Sie haben wieder eine entdeckt, ein Zufallsfund auf einer Versteigerung: Inge von Geldern (60), Bernhard Kirsten (62) und Andreas Kreuter (34) tauschen sich über den Fund aus. Es geht, ganz klar, um Wein. Konkret um eine Flasche aus dem Jahr 1963. Was drin ist? Riesling natürlich, sagt Kirsten. Was drauf steht ist spannender: Die Flasche stammt vom ehemaligen Weingut Schloss Liebieg – unter dessen Firmierung seit 2018 nun auch das Weingut Bernhard Kirsten läuft.
In dem Jahr wurde aus Weingut Kirsten das Weingut Schloss Liebieg GmbH, dasselbe Jahr in dem Geschäftsführer Andreas Kreuter das gleichnamige Schloss Liebieg in Kobern-Gondorf kaufte. Die Pläne für das mehrere hundert Jahre alte Gebäude – ein Ritter Marsilius von Gondorf hat zwischen 1255 und 1272 eine Burg an der Stelle errichten lassen – waren enorm: historischer Rückbau Hand in Hand mit dem Denkmalschutz, Einrichtung einer Vinothek, ein hochmoderner Weinkeller, dort wo sich eine Autoausstellung befand.
Hang abgetragen und „nebenbei“ römische Villa entdeckt
Die Bauarbeiten gingen zügig voran, von außen wie von innen machte man klar: Hier passiert etwas. Selbst der nahe gelegene Hang wurde abgetragen, um dem Weinkeller Raum zu verschaffen – dabei stieß man „nebenbei“ auf eine römische Villa. Doch dann kam Corona, die Arbeiten mussten eingestellt werden. Es folgte der Ukrainekrieg, gestiegene Zinsen, Materialknappheit und das plötzliche Versterben des Architekten. Die Baustelle blieb mehr als zwei Jahre verwaist. Ende 2022 dann die Sicherheit zu einem Verdacht, der im Raum stand: das Projekt ist beendet. Stattdessen suche man einen neuen Besitzer, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung an den Pforten des Anwesens.
Wein- und nicht Schlossbauer
Eine Botschaft hat Kreuter beim RZ-Gespräch an die Einwohner der Region: „Wir sind da und machen weiter“ – allerdings eben als Wein- und nicht als Schlossbauer. Man sei an Herausforderungen gestoßen, die gezeigt haben, „dass wir keine Projektentwickler sind“. Solche Projekte kosten viel Kraft, Ressourcen und Zeit, sagt Kreuter, neben einem Weinbaubetrieb sei das nicht stemmbar. Während Corona hatte man Zeit sich neu zu orientieren und die Frage zu klären, was der Fokus ist, den sie setzen wollen, sagt Kreuter. Und der sei, hochwertigen Wein und Sekt zu produzieren.
Wir haben weder ein Zeit-, noch ein Finanzproblem, das Schloss darf erst mal ruhen.
Andreas Kreuter
So jemand zu finden, könnte lange dauern, das ist allen klar: „Wir haben weder ein Zeit-, noch ein Finanzproblem, das Schloss darf erst mal ruhen“, sagt Kreuter. Die Baustelle sei an einem Punkt, an dem sie eine Weile liegen bleiben könne: Die Decken wurden ertüchtigt, es wurde hochwertig saniert, die Fenster wurden noch abgedichtet, um das Gebäude geschlossen zu halten. Es fehlen Heizung, Lüftung und Sanitäranlagen.
Natürlich wäre es gut, wenn sich zeitnah jemand findet, sagt Inge von Geldern, und natürlich sei es für ein altes Gebäude nicht ideal, wenn es nicht genutzt wird. Aber das Hauptaugenmerk liegt darauf, Schloss Liebieg in gute Hände kommen zu lassen, auch wenn dies vielleicht zwei Jahre dauert. Optisch wolle man die Anlage schön halten. Ein Gärtner soll sich um die Grünflächen kümmern, damit sie nicht weiter verwildern. Ein Loch in der Mauer, durch das Baumaschinen aufs Gelände gekommen sind, wurde bereits geschlossen.
Es stimmt, man habe die Anlage über die vergangen zwei Jahre vernachlässigt, gibt Kreuter zu, es sah schon traurig aus, mit den eingerissenen Folien vor den leeren Fenstern, aber man musste sich erst mal neu orten. „Wir sind mit soviel Schwung losgaloppiert, dass wir uns erst mal eingestehen mussten, dass wir uns vergaloppiert hatten.“
Wie viel Geld bisher in die Hand genommen wurde, kann Kreuter nicht abschätzen. Fest steht: Das Schloss war eine Wundertüte, vom Keller, der per Hand ausgegraben wurde, bis zu den denkmalgeschützten Decken, die für einen Hotelgebrauch neu ertüchtigt werden mussten. Das Dach sei in Handarbeit gefertigt worden, für die Fugen habe man alte Masse analysieren und neu mischen lassen. Nun sei alles in einem Rahmen, der kalkulierbar für einen neuen Investor sei. Man wisse, dass es für die Region anspruchsvoll war, die Zeit auszuhalten und sei sich der Verantwortung bewusst. Nur den Erstbesten wolle man nicht nehmen, sondern auf Nachhaltigkeit setzten: „Es muss passen, zum Ort, zum Konzept und zum Gebäude. Wir möchten für die Region etwas schaffen, was Ausstrahlungskraft hat.“
Doch wie sucht man überhaupt nach einem neuen Investor für ein Schloss? Man habe ein Planungsbüro beauftragt, alles zusammenzuschreiben; wo liegen Baulasten, wo Fundstücke? Es sei eben eine Spezialimmobilie mit vielen Parametern. Entsprechend könne man auch nur einen Spezialmakler beauftragen – was noch nicht geschehen ist – und einen Spezialpreis zusammen bestimmen: „Ob es dann im Ganzen verkauft wird oder man zusammen etwas Neues entwickelt, muss besprochen werden.“ sagt Kirsten. Man sei offen für vieles, auch dazu als Team konzeptionell gemeinsam unterwegs zu sein. So müssten gewisse Vorarbeiten von einem neuen Besitzer nicht mehr geleistet werden, die Hausaufgaben könne er direkt von den Vorbesitzern abschreiben. Ein Schmankerl: Zum Schloss gehört auch das Nachbargrundstück mit dem alten Gasthof.
Es geht nicht um Wertschöpfung, sondern darum, etwas zu schaffen, was wirklich schön ist (...)
Andreas Kreuter
Wie lief die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz? Auch die obere Denkmalschutzbehörde auf Landesebene sei miteinbezogen gewesen, was die Zusammenarbeit anspruchsvoll gemacht hätte: „Einfach weil sie nicht vor Ort waren“, weiß von Geldern. Stieß man auf historisches Material, musste jemand vorbeikommen, um es sich anzusehen. Dies geschah in Sammelterminen. Auch Entscheidungen, die durch die untere Denkmalschutzbehörde bereits getroffen worden waren, konnten durch die obere wieder zurückgezogen werden: „Behördlich war das sehr zäh“, sagt Kreuter. Deswegen sei man auch mit den Fenstern noch nicht weiter. Gerade bei den Fenstern spielt neben Denkmalschutz auch die energetische Sanierung eine Rolle: „Klar, kann ich alte Fenster einbauen, aber das ist ein energetisches Loch“, sagt Kreuter.
Was wünschen sich die Weinbauer für ihr Schloss im Dornröschenschlaf? „Das Schönste wären, jemanden zu finden, der unser Konzept weitestgehend übernimmt und mit uns zusammenarbeitet“, sagt Bernhard Kirsten. Es solle ein lebendiger Ort werden. „Es geht nicht um Wertschöpfung, sondern darum, etwas zu schaffen, was wirklich schön ist, ohne reine Renditeabsicht. Deswegen ist es auch so schwierig über Zahlen zu sprechen, weil es um eine Vision geht. “