Studierendenausschuss (Asta) zieht Kosequenz aus sexistischer Werbung
Keine Erstipartys mehr im Agostea: Koblenzer Asta trifft Entscheidung gegen Club
Partys in Klubs und Diskotheken sind manchmal wild, und viele Menschen feiern in ihrer Jugend gern. Manche „Angebote“ aber empfinden viele als grenzwertig.
picture alliance/dpa

Die sexistische Werbung des Agostea, mit dem die Disco zuletzt mehrfach weibliche (und damit auch männliche) Nachtschwärmer anlocken wollte, hat ein Nachspiel: Dort werden ab sofort keine Erstsemesterpartys mehr stattfinden. Das hat der allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität Koblenz beschlossen.

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Partys in Klubs und Diskotheken sind manchmal wild, und viele Menschen feiern in ihrer Jugend gern. Manche „Angebote“ aber empfinden viele als grenzwertig.
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Am Montag wird die Entscheidung per Newsletter den Studierenden mitgeteilt. Damit zieht das hochschulpolitische Gremium als erstes in der Stadt öffentlich Konsequenzen aus den umstrittenen Werbeaktionen der Koblenzer Diskothek.

In dem Astaschreiben, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es: „Wir stehen als AStA nicht hinter diesen Aussagen und verurteilen Sexismus, Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art! Wir beenden hiermit unsere Zusammenarbeit mit dem Agostea und werden in Zukunft unsere Partys an anderer Stelle veranstalten.“

Lea Baur, Astareferentin
Lea Baur

Lea Baur, Astareferentin für intersektionalen Feminismus, kann als Urheberin dafür gesehen werden, dass der Asta sich mit dem Thema befasst und das Aus beschlossen hat. Im Telefonat mit unserer Zeitung sagt sie: „Der letzte Fremdgehen-Post war mein persönlicher Wachrüttelmoment.“ Lange habe sie einfach ignoriert, was da vor sich geht. Wir beantworten vier Fragen zum Thema.

1 Was war passiert? Das Agostea hat immer wieder für Partys mit Aktionen geworben, die Frauen dazu animieren sollten, sich möglichst knapp und sexy zu kleiden, möglichst früh in die Disco zu gehen oder ihre BHs dem DJ zu geben – so bekamen sie Gratisgetränke oder Freiverzehrgutscheine. Zuletzt wurde zum Fremdgehen und Betrinken aufgerufen „Wenn deine Mutter wüsste ...“, auch Männer waren angesprochen (wir berichteten).

Über die Mottopartys empörten sich Nutzer in sozialen Netzwerken wie Facebook. Kritisiert wurde, dass die Werbung sexistisch ist und Frauen auf ihr Geschlecht und auf Begierdeobjekte reduziert. Als Reaktion darauf passte das Agostea im Juli eine der Werbungen an und erklärte, dass auch Männer in Hotpants und High Heels in den Genuss von 15-Euro-Freiverzehrgutscheinen kommen.

Betriebsleiter Daniel Schug meinte damals auf Anfrage, die Kritik sei die Meinung einer kleinen Gruppe. „So langsam wird das Ganze lächerlich. Wir sehen uns in keinster Weise mit Sexismusvorwürfen konfrontiert. Vielleicht sieht das ein kleiner Teil so.“ Er wies darauf hin, dass solche Werbung seit 20 Jahren branchenüblich sei.

2 Wie kam es dazu, dass der Asta jetzt das Aus beschloss? Lea Baur kennt das Agostea seit wenigen Jahren von außen, selbst drin war sie erstmals in diesem Jahr. Bekannte rissen sie mit, erzählt die Koblenzerin. Ihr war es darin zu laut und zu voll. Als Erstsemesterstudentin stand sie 2019 schon einmal davor und beschloss, heimzugehen. Hunderte neuer Kommilitonen wollten nach der Kneipenrallye, die in kleinen Teams stattfindet, zur Erstiparty ins Agostea gehen. Ihr war es zu trubelig. Seitdem hat Lea Baur hin und wieder vom „Ago“ gehört, auch von Vorwürfen. „Ich sehe das auch ein bisschen als mein Verfehlen an, dass ich nicht hingeschaut habe, weil ich distanziert bin“, erklärt sie am Telefon.

Als sie zuletzt bei Freunden den geteilten Post zur Party „Wenn deine Mutter wüsste ...“ sah, wo zu betrinken und fremdgehen aufgerufen wurde, machte es Klick. „Ich fand es schrecklich, dass wir unsere Erstis ins Agostea schicken.“ Die 24-Jährige beschloss: „Wir müssen uns positionieren.“ Immerhin wird der Asta gewählt und vertritt auch die Interessen der Erstsemesterstudierenden. „Wir haben eine Präambel mit moralischen Richtlinien“, sagt Lea Baur. Sie findet schlimm, dass der Asta so lang dagegen gehandelt hat.

Früher fanden die Erstipartys in der Orientierungswoche zum Start des Sommer- und des Wintersemesters in der Uni-Mensa statt – seit einigen Jahren im Agostea. Lea Baur als Referentin für intersektionalen Feminismus beantragte, dass der Asta nicht mehr wegschaut und die Zusammenarbeit beendet. In der Stellungnahme, die heute verschickt werden soll, heißt es: „Liebe Studis*, der AStA möchte sich aufrichtig bei euch entschuldigen. Wir haben einen Fehler gemacht.“

Im Folgenden werden die Sexismusvorwürfe benannt und die starke Selektierung am Einlass der Disco. Unter den Studenten herrsche die Meinung, dass man lediglich zweimal im Jahr ins Agostea gehen könne, jeweils zur Erstiparty. „Bereits an dieser Stelle hätten wir feststellen müssen, dass Handlungsbedarf besteht“, heißt es weiter. Denn die Vorwürfe gegen die Disco waren allen bekannt.

Im Newsletter heißt es nun, dass man für die Erstis verantwortlich sei und diesen die Stadt und das Nachtleben vorstellen will: „Und zu diesem Nachtleben sollte [...] kein Sexismus gehören.“

3 Wie reagiert das Agostea auf die Nachricht? Betriebsleiter Daniel Schug schreibt auf Anfrage: „Wir haben bis dato keine konkreten Informationen dazu [Ende der Erstipartys, Anm. d. Red.] gehabt. Ansonsten haben wir unseren Standpunkt zu dieser Thematik klargemacht.“

4 Wo wird die nächste Erstiparty im April 2023 gefeiert? Das steht noch nicht fest und wird die Aufgabe des nächsten Erstsemesterreferenten und des entsprechenden Arbeitskreises sein, sagt Lea Baur. Vorteile am Agostea waren die Innenstadtlage und die schnelle Erreichbarkeit nach der Kneipenrallye. Zudem haben dort drin mehr als Tausend Studierende Platz. „Wir werden andere Möglichkeiten finden“, betont Lea Baur.

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