Wenn die ADD, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion des Landes Rheinland-Pfalz, Ohrfeigen in Textform verteilt, dann klingt das wie folgt: Der Beschluss des Koblenzer Stadtrates über „die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan der kreisfreien Stadt Koblenz für das Haushaltsjahr 2025 wird global beanstandet“. Die ADD sagt damit im Kern: Der Koblenzer Haushaltsentwurf, der ein Defizit in Millionenhöhe aufweist, klappt in seiner Gesamtheit nicht. Die Stadt muss das Zahlenwerk nun überarbeiten.
Oberbürgermeister David Langner (SPD) wird am Montag den Stadtratsfraktionen Lösungsvorschläge unterbreiten, kündigte er gegenüber unserer Zeitung auf Anfrage an. Was folgen wird: Debatten im Haupt- und Finanzausschuss (Hufa) und im Stadtrat, an deren Ende ein überarbeiteter Haushalt beschlossen werden muss. Denn solange kein genehmigter Haushalt vorliegt, darf die Stadt Koblenz nur sehr beschränkt haushalten – und zum Beispiel keine neuen Projekte beginnen.
1Darum wurde der Haushaltsentwurf abgelehnt: Ob der Haushalt so überhaupt genehmigt wird, war bereits im vergangenen Herbst Gegenstand von Debatten im Koblenzer Stadtrat. Im Dezember gab es nur eine hauchdünne Mehrheit für das Zahlenwerk – mit den Stimmen von SPD, Grünen, Freien Wählern (FW) und Linke-Partei sowie des Oberbürgermeisters selbst. CDU, FDP, Wählergruppe Schängel (WGS) und AfD stimmten gegen den Entwurf. Aktuell weist der im Ergebnishaushalt ein Minus von 38 Millionen Euro, der Finanzhaushalt ein Minus von 50,7 Millionen Euro auf. Besonders dieses hohe Defizit moniert die ADD.

Knappe Mehrheit für Koblenzer Sparhaushalt
Der Koblenzer Stadtrat hat mit hauchdünner Mehrheit einen neuen Haushalt für 2025 verabschiedet. CDU, AfD, Wählergruppe Schängel und FDP stimmten dagegen. Das sind die Gründe.
Sie fordert einen Haushalt, der möglichst ausgeglichen daherkommt und dessen Negativbilanzen zumindest gut begründbar sind. Im Koblenzer Entwurf sei nicht erkennbar, „inwiefern die Stadt das Haushaltsdefizit unter größtmöglicher Kraftanstrengung so gering wie möglich gehalten hat“, schreibt die Behörde auf Anfrage.
2Das sagt der Oberbürgermeister zur Lage: OB David Langner hatte nicht mit einer Ablehnung des Haushaltes gerechnet. Gegenüber unserer Zeitung sagte Langner, er habe zwar nicht ausgeschlossen, dass man nachschärfen müsse, die „globale Beanstandung“ habe ihn dann aber doch überrascht. Nun gelte es, mit den Fraktionen in den Austausch zu gehen. Bis „Ende März“, so Langners Ziel, solle der Haushalt dergestalt neu justiert sein, dass er „von der ADD eine Chance bekommt“.
3 Das sagen die Befürworter des abgelehnten Haushalts: „Es ist sehr ärgerlich, dass die ADD uns die Ablehnung einfach so hinwirft“, meint Marion Lipinski-Naumann, Fraktionsvorsitzende der SPD. Man habe sich „wirklich Mühe gegeben“, das Defizit gering zu halten. Dieses sei nicht so immens, weil man schlecht gewirtschaftet habe. Fast alle Fraktionen aus dem Stadtrat verweisen auf explodierende Kosten etwa bei Sozialausgaben, die sich aus Bundes- und Landesgesetzen ergeben. Kim Theisen (Bündnis 90/Grüne) sagt: „Wir können es uns nicht nochmal leisten, mit dem Entwurf nicht durchzukommen.“ Sie rechnet mit weiteren Sparvorschlägen seitens der Verwaltung. Dabei habe man bereits schmerzhaft viele finanzielle Mittel streichen müssen.

Stadtrat stimmt über Haushalt mit Millionendefizit ab
Einige Millionen Euro konnten noch eingekürzt werden, trotzdem weist der Entwurf, über den der Stadtrat am 13. Dezember abstimmt, ein Millionendefizit auf. Warum das keine leichte Situation ist – und wie es in Sachen Haushalt jetzt weitergeht.
Stephan Wefelscheid, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, meint, gerade mit Blick auf die hohen Sozialausgaben der Stadt: „Würden Land und Bund gesetzestreu arbeiten, gäbe es dieses Defizit gar nicht, weil sie diese Kosten nämlich erstatten müssten.“ Man könne nicht nachvollziehen, dass die ADD dieses Problem zwar anerkennt, aber dies in Bezug auf die Genehmigung egal sei. Insgesamt sei die Haushaltsverfügung der ADD „inhaltlich unschlüssig“.
4Das sagen die Kritiker des abgelehnten Haushaltes: Von der CDU kommen deutliche Worte. Die größte Fraktion im Stadtrat hatte den Haushalt abgelehnt und dafür wiederum viel Kritik einstecken müssen. Die Christdemokraten hätten mit dieser Entscheidung nicht verantwortungsvoll gehandelt, hieß es teils von den Haushaltsbefürwortern. CDU-Fraktionschef Stephan Otto sieht sich in der Ablehnung bestätigt. Er habe erwartet, dass die ADD nicht zustimme, sagt er. „Was da vorgeschlagen wurde, ist rechtswidrig.“
Ihn ärgert, dass Konsolidierungsvorschläge nicht ernst genug diskutiert worden seien – die Sparmaßnahmen, die die CDU vorschlug, seien sehr viel weitergehender gewesen, als das Sparpaket in Millionenhöhe, das am Ende beschlossen wurde. Christoph Schöll, Fraktionschef der FDP, sagt: „Den Haushalt haben wir abgelehnt, da nach unserer Einschätzung Sparpotenziale nicht voll ausgeschöpft wurden.“
Die WGS kritisiert indes die ADD: „Es ist eine bodenlose Frechheit, dass die Aufsicht- und Dienstleistungsdirektion den Koblenzer Haushalt für das Jahr 2025, global beanstandet.“ Der Stadtrat habe viele Sparmaßnahmen vorgenommen. Die AfD bringt durch Fraktionschef Joachim Paul zum Ausdruck: „Wie zuvor Minister Ebling erhöht nun die ADD den Druck auf Koblenz, die Grundsteuer zu erhöhen. Mit anderen Worten: Es soll nun noch mehr Geld für ein kommunal- und finanzpolitisches ,Weiter so!’ eingetrieben werden. Das lehnen wir ab.“
5Diese Lösungsmöglichkeiten gibt es: Zwei offensichtliche Möglichkeiten gibt es, um den Haushalt für die Genehmigungsbehörde zu „retten“: Die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben verringern. Vonseiten der CDU und der FDP gibt es ein klares Signal. Erst einmal müsse über weitere Sparpotenziale gesprochen werden, bevor die Erhöhung etwa der Grundsteuer diskutiert werden könne. „Für uns muss an erster Stelle der Wille stehen, ernsthaft den laufenden Haushalt zu konsolidieren“, sagt Otto.
Erhöhung der Grundsteuer B könnte Thema werden
Im Dezember hatte der Stadtrat den Hebesatz der Grundsteuer B nicht angehoben, sondern sich darauf geeinigt, darüber im Sommer nochmal rückwirkend sprechen zu wollen, wenn in Sachen Grundsteuerreform mehr Klarheit herrscht. Christoph Schöll (FDP) sagt: „Einstweilen lehnen wir weitere Erhöhungen der Grundsteuer B ab, zumal der Haushaltsmisere hier mit Erhöhungen aufgrund des relativ geringen Volumens nicht ansatzweise zu begegnen ist.“ Kim Theisen (Grüne) betont, man müsse nun verantwortungsvoll und im Sinne der Stadt entscheiden, welche Maßnahmen sinnvoll und notwendig sind.

Koblenz erhöht die Grundsteuer erstmal nicht
Koblenzer Grundstückseigentümer (und Mieter) müssen vorerst keine höheren Steuern zahlen. Das hat der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen. In einem halben Jahr könnte die Sache allerdings anders aussehen.
Aus Sicht von Marion Lipinski-Naumann ist OB David Langner jetzt als „guter Verhandler“ gegenüber der ADD gefragt. Langner betont derweil, schon über den Karneval habe es Gespräche gegeben. „Wir schauen, was noch an Einsparungen möglich ist.“ Auch über die Grundsteuer werde nochmal zu diskutieren sein. Über die bereits erhöhte Gewerbesteuer wolle man „eher nicht“ mehr sprechen.
Was in den Haushaltsdebatten generell bleibt, ist ein strukturelles Problem. „Es gibt Mehrausgaben, die teilweise vom Bund und dem Land herrühren, die wir tragen müssen, aber nicht verantworten“, betont Langner, der auch dem Vorstand des rheinland-pfälzischen Städtetages angehört.