Wenn eine ganze Woche völlig normal läuft in der Kita, dann ist es fast wie ein Sechser im Lotto, hört man immer wieder. Oft bekommen Eltern am Morgen gesagt, sie müssen das Kind bis 12 oder 14 Uhr abgeholt haben. Wie organisiert man das, wenn man selbst wichtige Termine auf der Arbeit hat? Das spielt dann keine große Rolle. Kann nicht, denn die Kitas machen das ja nicht zum Spaß. Aber wenn Kolleginnen und Kollegen krank werden, ist die Betreuung der Kinder eben nicht mehr sicher gewährleistet. Dann muss die Einrichtung reagieren.
In Koblenz fehlen Hunderte von Kita-Plätzen. Und es fehlen Fachkräfte, sodass in manchen Kitas Gruppen leer stehen, nicht genutzt werden können, obwohl der Bedarf riesig ist. Der Mangel führt auch dazu, dass immer wieder Betreuungszeiten gekürzt werden müssen, Kinder nicht an jedem Tag in der Woche in die Kita gehen, Aktivitäten in den Einrichtungen verschoben oder aufgegeben werden müssen.
Und er führt zu Frust. Bei den Familien, den Erzieherinnen und Erziehern, manchmal auch bei den Arbeitgebern, weil eine junge Mutter oder ein junger Vater sich immer wieder abmelden muss oder nicht aus der Elternzeit zurückkommen kann, weil kein Betreuungsplatz zur Verfügung steht.
Eine extrem schwierige Situation – und eine unlösbare? Wir haben bei unseren Interviews im Vorfeld der Kommunalwahl mit Kandidaten der Listen und Gruppen gesprochen, die in den Stadtrat einziehen möchten. Welche Ideen haben Sie, was die Stadt selbst tun kann, um zumindest teilweise Erleichterungen herbeizuführen? Die Antworten listen wir alphabetisch nach den Nachnamen der Kandidaten.
Antpöhler-Zwiernik (Die Linke)
„Wir sollten nicht nur auf den Bedarfsplan schauen“, sagt Oliver Antpöhler-Zwiernik, Ratsmitglied und Spitzenkandidat der Linken in Koblenz. Vielleicht gebe es gerade keinen passenden Kitaplatz nahe der Wohnung, aber dafür einen, der in der Nähe des Arbeitsplatzes liege, da müsse man viel flexibler sein. Ein weiterer Ausbau der Kitas sei wichtig, auch und vor allem in kommunaler Hand. Die meisten Kitas in Koblenz sind nämlich in kirchlicher Trägerschaft.
Lipinski-Naumann (SPD)
Marion Lipinski-Naumann (SPD) weiß, wie belastend die Situation für viele Familien ist, wenn die Kinderbetreuung nicht zuverlässig zu regeln ist. „Wir bauen ja als Stadt gerade auch große Kitas, zum Beispiel in der Goldgrube, das gibt noch einmal einen Schub“, sagt die Kommunalpolitikerin, die seit Jahrzehnten im Rat ist und auf Platz 4 der SPD-Liste kandidiert. Aber am Mangel an Erziehern ändere das natürlich erst mal nichts. „Wir müssen schauen, dass wir auch andere Mitarbeiter dort einsetzen, beispielsweise für organisatorische Dinge, um die Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten“, sagt sie. Die Stadt bildet ja selbst seit geraumer Zeit auch Erzieherinnen und Erzieher aus, das müsse man noch weiter vorantreiben.
Niedt (Die Partei)
Florian Niedt (Die Partei): Der 39-Jährige, der auf Platz 2 der Partei Die Partei kandidiert, erklärt: Die Partei setze sich ja für Eliteförderung ein und strebe deshalb eine Bildungspartnerschaft mit Amazon an, damit jedes Kind Zugang zu einer Alexa habe. Zudem befürworte die Satirepartei, dass in den Kitas ein Schnitzeltag pro Woche eingeführt werde, allerdings mit Schnitzel aus pflanzlichem Fleischersatz.
Otto (CDU)
Stephan Otto (CDU), der auf Listenplatz 3 seiner Partei für die Kommunalwahl steht, macht sich selbst regelmäßig ein Bild von der Situation in Kitas, wenn er seine Enkeltochter hinbringt oder abholt, „und ich kann nur sagen, sie fühlt sich sehr wohl, und die machen sich wirklich extrem viel Mühe“. Es sei aber ein echtes Dilemma, dass gute Qualität in der Betreuung und Erziehung der Kleinkinder natürlich extrem wichtig ist, dass es aber diesen enormen Fachkräftemangel im Bereich Erzieher gebe. Sehr viele Möglichkeiten hätten die Kommunen da nicht, sagt der Fraktionsvorsitzende. Aber das Mindeste sei eben, dass die Stadt selbst auch ausbildet. Und das tue sie. Dafür müsse das Land dann aber auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.
Schöll (FDP)
Christoph Schöll (FDP) war zuletzt in der Kita im Kreutzchen in Neuendorf. „Da wurde uns vor Augen geführt, und zwar drastisch, dass im alten Kitabau ein massiver Instandsetzungsbedarf besteht.“ Für die FDP sei es absolut klar, dass Maßnahmen in diesem Bereich auch gefördert werden müssen. „Beste Bildung“ stehe schließlich ganz oben auf der Agenda der Partei. Schöll fände es wichtig, dass die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher wertgeschätzt und entsprechend entlohnt wird. „Das ist aber passiert, das ist genau wie im Altenpflegebereich, da sind die Tarife auch massiv angehoben worden“, sagt der FDP-Spitzenkandidat und derzeitige Fraktionsvorsitzende. Er sieht Bund und Land gefordert, den Beruf attraktiver zu machen.
Schupp (Wählergruppe Schängel)
Torsten Schupp (Wählergruppe Schängel) findet: „Wir tun gerade schon enorm viel“, immerhin gebe es auch jetzt wieder einen großen Neubau in der Goldgrube. Aber natürlich werde man nie fertig: Andere Einrichtungen seien dringend sanierungsbedürftig. „Für mich ist die Krux die Ausbildung, und das kann nicht die Stadt stemmen, sondern da muss eine Neuregelung her“, sagt der Spitzenkandidat der Wählergruppe, der schon seit 2009 im Rat ist, zuvor zehn Jahre für die FDP und seit 2019 in der Wählergruppe. Es könne nicht sein, dass angehende Erzieherinnen bis zu vier Jahre in eine Ausbildung gehen müssten, andere Berufe seien ja auch in zwei Jahren zu lernen. „Und für ihre Ausbildung müssen Erzieher teilweise noch Geld mitbringen, das ist absurd.“
Theisen (Die Grünen)
Kim Theisen, Spitzenkandidatin der Grünen, weiß: Rund 400 Kita-Plätze in Koblenz fehlen. Aber nur fünf der vielen, vielen Kitas in der Stadt sind ja überhaupt auch in städtischer Trägerschaft, darauf weist sie hin. Das sei deshalb wichtig zu bedenken, weil die Stadt nur in den eigenen Einrichtungen auch selbst Fachkräfte ausbilden kann. Je mehr Erzieher es in städtischen Einrichtungen gebe, desto mehr können auch ausgebildet werden, weil dann mehr Kapazitäten beim Personal für die Ausbildung bestehen, bewertet Theisen.
Insofern hofft sie sukzessive zumindest auf eine leichte Entspannung. Ein weiteres Problem sei, dass Erzieherinnen und Erzieher in Koblenz beklagten, dass die Fortbildungsmöglichkeiten nicht so gut seien wie in anderen Kommunen, das gelte auch für die Arbeitsbedingungen. „Und da kann die Stadt verhältnismäßig leicht etwas ändern, um die Abwanderung zu verhindern.“
Wefelscheid (Freie Wähler)
Stephan Wefelscheid, Stadtratsfraktionschef und Spitzenkandidat der Freien Wähler sagt: „Es ist das alte Problem: Das Land hat Regelungen aufgestellt, die an der Praxis vorbeigehen.“ Es möge gute Gründe für eine akademische Ausbildung auch bei den Erzieherinnen geben: „Aber was nützen uns Standards, wenn das Personal fehlt?“ Man könne nur hoffen, dass sich ganz viele junge Leute für den Erzieherinnenberuf entscheiden würden: „Aber das liegt natürlich nicht in meiner Hand.“