Die Jesuitengasse verbindet den Entenpfuhl mit dem Jesuitenplatz. Sie ist schmal, hat kleine Geschäfte und ein Café und erinnert ein bisschen an eine Gasse in Italien. Das war es, was Carina Nennstiel und Kevin Gilow auch sofort gefallen hat. Ein perfekter Ort für ihre Sprizz Bar. Das Sprizz Atelier soll Leichtigkeit vermitteln. Wie der Name vermuten lässt, gibt es hier Sprizz-Getränke. Und das Paar möchte Künstlern eine Bühne geben. „Bei uns hängen bewusst noch keine Bilder an den Wänden, weil wir Künstlern die Möglichkeit geben wollen, ihre Arbeiten bei uns zu zeigen. Deshalb das Atelier im Namen“, erklärt Gilow.
Die Renovierung des Ladenlokals - ein kleines Abenteuer. „Wir wussten nichts über das Gebäude“, erzählt Carina Nennstiel bei einem Treffen mit der RZ. Als sie es anmieten, gibt es keine Baupläne oder Ähnliches. „Das Haus wird in den Akten als Denkmal geführt, aber ohne weitere Informationen“, berichtet Kevin Gilow. Das Paar weiß nur das Baujahr - 1790 - und hat ansonsten zunächst keinerlei Pläne.

Das markante, schmale fünfgeschossige Gebäude in der Jesuitengasse 7 dürfte vielen bekannt sein. Denn die fein verzierte Fassade und der noch erhaltene Schriftzug „Papierhandlung A. Zürn Buchhandlung“ fallen auf. Aber nicht nur von außen ist das Gebäude mit den großen Schaufenstern besonders. Das Herzstück m Inneren ist eine Galerie, die über eine schmale alte Holztreppe erreichbar ist und von einem fein verzierten Geländer eingerahmt wird. In der oberen Etage sind heute kleine Sitzecken eingerichtet. Auch in den großen Schaufenstern zur Jesuitengasse dürfen nun Gäste Platz nehmen. Über das alte, noch original erhaltene und an die modernen Vorgaben angepasste Geländer geht der Blick nach unten. Das Treiben an der Bar ist immer sichtbar.

Und hier servieren sie seit Ende Februar ihre Spezialität: Sprizz in allerlei Variationen. Am bekanntesten dürfte der Aperol Sprizz sein. Den führen sie auch auf der Karte. Darüber hinaus aber viele weitere Varianten. Und auch eine Regionale haben sie kreiert: Einen Schängelchen Sprizz. „Neben dem Kowelenzer Schängelchen, einem Birnen-Quittenlikör, ist da unter anderem selbstgemachter Tonkasirrup drin“, erklärt Gilow. Neben alkoholischen haben sie aber auch sieben alkoholfreie Varianten im Angebot. Denn aus dem eigenen Freundeskreis wissen sie: Die Nachfrage nach alkoholfreien Getränken ist groß und steigt weiter. „Außerdem wollen wir alle erreichen“, betont Carina Nennstiel. Neben diesen Spezialitäten haben die beiden aber auch Espresso, Cappuccino und Co. im Angebot. Nur eine Küche gibt es im Sprizz Atelier nicht.

Auf die Frage, ob die Lage für eine Bar gut ist oder ob die Konkurrenz am nahen Jesuitenplatz nicht zu groß ist - denn das Sprizz Atelier hat draußen nur Stehplätze und keine Terrasse oder Ähnliches - sind die beiden sehr entschieden: „Wir sind keine Konkurrenz. Wir haben einen anderen Ansatz und ein anderes Konzept. Wir wollen eine Ergänzung sein“, ist das Paar sich einig. „Die Leute kommen auf einen Aperitif zu uns, bevor sie Essen gehen, oder auf ein Getränk danach“, sagt Gilow. Auch beim Preis haben sie einen anderen Ansatz: Ein Sprizz kostet fünf Euro.
Eigentlich wollte sich das Paar in der Nachbarschaft vorstellen. Doch dazu kommen sie gar nicht: „An unserem Eröffnungstag waren alle da, benachbarte Ladeninhaber sind gekommen und haben uns sehr herzlich willkommen geheißen“, sagt Nennstiel und ergänzt: „Es gibt ein tolles Miteinander hier und sogar einen Nachbarschaftsrabatt untereinander.“

Das Paar hat lange neben dem Studium in der Gastronomie gearbeitet. Carina Nennstiel ist in den letzten Zügen ihrer Promotion am Lehrstuhl für Marketing in Koblenz und Kevin Gilow steht kurz vor der Abgabe seiner Bachelorarbeit als Bauingeneur im Straßenbau. „Wir standen irgendwann vor der Entscheidung: Entweder hören wir jetzt mit der Gastro auf und steigen in unsere Berufe ein oder wir setzen alles auf die Gastro und machen was Eigenes“, erzählt Gilow. Es ist Letzteres geworden. Inspiriert von ihren Reisen beginnen sie, sich nach passenden Immobilien umzusehen.
Bei einem Spaziergang durch die Altstadt im Sommer 2024 hat das Paar die Räumlichkeiten gesehen. Genauer gesagt, Carina Nennstiel. Für die 33-Jährige war sofort klar: Das ist es. Ein erster Anruf beim inserierten Immobilienmakler war jedoch wenig erfolgreich. „Das Gespräch dauerte keine Minute“, erinnert sich Nennstiel und ergänzt: „Der Makler sagte, es sei nicht für Gastronomie ausgelegt“. Doch die beiden geben nicht auf. Sie bleiben dran und erfahren nach und nach, dass eine gastronomische Nutzung grundsätzlich möglich ist, aber einige bauliche Maßnahmen mit sich bringen müsste. Und die Kosten müssten sie selbst tragen.

Der Ehrgeiz der beiden ist geweckt. Sie erstellen einen Businessplan, sprechen mit den zuständigen Ämtern, holen sich Informationen von Handwerkern ein. „Zwei Monate lang haben wir uns informiert und kalkuliert. Am Ende hatten wir einen Businessplan und von allen Gewerken die Zusage, dass ein Umbau zu vertretbaren Kosten realisierbar sei“, sagt Gilow. Durch die vielen Gespräche mit den Handwerkern bekommt das Paar immer mehr Informationen über das Haus. Viele Elemente sind noch Original: Ein Stuck-Ornament zum Beispiel stammt aus dem Jahr 1850. Mithilfe des Maklers überzeugt das Paar am Ende auch die Eigentümerin. Sie dürfen das Haus in der Jesuitengasse 7 mieten. Und auch das Bauamt der Stadt Koblenz gibt grünes Licht und genehmigt den Bauantrag, der für die Nutzungsänderung (vom Einzelhandel zur Gastronomie) nötig ist. Die Kosten für den notwendigen Umbau im Erdgeschoss für Sanitäranlagen trägt das Paar. Die Hälfte zahlen sie aus eigenen Mitteln, die andere finanzieren Sie über einen KfW-Gründerkredit.

Es beginnen arbeitsreiche Monate. „Es war gut, dass wir das vorher nicht so genau wussten“, sagt Nennstiel. Sie lacht und ergänzt: „Vielleicht waren wir hier leicht naiv. Nicht, weil wir uns nicht informiert haben, aber weil wir dachten, dass es einfacher zu realisieren sei. Letztendlich war es aber gut, weil wir es sonst vielleicht nicht gewagt hätten.“ Viele Arbeiten erledigen sie selbst. „Das hat zu einer ganz anderen, einer engeren Bindung geführt“, sagt Gilow rückblickend.
Was sie während dieser Phase motiviert, sind nicht nur Freunde und Familie, die immer wieder mit anpacken, sondern auch die vielen persönlichen Gespräche, die sie führen. „Auf der Baustelle haben immer wieder Leute gefragt, was hier passiert und uns Geschichten und ihre Erinnerungen über das Haus erzählt“, erinnern sich die beiden. Nach und nach bekommt das Haus eine Geschichte. Gerade viele Ältere erzählen, dass sie in der damaligen Buchhandlung Fürst in den 50er- und 60er-Jahren ihre Schulbücher gekauft haben.

Die Renovierung des alten Hauses von 1790 hält für das Paar so manch eine Überraschung bereit. Die wohl größte: Ein altes Fenster zum Innenhof. „Nicht mal die Vermieterin wusste, dass es das gibt“, sagt Nennstiel und lacht. Es war hinter einer Lage Holzvertäfelung gut versteckt. Ein Fachmann konnte aufgrund der Leimung sagen, dass es aus dem Jahr 1870 stammen muss“, erläutert Gilow. Das Fenster gibt nun den Blick frei in einen kleinen Innenhof. „Der war schon in der Farbe von Aperol Sprizz gestrichen“, sagt Nennstiel und ergänzt „wir haben nur noch einen kleinen Olivenbaum dazu gestellt.“ Und diese Kombination aus der warmen Farbe, dem Hinterhofcharme und dem Olivenbaum lassen die Gäste für einen Moment vergessen, dass sie nicht in einer kleinen italienischen Gasse sitzen, sondern in Koblenz.

Spritz, Sprizz oder Veneziano
Drei Schreibweisen, die ein beliebtes Sommergetränk meinen. Dieses Mixgetränk aus Sekt, Mineralwasser und einem Likör ist seit 1920 in Venedig und Venetien beliebt. Seit einigen Jahren wird es im Sommer weltweit gern in Gläser gefüllt. Dabei variieren die Mischungen: Es sind immer drei Bestandteile. Im Koblenzer Sprizz Atelier ist Frizzante die Grundlage. Das wird dann mit weiteren Zutaten kombiniert.