Freude, Frust, Erleichterung, Enttäuschung: Die Koblenzer Bundestagskandidaten erlebten am Wahlabend die volle Emotionspalette. Josef Oster hat den Wahlkreis für die CDU klar gewonnen und bleibt locker in Berlin. Thorsten Rudolph (SPD) musste lange zittern und bangen, ehe auch er sich freuen durfte. So bewerten die Kandidaten ihr Abschneiden.
Josef Oster (CDU) fuhr den Wahlkreissieg früh, sicher und ungefährdet ein. Sein Erststimmenanteil von 35,7 Prozent deutete sich schon früh an. Als sich der Trend immer mehr verfestigte, machte sich zunächst Erleichterung breit, dann Freude bei ihm und seinen Parteifreunden im Koblenzer Weindorf. Er sagte: „Es ist sehr, sehr deutlich und mit diesem Abstand eine schöne Bestätigung für meine Arbeit im Wahlkreis.“ Bei den Zweitstimmen kam die CDU auf 31,5 Prozent, auch das spricht für Oster. Dennoch war er nicht ganz zufrieden, das Ergebnis im Bund war der Anlass: „Es war das klare Ziel, dass wir über 30 Prozent kommen. Das hat sich nicht bewahrheitet und ist sehr bedauerlich.“
In der Nacht zum Montag hellte sich die Stimmung wieder etwas auf, als klar war, dass das BSW haarscharf an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. Oster sagt: „Das ist eine sehr, sehr gute Nachricht. Die Frage war für Deutschland sehr, sehr bedeutend.“ Die Regierungsbildung werde nun vermutlich „etwas einfacher“.
Angesprochen auf den Unmut der SPD über Äußerungen von Wahrscheinlich-Kanzler Friedrich Merz, der SPD und Grüne auch als „linke Spinner“ beschimpft hatte, sagt Oster: „Alle haben einen sehr harten, intensiven Wahlkampf geführt. Von der SPD sind auch Begriffe wie ,Lügner’, ,Feigenblatt’ und ,Hofnarr’ gefallen. Da muss keiner mit dem Finger auf andere zeigen.“
Doch das sei jetzt vorbei. Die SPD brauche ein paar Tage, um sich zu sortieren, nach dem „desaströsen Ergebnis. Aber dann wird auch sie sicher Verantwortung für unser Land übernehmen.“ Und wahrscheinlich wie unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Juniorpartner eine Große Koalition mit CDU/CSU bilden.

Froh und extrem erleichtert über die Wiederwahl in den Bundestag, äußerst enttäuscht vom Gesamtergebnis der SPD: Für Thorsten Rudolph war es ein unglaublich emotionaler Abend. Und nervenaufreibend dazu. Denn er musste lange um den Verbleib in Berlin bangen. Dass Oster das Direktmandat gewinnen würde, deutete sich mit Auszählungsbeginn an. Es blieb die Hoffnung, es erneut über die Landesliste zu schaffen.
Dafür durfte aber nur ein Genosse in Rheinland-Pfalz einen Wahlkreis direkt gewinnen. Doch lange sah es so aus, als würde neben Kaiserslautern auch der traditionell rote Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal an die SPD gehen. Am Ende aber setzte sich dort der CDU-Kandidat mit 0,9 Prozentpunkten Vorsprung durch – und Rudolph war damit sicher wieder in Berlin. Er sagt: „Persönlich ist das unter den gegebenen Umständen ein gutes Ergebnis.“ Er holte am Ende 24,4 Prozent der Erststimmen, die SPD kam im Wahlkreis auf 19,5 Prozent der Zweitstimmen.
Im Bund spricht viel für eine Große Koalition, doch das ist für Rudolph „kein Selbstläufer. Die Äußerungen führender Unionsvertreter in den letzten Tagen haben mich mit gewissem Entsetzen erfüllt. Es ist nicht die Art, wie man unter Partnern Koalitionsgespräche führt. Das zielte auf Demütigung.“ Klar sei: „Wenn nur Schwarz-Blau oder Schwarz-Rot möglich ist, werden wir uns nicht vor der Verantwortung drücken.“ Die CDU habe die Wahl eindeutig gewonnen und müsse sich darüber klar werden, wen sie zu Gesprächen einlädt.
Joachim Paul erlebte den Wahlabend im Kreishaus in Ludwigshafen. Der Koblenzer wollte nicht nur für die AfD in den Bundestag, sondern auch Landrat im Rhein-Pfalz-Kreis werden. Beides hat nicht geklappt. Bei der Landratswahl verpasste er um 5,7 Prozentpunkte die Stichwahl, im Wahlkreis Koblenz kam er mit 16,1 Prozent an Erststimmen als Dritter ins Ziel.
Dazu sagt er: „Ich finde das Ergebnis toll, wir haben inzwischen richtige Hochburgen wie in Wallersheim.“ Vor der Wahl hätte er sich über „alles, was deutlich über zweistellig ist, sehr gefreut. Wir haben alle Erwartungen übertroffen, in katholischen Rheinstädten ist es für uns traditionell schwierig.“ Die Wähler würden eine „gute, sachorientierte Kommunalpolitik schätzen, gute Jugendarbeit und dass wir bereit sind, hier und da anzuecken“.

Grünen-KandidatinKim Theisen geht fest von einer Großen Koalition aus CDU und SPD aus: „Es gibt keine andere Möglichkeit. Die SPD muss wollen, sonst haben wir österreichische Verhältnisse.“ Sie findet „erschreckend, dass die AfD auch in Rheinland-Pfalz so stark ist“, glaubt aber nicht, dass es die „nächste Regierung einfacher haben wird. Die äußeren Umstände sind weiterhin sehr schwierig, und es bleibt keine Zeit zum Durchschnaufen.“
Ihr eigenes Ergebnis mit 9,7 Prozent der Erststimmen bewertet Theisen so: „Ich hatte mir natürlich mehr erhofft und glaube, dass einige versucht haben, taktisch zu wählen und ihre Erststimme Thorsten Rudolph gegeben haben, damit die CDU nicht das Direktmandat gewinnt.“ Bei den Zweitstimmen kommen die Grünen auf 11,6 Prozent. Auch hier hatte sich Theisen mehr erhofft: „Insgesamt verspüre ich keine große Enttäuschung, mache aber natürlich auch keine Luftsprünge.“

Über das für viele überraschend gute Bundesergebnis der Linken freut sich auch der Koblenzer Kandidat Oliver Antpöhler-Zwiernik (Die Linke): „Wir haben als Partei so viel gegeben, waren totgesagt.“ Er hielt 5,9 Prozent an Erststimmen. Viele Parteigenossen hätten ihm gesagt, dass sie Rudolph wählen würden, um Oster zu verhindern. Die 7,7 Prozent an Zweitstimmen seien für „eine SoldatInnenstadt richtig stabil und richtig gut. Wir tragen unseren Teil zum guten Gesamtergebnis bei.“ Zu einer künftigen Koalition sagt er: „Wir wünschen uns eine stabile Regierung.“ Er betont aber: „Wir unterstützen keine Merz-Regierung, die mit der AfD Stimmen generiert.“

Die gute Nachricht aus Koblenzer Sicht
Josef Oster und Thorsten Rudolph bleiben im Bundestag. Warum das eine gute Nachricht für Koblenz ist. Jan Lindner kommentiert den Wahlausgang.
Freie-Wähler-Kandidat Dennis Graf ist „mehr als glücklich“ über die 3,8 Prozent an Erststimmen: „Für mich als No Name ist das bombastisch. Mit so vielen Stimmen hätte ich nicht gerechnet.“ Bei den Zweitstimmen kam die Partei am Ende im Koblenzer Wahlkreis auf 1,9 Prozent. Der 45-Jährige ist neu in der Koblenzer Kommunalpolitik und kündigt an: „Ich will politisch weiter machen, das ist jetzt im Aufbau.“
Plötzlicher Tod von Herbert Mertin überschattet bei der FDP die Bundestagswahl
Bei der FDP wurde die Bundestagswahl überschattet durch den plötzlichen Tod des langjährigen Landesjustizministers Herbert Mertin. Der Koblenzer FDP-Kandidat Jonathan Voss sagte: „Das hat uns alle sehr getroffen, er war auch ein wichtiger Ratgeber.“ Voss kam bei den Erststimmen auf 3 Prozent, bei den Zweitstimmen waren es für die FDP im Koblenzer Wahlkreis 1,8 Prozentpunkte mehr. Für ihn ist klar: „Es hat nicht an den Leuten in Koblenz gelegen, wir haben einen sehr engagierten Wahlkampf betrieben.“
Das Ergebnis spiegle die Stimmung im Bund wider: „Wir haben es nur geschafft, einen sehr kleinen Teil unserer potenziellen Klientel anzusprechen. Und es wurde auch nicht gut kommuniziert.“ Für ihn ist klar: „Ich will mich weiter einsetzen für eine starke, liberale Partei, für die die Freiheit des Individuums an erster Stelle steht. Es geht jetzt an die Arbeit.“
Sehr hohe Wahlbeteiligung
Das Koblenzer Zweitstimmenergebnis ist immerhin etwas besser als im Bund, wo die Liberalen heftig um den Verbleib im Bundestag zitterten, am Ende vergeblich. Voss sagt: „Wir warten das amtliche Endergebnis ab. Wir hatten einen sehr engagierten Wahlkampf. Ich danke allen, die an den Wahlkampfständen gestanden haben.“
Auch Dominik Rapp (Volt) spielte erwartungsgemäß keine Rolle im Wettstreit um das Direktmandat. Er kam am Ende auf 1,4 Prozent.
Die Wahlbeteiligung im Koblenzer Wahlkreis lag bei 82,2 Prozent (2021 waren es 76,2 Prozent). 155.945 Wahlberechtigte haben diesmal ihr Kreuz gemacht. Die Wahl verlief lauf Stadtverwaltung nahezu reibungslos; teils reichten allerdings die Wahlzettel nicht aus.