Die Nachspielzeit läuft bereits, es ist ein gutes Stück nach sieben, da geht es dann doch noch einmal um Andreas Lukas' grüne Wurzeln. Christian Altmaier formuliert aus, was auch Besuchern des Vortrags in der DRK-Begegnungsstätte an der Liebfrauenkirche unter den Nägeln brennt. Die Frage: Wird Lukas nur für grüne Parteigänger ein guter und ansprechbarer Baudezernent sein? „Ich bin hier, obwohl mir die Grünen davon abgeraten haben“, sagt Lukas, erntet ein paar Lacher.
Für alle Koblenzer
Er wolle, das zeige er auch dadurch, ein Baudezernent für alle Koblenzer sein. „Ja, ich bin Grüner, seit 2004 in der Partei. Aber ich bin beispielsweise auch in der evangelischen Kirche aktiv“, ergänzt der 39-Jährige. Viel wilder wird es nicht an diesem Freitagabend, die Fragerunden laufen fair ab, auch wenn manche im kommunalpolitischen Umfeld befürchtet hatten, Lukas solle „vorgeführt“ werden.
Eingeladen zur Diskussion hatte die Freie-Wähler-Stadtratsfraktion Koblenz. Die Wählergruppierung wollte, kurz vor der Wahl am kommenden Freitag im Stadtrat, ein Forum schaffen, um die beiden Kandidaten um die Nachfolge von Baudezernent Bert Flöck vorzustellen: Neben Andreas Lukas sitzt Oliver Stracke. Indes: Lukas gilt als bereits gesetzt für das Amt, im Frühjahr hatten CDU, SPD und Grüne bekannt gegeben, sich bei anstehenden Dezernentenwahlen gegenseitig unterstützen zu wollen, die Fraktionen kommen auf eine formidable Mehrheit. Die Absprache im Vorfeld hatten andere, vor allem Freie Wähler FW und FDP, kritisiert.
Freie Wähler und interessierte Bürger
Rund zwei Dutzend Interessierte zieht der Abend an, einige Freie Wähler darunter, aber auch interessierte Bürgerinnen und Bürger. Stephan Wefelscheid, MdL und FW-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat und der stellvertretende Fraktionschef Christian Altmeier moderieren. Los geht es mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Dr. Andreas Lukas ist Jurist und nicht nur im Besitz eines grünen Parteibuchs, sondern außerdem Lehrbeauftragter für Bau- und Umweltrecht an der Hochschule Geisenheim in Landschaftsarchitektur sowie Dozent für Baurecht und Gefahrenabwehrrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Mayen.
Die Koblenzer Grünen haben während ihres Parteitags am Mittwoch ihren Favoriten für das Amt des Koblenzer Baudezernenten vorgestellt. Demnach spricht sich die Partei für die Unterstützung der Bewerbung des Juristen Dr.Neuer Baudezernent für Koblenz: Als Favorit der Grünen hat Andreas Lukas beste Chancen
Stracke, 52 Jahre jung und Bauingenieur, ist aktuell Bereichsleiter Planung und Bau im städtischen Eigenbetrieb Grünflächen und Bestattungswesen. Er ist parteilos, wird aber von der FDP unterstützt. Wefelscheid und Altmaier stellen Fragen, danach sind die Bürger dran, deren Anfragen Altmaier weitergibt. Es geht um den Forst und die Friedhöfe ebenso wie um Stadtentwicklungs- und Verkehrsthemen sowie Verwaltungsabläufe. Eine Auswahl der Erkenntnisse des Abends:
- Andreas Lukas betont auf Nachfrage Altmaiers, keine Politik „gegen das Auto“ machen zu wollen. Er stehe für einen Ausbau des Radwegenetzes, für E-Mobilität, auch dafür, auf einzelnen Achsen in der Stadt den Radverkehr (Südallee, Casinostraße), auf anderen den motorisierten Verkehr (Hohenzollernstraße, Viktoriastraße) in den Fokus zu rücken. Aber: „Koblenz ist eine Einpendlerstadt“, das müsse bei der Verkehrsentwicklung berücksichtigt werden. Er sei außerdem natürlich für gute Bahnanbindungen, teuren Prestigeprojekten um ihrer selbst willen stehe er aber kritisch gegenüber.
- Stracke wirft ein, er finde den Bau von „Abfangparkhäusern“ charmant, die den Autoverkehr entsprechend kanalisieren, beispielsweise an der B 9. Er betont auch, etwa mit Blick auf den Saarplatz hätte er bei der Parkraumplanung in der Vergangenheit manches anders gemacht.
- Als Verwaltungsfachmann kennt sich Stracke mit Bauvorschriften gut aus. „20 000 Bauvorschriften in Deutschland machen es nicht einfacher für die Mitarbeiter.“ Wie er Vorhaben und Freigaben beschleunigen wolle, fragen Wefelscheid und Altmaier. Stracke spricht von Vertrauen, von Ermächtigung der Mitarbeiter, kreativ vorzugehen, und davon, eine vernünftige Fehlerkultur zu schaffen. „Mitnehmen“ ist ein Wort, das er mehrfach anbringt.
Koblenz Oliver Stracke will Baudezernent in Koblenz werden: Ein Optimist ohne große Chancen
Koblenz. Oliver Stracke will der neue Koblenzer Baudezernent werden. Doch bei allem, was man vorher ausrechnen kann, hat er eigentlich keine Chance. Im Interview mit der RZ erzählt der 52-Jährige, warum er sich trotzdem zur Wahl stellt.
- Mitnehmen wolle er bei Großbauprojekten der nächsten Jahre auch die Bürger unbedingt, Kommunikation sei ihm wichtig – sei es beim Neubau der Pfaffendorfer Brücke oder der Buga am Mittelrhein („Unsere Festungsteile, Feste Franz, Fort Asterstein und Konstantin können ein Highlight werden“). In Hinsicht auf die Buga wäre übrigens eine Verschönerung der Rheinanlagen sinnvoll, sagt Stracke, dem auch der Erhalt der Denkmäler ein Anliegen ist.
- Dass auch er für eine gute Gesprächskultur mit den Bürgern steht, betont Lukas. Er wird zudem zum Thema Wohnraum befragt, das auch in Koblenz drängt. Das Baudezernat unter ihm solle eine aktive Rolle bei der Baulandentwicklung spielen, das Tiefbaumamt dürfe ruhig „selbst in die Erschließung“ gehen. Die 44 Hektar mögliches Bauland im Flächennutzungsplan hat Lukas hierfür im Blick, sie sollen „sukzessive entwickelt werden“. Neue, förderungsfähige Sanierungsgebiete wolle er festlegen, auch die Koblenzer Wohnbau wolle Lukas als Akteur stärken und noch mehr einbinden.
- Gedanken haben sich die Kandidaten auch zur Wärmeplanung gemacht, die Koblenz wie andere Kommunen in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen wird. Nahwärme im Zusammenspiel mit regionalen Versorgern sei ein wichtiger Ansatz, betont Lukas, der auch die Idee einer großen Wärmepumpe im Rhein attraktiv findet.
- Beim Thema Stadtentwässerung und Klimaanpassung geht es kurz um die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer „Schwammstadt“. Mehr grüne Inseln in der Innenstadt, die auch für sich Wasser aufnehmen können, findet Lukas sinnvoll. Stracke widerspricht gar nicht, weist aber darauf hin, dass schon jetzt an der Stelle vonseiten der Stadt vieles getan werde, was eben machbar sei.
- Bei der Frage nach Führungserfahrung spricht Andreas Lukas seine Erfahrung im Landessvorstand des Naturschutzbundes Nabu an. Stracke, immerhin für 15 Mitarbeiter verantwortlich, spricht davon, er führe bereits jetzt quasi „ein mittelständisches Unternehmen“.
Applaus und Erkenntnisse
Am Ende gibt es Applaus für die Kandidaten, und immerhin noch eine gemeinsame Erkenntnis von Altmaier und Lukas: Ein flächendeckendes E-Roller-Buchungssystem wie andernorts braucht es in Koblenz nicht (Die landen eh nur im Fluss). Wefelscheid ergänzt, die FW würden nun noch beraten, ob sie sich offiziell hinter einen der beiden Kandidaten stellen.