Nässe und Kälte, teilweise mangelnde Hygiene und unversorgte Wunden: Wohnungslose sind einem hohen Risiko für Erkrankungen und Infektionen ausgesetzt. Doch ausgerechnet sie haben oft kaum Zugang zu Ärzten – auch in Koblenz. Mit kostenfreien Impfungen wollen zwei Studierende das ändern. Über ein Projekt, bei dem es um mehr geht als den kleinen Piks.
Zwei Termine, 20 Geimpfte: So lautet die bisherige Bilanz des Impfprojekts, das Andreas Wilting und Anna Lena Gerz ins Leben gerufen haben. Beide studieren Soziale Arbeit an der Hochschule Koblenz, das Projekt ist Teil einer Praxisphase. „Wir waren unsicher, wie es laufen würde, aber das Angebot wird gut angenommen“, sagt der 34-Jährige mit Blick auf die ersten beiden Termine im Mai und Juli dieses Jahres.
Durchgeführt wurden sie im Wohnungslosenrestaurant „Mampf“ im Stadtteil Lützel sowie in der Fachberatungsstelle der Caritas am Koblenzer Schloss. „Das Aufteilen auf zwei Räumlichkeiten macht für uns absolut Sinn“, betont Wilting. So würden zwei Einzugsgebiete abgedeckt, die Wohnungslosen müssten keine weiten Wege zurücklegen und könnten dort geimpft werden, wo sie ohnehin oft sind und sich wohlfühlen. Auch die noch anstehenden Termine im November folgen diesem Prinzip.
Alle in schwierigen Lebensumständen sind willkommen
Doch wie läuft das Impfen ab und wer darf kommen? „Wir möchten niemanden per se ausschließen. Das Projekt richtet sich an die Menschen im System der Wohnungslosenhilfe“, sagt Wilting. Dies schließe teils auch Menschen ein, die eine Wohnung haben, aber wegen schwieriger Lebensumstände ebenfalls Hilfe benötigen. Ob jemand krankenversichert ist, ist nicht entscheidend.

„Es ist immer ein Arzt da, der eine Hausarztpraxis hat“, erklärt Wilting. Über den würden die Impfungen für Versicherte abgerechnet. Das Impfen von Menschen ohne Versicherung finanziert hingegen der Verein MediNetz Koblenz über Spenden. Der Verein hat das Ziel, die Gesundheit von Personen ohne Krankenversicherung zu verbessern. Er stellt außerdem die Mediziner für die Impftermine.
Letztere laufen nach einem einfachen Prinzip ab. Zunächst findet ein Aufklärungsgespräch statt, bei dem ein Arzt den Interessierten über die Impfung und mögliche Risiken aufklärt. Entscheidet sich die Person für die Impfung, geht es einen Raum weiter, wo ein Arzt die Impfung durchführt. Acht verschiedene Impfstoffe stehen zur Verfügung.
„Wir können das anbieten, was die Ständige Impfkommission empfiehlt“, sagt Wilting. Wegen der Gefahr, die von offenen, nicht versorgten Wunden ausgehe, sei insbesondere die Tetanusimpfung wichtig für Menschen, die auf der Straße leben. „Wohnungslose bilden eine extreme Risikogruppe“, betont Anna Lena Gerz. Für die Termine im November rechnet die 31-Jährige aufgrund der Jahreszeit jedoch vor allem mit einer hohen Nachfrage nach Grippe- und Coronaimpfungen.
Skepsis seit Corona gewachsen
Die Pandemie, sagt Gerz, habe die Einstellung zum Impfen verändert: „Seit Corona gibt es eine gewisse Impfskepsis, das merkt man schon“. Umso wichtiger seien die Gespräche, die beide im Vorfeld mit Wohnungslosen führen, auf der Straße und in den Einrichtungen. Hierbei gehe es nicht darum, zu überzeugen, betonen Gerz und Wilting. Vielmehr wollen sie informieren, Möglichkeiten aufzeigen, Vertrauen aufbauen.
Besteht Interesse, nehmen sie die persönlichen Daten auf, fragen Vorerkrankungen, Allergien und frühere Impfungen ab. Dann beraten sie mit der Person, welche Impfungen sinnvoll sein könnten. „Die Vorauswahl und das Organisieren entlasten die Ärzte am Impftermin“, sagt Wilting. Doch auch spontan am Impftermin vorbeikommen sei kein Problem.

Bei den Gesprächen, erklärt Wilting, gehe es aber oft auch um mehr: „Die Gespräche dauern meist relativ lang, wir sprechen über die gesamte Situation der Menschen und über verschiedenste gesundheitliche Belange“. Das Impfgespräch könne somit vielseitig weiterhelfen und der erste Schritt zum Wiedereinstieg ins Gesundheitssystem sein. „Wir können Anlaufstellen der Wohnungslosenhilfe nennen oder sagen: ‚Geh doch mal zur kostenfreien Sprechstunde von MediNetz‘“, so Wilting.
Nachhaltiger Weg, um Gesundheit zu fördern
Und warum haben sich die beiden für dieses Projekt entschieden? Zunächst, sagt Wilting, habe er über „Medical Streetwork“ nachgedacht, die medizinische Versorgung Wohnungsloser mit einer mobilen Arztpraxis. Doch das sei personal- und kostenintensiv und daher auf Dauer kaum zu stemmen.
Dann sei MediNetz mit der Impfidee auf ihn zugekommen und das fand er super. „Es ist ein relativ einfacher und nachhaltiger Weg, die Gesundheit zu fördern“, sagt Wilting. In der Hochschule erzählte er Gerz davon, sie war begeistert und machte mit. Neben MediNetz Koblenz unterstützt auch der Verein „Die Schachtel“, der Koblenzer Wohnungslosen hilft, das Projekt. „Wir sind dafür sehr dankbar, die Kooperation läuft wirklich super“, sagt Wilting.
Impftermine und Spenden
Im November sind zwei Impftermine für Wohnungslose geplant: Am 8. November im „Mampf“, Gartenstraße 12, im Stadtteil Lützel, von 12 bis 14 Uhr, sowie am 29. November bei der Caritas, Neustadt 20, in Koblenz von 12 bis 14 Uhr. Die Vereine „Die Schachtel“ und „MediNetz Koblenz“, die das Projekt unterstützen, sind bei ihrer Hilfe für Wohnungslose auf Spenden angewiesen. Informationen hierzu finden sich auf den Internetseiten der Vereine.