Koblenz
Koblenz: Tafel-Festmahl gibt es erst nach Weihnachten

Nach den Feiertagen gibt es auch hier ein Festmahl: So voll wie nach Weihnachten sind die Tische der Tafel ansonsten selten.

Annette Hoppen

Koblenz. Um kurz nach 13 Uhr bricht am Montagnachmittag eine wahre Flut an Lebensmitteln über das Pfarrheim in Neuendorf ein - und beschert fünf Tage nach Weihnachten auch denjenigen ein Festessen, denen vor Heiligabend für einen gefüllten Kühlschrank mitten in der Wohlstandsgesellschaft das Geld gefehlt hat. "Für die Menschen, die wir mit Lebensmitteln versorgen, findet Weihnachten, zumindest was den reich gedeckten Tisch betrifft, eigentlich immer erst nach den Festtagen statt", weiß Annemirl Uhlmann, ehrenamtliche Mitarbeiterin der Koblenzer Tafel.

Von unserer Mitarbeiterin Annette Hoppen

In deren Ausgabestelle in Neuendorf türmen sich am Montag Kisten mit Fleisch, Wurst, Milch, Käse, Joghurt. Säckeweise liefern die Transporter der Tafel Kartoffeln und Gemüse an. Gleich vier Tische sind vollbepackt mit Brot. „Bei der ersten Ausgabe nach den Weihnachtsfeiertagen steigen die Lebensmittelspenden enorm. Das Ergebnis unserer Überflussgesellschaft, denn vor Weihnachten müssen die Regale in den Supermärkten proppenvoll sein, auch wenn klar ist, dass nicht alles verkauft werden kann“, weiß Helga Schiffer. Mehr als das Doppelte der sonst üblichen Menge können die Helfer deshalb heute an die rund 55 Familien ausgeben, die aus Neuendorf oder den angrenzenden Stadtteilen kommen und einen Berechtigungsschein der Diakonie vorweisen können.

„Heute können wir großzügig sein. Auch diejenigen Lebensmittel, an denen uns sonst eher mangelt, wie etwa Butter und Milch, haben wir heute im Überfluss“, freut sich auch Tafel-Helferin Ilse Bauer. Marita Gilles, ebenfalls ehrenamtlich bei der Tafel im Einsatz, packt derweil die nächsten Kisten aus. Eine ganze Ladung Roastbeef ist dabei, Entenbrustfilet, Leberpastete, Schwarzwälder Schinken. „Alles Sachen, die wir ansonsten eher selten bekommen und über die sich die Leute, die schon draußen vor der Tür warten, sicherlich freuen werden“, ist Ilse Bauer überzeugt.

Etwa 20 Frauen und Männer sitzen bereits im Eingangsbereich des Pfarrheims. Viele ältere Menschen, aber auch Familien mit Kindern. Eine Mutter, zwei Söhne und eine Tochter im Schlepptau, zieht gerade ihren Trolley durch den Schneematsch ins Pfarrheim. „Ich hoffe, heute gibt es auch etwas Fleisch oder sogar Fisch. Dann können wir wenigstens Silvester etwas feiern. An Heiligabend gab es bei uns nur eine Suppe“, erzählt sie.

Zwar war die letzte Ausgabe der Tafel vor Weihnachten einen Tag vor Heiligabend. „Aber da war es eher mau mit den Spenden“, berichtet Dieter Engewarth. Der pensionierte Polizist ist schon seit mehr als zehn Jahren im Tafel-Team. „Mir ist es immer gut gegangen, ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben“, beschreibt der 76-Jährige seine Beweggründe für den ehrenamtlichen Einsatz. Dann eilt er wieder nach draußen.

Der Transporter, der gerade noch den Globus in Lahnstein angefahren hat, hat reiche „Beute“ im Gepäck. Kistenweise Heringsfilets, Raclette-Käse, Schoko-Pudding, Eier, Mozzarella, dazu Orangen, Mandarinen und Litschis. „Wir sind sehr dankbar, dass uns die Lebensmittelmärkte so unterstützen“, sagt Helga Schiffer. Die Diplom-Pädagogin arbeitet bei der Diakonie des evangelischen Kirchenkreises Koblenz, erteilt hier die Berechtigungsscheine für die Tafel-Kunden. Oft hat sie mehr Anfragen, als sie Scheine ausgeben kann. „Die Leute müssen deshalb in der Regel zwei, manchmal sogar vier Monate pausieren, bis sie wieder acht Wochen lang jeden Montag zur Ausgabe kommen dürfen“, erzählt Schiffer. Der Strom der Flüchtlinge aus Syrien und den anderen Krisenherden in Afrika und Nahost habe die Lage in den vergangenen Monaten noch verschärft. Doch die Kapazitäten der Tafel sind ausgeschöpft.

Mittlerweile ist es fast 14 Uhr, gleich dürfen die ersten Wartenden in den Saal. „Ein paar Süßigkeiten wären schön“, meint draußen eine junge Mutter. Doch dieser Wunsch wird heute noch nicht in Erfüllung gehen. Nikoläuse und Ähnliches gibt es erst nach Silvester – bei der ersten Tafel-Ausgabe im Januar. Dann, wenn auch bei 50-Prozent-Rabatten auf Festtagsschokolade Ware in den Supermarktregalen lieben geblieben sein wird.

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