Harald Orth hat eine Biografie über Hannelore Hermann verfasst: Die junge Jüdin wurde deportiert und ermordet
Junge Koblenzer Jüdin wurde deportiert und ermordet: Biografie über Hannelore Hermann verfasst
Stolpersteine in Koblenz für die Eltern und die Tochter. Die beiden Söhne konnten rechtzeitig emigrieren.
Doris Schneider

Koblenz. Über die Dielen, die Harald Orth in der Wohnung der Familie in der Vorstadt geht, ist auch Hannelore Hermann gehüpft. Einige Jahre hat sie mit ihrer Familie hier gelebt. Es waren glückliche Jahre. Doch die Zeiten wurden schwer und grausam für die jüdische Familie, bis sie letztlich 1942 mit den ersten großen Deportationen aus Koblenz weggebracht wurden. Nun wurde eine Biografie über sie verfasst.

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Stolpersteine in Koblenz für die Eltern und die Tochter. Die beiden Söhne konnten rechtzeitig emigrieren.
Doris Schneider

Hannelore und ihre Eltern sind von den Nazis getötet worden. Ein Buch, das der Koblenzer Harald Orth über das Mädchen und seine Familie geschrieben hat, lässt ihre Geschichte wieder aufleben.

Leben für Juden in Koblenz wurde immer schwieriger

Die Fakten sind schnell erzählt und auch in der Biografie, die sich auf der Homepage des Fördervereins Mahnmal findet, gut aufgearbeitet: Hannelore wird am 12. Juni 1928 geboren, sie hat zwei zehn und elf Jahre ältere Brüder. Ihr Vater ist Handelsreisender, die Mutter hat einen kleinen Laden, das „Strumpfeck“ in der Altstadt. Auch nach 1933 lebt die Familie zunächst einigermaßen normal, doch schon 1935 wandert ihr Bruder Kurt nach Palästina aus. Die Familie will folgen und lernt Hebräisch, doch sie verwerfen die Pläne, es hätte wohl Probleme mit Hannelores Einreise gegeben, weil sie zu jung war. Bruder Hans wandert in die USA aus, die Familie will wieder folgen und lernt Englisch, doch ohne Bürgschaft geht es nicht.

Unterdessen wird das normale Leben für Juden in Koblenz immer schwieriger, der Vater wird mehrfach vernommen, die Familie wird in ein Judenhaus umgesiedelt. Hannelore muss die Schule verlassen, darf später dann eine jüdische Schule besuchen. Versuche, wenigstens Hannelore nach Großbritannien oder Frankreich zu retten, scheitern.

Ehemaliger Lehrer Harald Orth möchte ihre Geschichte erzählen

Am 22. März 1942 wird die Familie mit mehr als 330 anderen jüdischen Bürgern aus Koblenz und Umgebung in Güterwaggons von Koblenz-Lützel aus in das Durchgangsgetto Izbica bei Lublin deportiert. Die meisten werden von hier ins Vernichtungslager Sobibor gebracht, vergast und verbrannt. Ob Hannelore und ihre Familie dabei waren oder schon auf dem Transport gestorben sind, davon gibt es keine Spuren.

In dem Zimmer, in dem Harald Orth die Biografie der jungen Jüdin Hannelore Hermann verfasst hat, hat sie möglicherweise als Kind gespielt. Denn ihre Familie hat in dieser Wohnung einige Jahre gelebt, bevor sie deportiert wurden.
Doris Schneider

Ihre Geschichte zu erzählen, ist dem ehemaligen Lehrer Harald Orth ein Anliegen. Bis die Stolpersteine für die Familie Hermann vor dem Wohnhaus in der Johannes-Müller-Straße verlegt wurden, dass nun den Orths ein Zuhause ist, wussten er und seine Frau nicht, dass die jüdische Familie in der großen Altbauwohnung gelebt hatte. Danach hat sich Harald Orth intensiver mit der Geschichte der jüdischen Familie beschäftigt, und im Corona-Lockdown hat er nun die Zeit gefunden, die Biografie zu verfassen. Zunächst hat er Literatur zu dem Thema gelesen, beispielsweise den Band von Elmar Ries oder die Lebensgeschichten jüdischer Familien von Hildburg-Helene Thill. Und als die Bibliotheken wieder öffneten, hat er viel Zeit im Landeshauptarchiv und im Stadtarchiv zugebracht und Akten gelesen. „Wenn man dann Originalbriefe von Hannelore Hermann an ihre Brüder oder Cousine in der Hand hat, das berührt einen sehr“, sagt er nachdenklich.

Orht hofft, auch junge Leute zu erreichen

In seinem Buch webt er nun Zeitgeschichte und die Familiengeschichte zusammen. In gewisser Weise ein Vorbild ist die Anne-Frank-Ausstellung in Berlin, sagt er, wo auf der einen Seite des langen Raumes das Leben des Mädchens geschildert wird, auf der anderen Seite weltgeschichtliche Ereignisse. Lange sieht es so aus, als hätten diese gar nichts mit der Lebensgeschichte des Mädchens zu tun, doch dann sieht man, wie sie immer mehr Einfluss nehmen. So ist das in Hannelores Leben auch: Das Mädchen ist fröhlich und wissbegierig, und doch wird sie in der Schule vom Lehrer beleidigt und beschämt, der die Fenster aufreißen lässt, weil es „im Klassenraum stinke“.

Hannelore Hermann.
StAK N 174 Nr. 1, S. 53

Oder sie muss tatenlos sehen, wie ihr geliebtes Klavier in der Reichspogromnacht aus dem Fenster geschmissen und zerschlagen wird. Dass die Koblenzer Synagoge nicht gebrannt hat, sei im Übrigen nicht darauf zurückzuführen, dass es hier keine oder nicht so gewaltbereite Nazis gegeben habe. „Es liegt eher an der Lage des Bürresheimer Hofs in der Altstadt“, sagt Orth. Auch aus anderen Städten sei bekannt, dass keine umgreifenden Feuer gelegt wurden, wenn die Feuer auf die Stadt hätten übergreifen können, sondern stattdessen das Innere der Synagoge zerstört worden sei.

Mit dem Buch möchte Orth aufmerksam machen, möchte seinen Teil dazu beitragen, dass die Bürger wachsam gegenüber rassistischen und antisemitischen Tendenzen sind. Und er hofft, auch junge Leute zu erreichen, die die Geschichte von Hannelore lesen. Einem ganz normalen Mädchen eigentlich, das aber nicht einmal 14 Jahre alt werden durfte. Weil sie Jüdin war.

Bei der Buchvorstellung am Freitag, 25. November, 17 Uhr in der Buchhandlung Reuffel wird Joachim Hennig vom Förderverein Mahnmal in das Thema einführen, begleitet wird die Veranstaltung mit Klezmer-Musik.

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