Von unserem Redakteur Hartmut Wagner
Er wartete und wartete. Dann ging er zur Polizei und zeigte sich selbst an: „Ich habe keine Ruhe mehr, will einen Schlussstrich ziehen.“ Warum? Der Tresor war leer, die Tankstelle ruiniert – das Geld weg.
Jetzt hat das Schöffengericht Koblenz den Mann wegen Untreue zu 15 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Er legte ein Geständnis ab, gab dem Versicherungsmann aber eine Teilschuld: „Er machte mich gierig.“ Sein Traum vom Börsengewinn mutierte zum Albtraum: Um den Schaden der Tankstelle zu begleichen, musste er sein Konto plündern, sich Zehntausende Euro von Freunden und Bekannten leihen. Jetzt zahlt er monatlich 300 Euro zurück – wohl gut zehn Jahre lang.
So verzockte der Azubi laut eigener Aussage das Geld seines Arbeitgebers: Im April 2015 kommt ein Mann in die Tankstelle und kauft für 500 Euro mehrere Paysafe-Karten. Paysafe ist ein elektronisches Zahlungsmittel. Man erwirbt einen 16-stelligen Zahlencode, verwandelt ihn im Internet in Geld und geht damit auf Shoppingtour.
Der Mann kommt fast täglich in die Tankstelle, kauft für rund 10 000 Euro immer mehr Paysafe-Karten – bis der Auszubildende wissen will, was er damit macht. Der Mann erzählt, dass er Auszubildender eines Versicherungskonzerns ist, mit den Karten an der Börse spekuliert und aus 100 ganz schnell 1000 Euro macht. „Willst du auch so viel verdienen?“, soll er den Tankstellen-Azubi gefragt haben. Er lasse ihn gern an seinem Erfolg teilhaben – bräuchte dafür aber etwas Geld.
Was dann geschieht, schilderte der Azubi im Prozess so: Er lässt sich vom Versicherungsmann erklären, wie er seine Gewinne macht. Er versteht ihn nicht, vertraut ihm aber, gibt ihm 200 Euro aus eigener Tasche, dann rund 3000 Euro aus dem Tankstellentresor. Dann noch mal 3000 Euro. Und noch mal. Zwischen 15. Juli und 7. August insgesamt 18-mal. Mal gibt er ihm das Geld in der Tankstelle, mal hinterlegt er es in einem Hof, mal überweist er es.
Er sieht das Geld nie wieder. Die Tankstelle gerät in große Not, kann Rechnungen nicht mehr bezahlen, steht vor dem Ruin. Als es nicht mehr anders geht, gesteht der Auszubildende alles seiner Chefin und geht zur Polizei.
Die Tankstellenchefin hat den 23-Jährigen nicht gefeuert, will ihn künftig aber streng kontrollieren. „Jeder hat eine zweite Chance verdient“, sagte sie im Prozess.
Wo sind die 55 000 Euro geblieben? Das ist unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch gegen den Versicherungsmann. Er sollte im Prozess eigentlich als Zeuge aussagen. Er kam aber nicht.