Es bleibt kompliziert. So könnte man die neu entbrannte Debatte zusammenfassen, in der so mancher Akteure zwischen den Stühlen sitzen. Es verwundert also nicht, dass die Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer (IHK), die als ein Sprachrohr der Wirtschaft eben nicht nur die Interessen des lokalen Einzelhandels, sondern auch den Investor im Blick haben muss, diplomatisch ausfällt. „Einerseits stellt sie durch eine mögliche Kaufkraftverschiebung ein Risiko für Einzelhändler und Innenstädte der umliegenden Städte dar. Andererseits könnte die Strahlkraft Publikum anlocken, was auch die Innenstadt Montabaurs zu schätzen weiß und das sonst zu anderen, größeren Outlet-Centern gefahren wäre“ heißt es auf Anfrage aus der IHK-Zentrale in der Koblenzer Schlossstraße.
Bis jetzt gibt es seitens des Investors nur eine Absichtsbekundung zur Erweiterung. Genau deshalb wurde die Kammer als Trägerin öffentlicher Belange bislang weder von der Politik noch der Verwaltung um eine offizielle Stellungnahme gebeten. Sollte sich das ändern, „werden wir uns mit den regionalen Ausschüssen und dem Ehrenamt beraten und alle Interessen abwägend und ausgleichend bei einer Positionierung miteinbeziehen“, betont die IHK.
Für den Koblenzer Einzelhandel kommt die Debatte zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Denn: Nicht nur vor dem Hintergrund der Corona-Krise, von der der Onlinehandel profitierte, sondern auch wegen der strategischen Neuausrichtung einiger Immobilieneigentümer ist die Lage angespannt.
So soll an der Ecke Löhrstraße/Pfuhlgasse ein Hotel gebaut werden (hier hatten ehemals Mayersche Buchhandlung und Zara große Einzelhandelsflächen). Und auch an der Ecke Görgenstraße zeichnet sich ein Wandel ab. Bekanntlich wird das Gebäude, in dem sich noch bis Jahresende das Bekleidungshaus Sinn befindet, abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden (wir berichteten). Der Schwerpunkt wird dann auf dem Bereich Wohnen liegen, es werden also Einzelhandelsflächen wegfallen. So mancher fürchtet bereits, dass die Einkaufsstadt Koblenz perspektivisch an Attraktivität verlieren könnte, wenn das Angebot geringer wird. Beim Stadtforum „Alle lieben Koblenz“, dem Dachverein der örtlichen Werbegemeinschaften, blickt man deshalb mit Sorge auf die aktuellen Entwicklungen.
„Innenstädte als soziale Räume und Märkte müssen geschützt werden. Sie sind als sozialer Raum und als Kern einer Stadt zu betrachten. Diese Vorgabe wird mit der Errichtung von großen Centern regelrecht konterkariert. Diese saugen, die Kaufkraft aus den nahe gelegenen Stadtzentren ab“, erklärt Christoph Krepele. Der Vorsitzende des Stadtforums ergänzt: „Die Genehmigung einer Erweiterung kann keine politisch unterstützenswerte Maßnahme sein – sie wäre eher schädlich und ohne erkennbaren Nutzen für die Bürger und die Region.“ Krepele erinnert auch an einen früheren Kompromiss. Demnach hatte man sich in Montabaur auf ein Center mit einer Dimension von 10.000 Quadratmetern verständigt. Untersuchungen hatten ergeben, dass eine solche Größe eine relativ geringe Außenwirkung auf den Handel in den umliegenden Gemeinden hat. Nicht nur aus Sicht des Stadtforums würde sich das bei der aktuell geplanten Verdopplung der Flächen gravierend ändern. Dem steht das Argument der Investoren entgegen, dass nur über eine erhebliche Vergrößerung die Anziehungskraft von „The Style Outlets“ auf lange Sicht erhalten bleiben kann.
Krepele weist darauf hin, dass schon die jetzigen Dimensionen des Centers nicht dem Landesentwicklungsprogramm IV entsprechen. Deswegen waren seinerzeit ein Zielabweichungsverfahren und ein Gerichtsbeschluss erforderlich. Ergebnis: Dem Handel in den umliegenden Gemeinden seien Umsatzeinbußen bis zu 10 Prozent zuzumuten: „Wenn der Investor nun nach ein paar Jahren die Fläche auf das Doppelte erweitern möchte mit der Begründung, dass ein wirtschaftliches Betreiben erst ab 20.000 Quadratmetern möglich sei, so ist davon auszugehen, dass er damals Politik und Regierung willentlich belogen hat.“
Ist also wieder einmal die berühmte Salamitaktik im Spiel? Für das Stadtforum ist klar, dass dem Investor schon damals bekannt war, dass Wirtschaftlichkeit und der notwendige Einzugsbereich erheblich erweitert werden müssen. Für Christoph Krepele ist klar: Sollten die Erweiterungspläne tatsächlich umgesetzt werden, wird der seinerzeit gerichtlich festgelegte Rahmen überschritten. Er nimmt die Politik in die Pflicht, darauf zu achten. Denn: Als es um das Koblenzer Forum Mittelrhein gibt, akzeptierte der Investor die Flächenbegrenzung. Würde im Falle von Montabaur jetzt anders verfahren, wäre das nicht nur eine Wettbewerbsverzerrung, sondern perspektivisch auch eine Maßnahme mit nachteiligen Auswirkungen auf den gesamten regionalen Arbeitsmarkt.