Kontrollteam prüft Wortwahl
Jugendliche befragen die Koblenzer Bundestagskandidaten
Zu manchen Fragen mussten sich die Koblenzer Direktkandidaten und ihre Vertreter durch grüne (stimme zu) und rote (stimme nicht zu) Kärtchen positionieren.
Sascha Ditscher

Informativ, respektvoll und vor allem leicht zugänglich für Kinder und Jugendliche sollte die Gesprächsrunde mit den Bundestagskandidaten im Kurt-Esser-Haus sein. Ein Kontrollteam hatte genau das im Blick. Und über drei Stunden viel zu tun.

„Die Kinderrechte gehören ins Grundgesetz, damit wir die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben in Deutschland.“ Klingeling! Oliver Antpöhler-Zwiernik wird von lautem Glockenläuten unterbrochen. Überrascht guckt er in den großen Saal des Kurt-Esser-Hauses am Koblenzer Hauptbahnhof.

Das Kontrollteam für jugendgerechte Sprache meldet sich zu Wort: Was „ratifiziert“ bedeutet, wollen sie wissen. Die Sprache der sieben Politiker auf dem Podium steht an diesem Abend besonders auf dem Prüfstand. Denn am wichtigsten ist, dass die Kinder und Jugendlichen im Publikum alles verstehen können.

Feddy Ben Mustapha darf 2025 zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl mitwählen und hat sich dafür schon intensiv mit der Politik beschäftigt.
Sascha Ditscher

Wenige Tage vor der Bundestagswahl haben sich die Direktkandidaten der Parteien für den Koblenzer Wahlkreis 198 bei dem Format „#nachgefragt“ den Fragen von Kindern und Jugendlichen gestellt. Josef Oster (CDU), Thorsten Rudolph (SPD), Dominik Schmidt (Grüne) in Vertretung von Direktkandidatin Kim Theisen, Joachim Paul (AfD), Oliver Antpöhler-Zwiernik (Die Linke), Jonathan Voss (FDP) und Heiko Kunz in Vertretung von Direktkandidat Dominik Rapp (Volt) standen bei dem Format Rede und Antwort. Dennis Graf, Kandidat der Freien Wähler, fehlte entschuldigt.

Aufmerksam aus der ersten Reihe verfolgt Feddy Ben Mustapha, was die Vertreter der Parteien zu den Themen Soziales und Wirtschaft, Migration und zur Demokratie zu sagen haben. Der 18-Jährige ist einer von insgesamt rund 2,3 Millionen Erstwählern, die diesmal erstmals bei einer Bundestagswahl mitstimmen dürfen. „Mir fällt die Wahl vielleicht ein bisschen leichter, als anderen in meinem Alter“, sagt Feddy. Die Politik interessiere ihn, was da vor sich geht, ist ihm nicht egal. Von den Direktkandidaten auf der Bühne wünscht er sich bei #nachgefragt, dass sie „den Menschen Motivation geben, dass man es schaffen kann“ und zukunftsorientierte Lösungen.

Bei #nachgefragt wurde ganz genau darauf geachtet, dass die Parteivertreter Begriffe erklären, die zu kompliziert sind.
Sascha Ditscher

Die Zukunft ist ein wichtiges Thema an diesem Abend. Unter den Zuschauern sitzen viele Jungen und Mädchen, die den Großteil ihres Lebens noch vor sich haben. Was die Politik entscheidet, wird für sie noch lange von Bedeutung sein. Manche von ihnen sind noch zu jung, um wählen zu dürfen – wobei nicht ganz. Wer unter 18 ist, kann nach der Fragerunde seine Stimme bei der U18-Wahl abgeben. Die ist nicht repräsentativ, ihr Ziel ist es aber, dass junge Menschen sich mit Politik beschäftigen – genauso wie bei „#nachgefragt“.

Die Moderatorinnen Lena Adams und Aglaia Fleming wollen etwa wissen, was die Parteien konkret in Zukunft gegen die Kinderarmut im Land tun wollen. Während ein Kandidat nach dem anderen spricht, läuft an einer Leinwand immer ein Timer ab. Jeder hat nur 90 Sekunden Zeit für seine Antwort. Wer überzieht, wird vom Glockenbimmeln abgewürgt.

Die sieben Parteivertreter positionierten sich zur Wirtschaft, sprachen über die Debattenkultur in der Politik und über die Gefahren des Internets als rechtsfreier Raum.
Sascha Ditscher

FDP-Kandidat Jonathan Voss sagt, die Chance auf Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Klingeling! Thorsten Rudolph (SPD) meint: „Wir müssen gucken, dass alle Kinder einen Schulabschluss machen können.“ Josef Oster und die CDU wollen das Kindergeld erhöhen, Dominik Schmidt (Grüne) setzt auf eine Erhöhung der Kindergrundsicherung. Oliver Antpöhler-Zwiernik (Linke) will eine Umverteilung von Vermögen und den „Superreichen“ an die Kasse. Klingeling! Joachim Paul meint, Schuluniformen könnten Schülern den Druck nehmen, immer die neuesten Klamotten tragen zu müssen. Klingeling! Heiko Kunz (Volt) plädiert für ein Grundeinkommen, angepasst an die Zahl der Kinder.

Auf den Stühlen im Publikum hört man unterdessen leises Knistern. Viele Jugendliche schreiben Fragen auf kleine Zettel. Ein junger Mann will von den Kandidaten wissen, warum er sich ausgerechnet bei ihrer Partei engagieren sollte. Die letzte Frage des Abends gehört einem Mädchen in der ersten Reihe. Nach drei Stunden aufmerksamem Zuhören fragt sie so simpel wie konkret: Wie setzt sich eure Partei für Kinder und Jugendliche ein?

Auf bunten Zetteln haben Kinder und Jugendliche Fragen aufgeschrieben.
Sascha Ditscher

Immer wieder meldet sich im Lauf des Abends das Kontrollteam zu Wort. Was bedeutet „Subvention“? Was ist das „Heizungsgesetz“? Was versteht man unter „Ressentiments“? Nennen die Kandidaten Zahlen oder verweisen auf Studien, bittet das Kontrollteam außerdem um Quellenangaben.

Auch Lena Adams und Aglaia Fleming haben viel zu tun. Zwischenkommentare und Einwürfe mancher Kandidaten heizen die Stimmung auf dem Podium zeitweise auf. Die beiden Moderatorinnen grätschen aber souverän dazwischen, erinnern an einen respektvollen Umgang, halten das Zepter – besser gesagt das Mikro – fest in ihren Händen. Zu diesem Zeitpunkt wissen die Kandidaten noch nicht, dass sie auch noch zum Thema Debattenkultur ausgefragt werden.

In der Feedbackrunde konnten die Zuhörer sortieren, wer sie bei #nachgefragt am meisten überzeugt hat.
Sascha Ditscher

Feddy Ben Mustapha verfolgt auch die Reibereien ganz genau. Im Vergleich zu früheren ähnlichen Veranstaltungen sei der Umgangston unter den Politikern eher schlechter geworden, findet der 18-Jährige. Offenbar ist er mit dieser Einschätzung nicht der Einzige. Denn nachdem die Glocke das Ende der Fragerunde einläutet, schließt sich direkt eine Feedbackrunde an. Jetzt können die Kinder und Jugendlichen im Publikum über einen QR-Code ihre Meinung abgeben. Auf die Aussage „Die Diskussion heute war respektvoll“ vergeben sie insgesamt 3,1 von 5 möglichen Punkten. Interessant finden die meisten den Abend trotzdem, wie 4,2 von 5 Punkten deutlich machen. Zu viel gesprochen wurde den jungen Zuhörern über die Migration – und zu wenig über ein AfD-Verbot.

Die Organisatoren

Organisiert wurde die Fragerunde mit den Direktkandidaten aus dem Wahlkreis 198 vom frisch gewählten Koblenzer Jugendrat, der Schüler*innenvertretung Koblenz, der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung und der Jugendkunstwerkstatt. Gefördert wurde die Veranstaltung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“.

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