Andreas Lukas

Andreas Lukas (Grüne) ist seit dem 1. Mai dieses Jahres Baudezernent der Stadt Koblenz. Bei der Wahl im Stadtrat im Dezember 2023 hatte er sich deutlich gegen Oliver Stracke durchgesetzt (Leiter der Abteilung Planung und Bau im Grünflächenamt der Stadt Koblenz). Lukas ist 40 Jahre alt, Volljurist, verheiratet und Vater eines Sohns. Er wuchs in Mainz auf, studierte Jura in Trier, sein Referendariat fand in Koblenz statt, danach arbeitete er acht Jahre lang als Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Baurecht und Umweltrecht in Frankfurt, Leipzig, Andernach. In Kassel promovierte er in Stadt- und Landschaftsplanung. Bevor er das Amt des Baudezernenten antrat, arbeitete er an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung des Landes Rheinland-Pfalz in Mayen. Nebenberuflich ist er Honorarprofessor für Umweltrecht und Planungsrecht an der Hochschule Geisenheim. jl

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