Koblenz
Ist Koblenz wirklich so stocksteif? Podcast Rund ums Eck hat was gegen das Image der „Beamtenstadt“
Das sind die Köpfe - und vor allem Stimmen - hinter dem "Rund ums Eck"-Podcast (von rechts): (Stephan Mahlow, Manolito Röhr, Alexandra Klöckner und Holger Friedrich, der das Trio seit kurzem in Sachen Technik unterstützt.
Manolito Röhr

Koblenz steht nicht im Verdacht, übertrieben leutselig zu sein – in vielen Köpfen hängt das Bild angestaubten Beamtentums. Völliger Quatsch, finden die Podcaster von Rund ums Eck: In schon über 100 Folgen lassen sie Unikate der Region erzählen. Promis, Politiker, Unternehmer und Normalos werden ein sprechendes Archiv der Stadtgesellschaft. Was das mit "Gesichtskino" zu tun hat und welcher Wunschgast dennoch nicht vors Mikro zu kriegen ist:

Das sind die Köpfe - und vor allem Stimmen - hinter dem "Rund ums Eck"-Podcast (von rechts): (Stephan Mahlow, Manolito Röhr, Alexandra Klöckner und Holger Friedrich, der das Trio seit kurzem in Sachen Technik unterstützt.
Manolito Röhr

Wenn Manolito Röhr den Menschen ein Gesicht gibt, schält er sie aus der Dunkelheit. Ein bisschen göttlich könnte man den Akt beschreiben, wenn aus dem großen, weiten Schwarz ein Kopf gezogen wird. Dann schaut da Thomas Anders. Oder Peter Joppich. David Langner lächelt. Ob Schlagersänger, Fechtweltmeister oder Rathaus-Chef – Manolito Röhr kommt den bekanntesten Koblenzern als Porträtfotograf porentief nah.

Keine schlechte Qualifikation, wenn man Koblenz lebendig werden lassen möchte. Genau daran arbeitet Röhr, der Fotograf, mit der Unternehmerin Alexandra Klöckner und dem Werbeagentur-Inhaber Stephan Mahlow: Das Trio macht den Podcast Rund ums Eck, der seit 2020 erscheint und sich zur Aufgabe genommen hat, „Menschen vorzustellen, die Koblenz und die Region prägen und bereichern“ – ob berühmt oder nicht. Gerade erst ist die 100. Folge der Hörserie erschienen.

Rund ums Eck ist keine Promiparade

Wer sich an Rhein und Mosel auskennt, kommt natürlich schnell auf ein paar lokalprominente Namen, die neben den oben Genannten in einem sprechenden Archiv der Stadtgesellschaft zu erwarten sein dürfen: „Urgestein“ Manfred Gniffke war schon zu Gast, Comedian Roberto Capitoni, Reuffel-Chef Robert Duchstein oder die Bundestagsabgeordneten Josef Oster und Thorsten Rudolph.

Auf Manolito Röhrs großen Porträtfotos, auf denen die Köpfe aus dem Schwarz ragen, und die vielen Koblenzern und Pendlern noch als markante Werbeplakate für den Podcast vor dem inneren Auge sein dürften, waren dann freilich auch vor allem die Stars unter den Interviewpartnern. Doch Röhr, Klöckner und Mahlow ist wichtig: Rund ums Eck ist keine Promiparade, seit jeher gehört eine gesunde Mischung aus berühmten und weitgehend unbekannten Bürgern zum Casting-Schema.

Röhr interviewt so, wie er fotografiert

Quasi demokratisch bekommt hier auch jeder ähnlich viel vom üppigen Zeitbudget: Gut und gerne eine Stunde oder länger dauern die Gespräche, die meist jeweils einer der Gastgeber führt – mit TuS-Koblenz-Präsident Christian Krey genauso wie mit Journalist Lars Wienand oder der Bestatterin Linda. Klar, dass neben Medienkennern und Profiplauderern auch mal ein schüchterner Gast dabei ist. Auch die zum Reden zu bringen, das ist die Kunst.

„Wenn ich fotografiere, muss ich ja auch erst mal ein bisschen Gesichtskino produzieren“, sagt Manolito Röhr. Will heißen: mit Gesprächen, kleinen Witzchen oder Aktionen eine Reaktion in der Mimik des anderen hervorrufen. Und vor allem: eine Atmosphäre der Entfaltung schaffen. „Was gar nicht geht, ist der Satz: Jetzt lachen Sie mal“, sagt Röhr. Und ziemlich genau so ist das auch bei der Interviewführung für den Podcast: Eine entspannte Gesprächsstimmung ist wichtig – damit man dann bei Bedarf auch mal mit einer Aufweckerfrage um die Ecke kommen kann.

„Koblenz hat genau die richtige Größe“

In der Gesamtschau ist so bereits ein beeindruckendes Puzzlebild von Koblenz entstanden. Die Podcaster wollen damit auch dem Klischee von Koblenz als eingerosteter Stadt etwas entgegensetzen. „Das Selbstbewusstsein ist heute ein anderes“, sagen die Macher, „es gibt mittlerweile viele Leute, die bewusst nicht in die Metropolen gehen, sondern in Koblenz bleiben.“ Denn, dieser Satz falle immer wieder: „Koblenz hat genau die richtige Größe.“

Hintergrund
Kennengelernt haben sich Manolito Röhr und Alexandra Klöckner nach eigenen Angaben vor Jahren bei einem Networking-Event der Rhein-Zeitung. Fortan saß man immer mal wieder bei Pfefferminztee zusammen und hat an Ideen getüftelt. Beim ersten Barcamp Koblenz, einer kreativen “Unkonferenz„, ist dann 2015 im Dreierteam mit Stephan Mahlow der Plan zu Rund ums Eck gereift.

Ursprünglich als Live-Talkshow mit Video geplant, verlagerten sich die Macher schnell auf die Podcastschiene – wo sie bis heute gelieben sind. Mittlerweile ist mit Holger Friedrich auch ein Teammitglied für die Technik dazugestoßen. Seit 2022 gibt es Rund ums Eck zudem als Webradio. Infos und Links finden Sie hier.

Groß genug, damit was los ist, aber eben doch so klein, dass man sich kennt – und eine Meinung zueinander hat. Die Episode mit dem Berater und Linienbus-Verzierer Markus Baulig hat so stark polarisiert wie keine andere, erzählen die Podcaster. Doch auch, wenn insbesondere Mahlow und Klöckner gerne Engagierte und Entscheider aus der Wirtschaft an Land ziehen: In PR soll keine Folge von Rund ums Eck ausarten.

Nun wird auch mal der Radius erweitert

Ein schmaler Grad, wenn man andererseits der Eigenzuschreibung folgt, „nicht investigativ-journalistisch“ in die Gespräche gehen zu wollen, sondern möglichst viel Redeanteil dem Gast zu überlassen. Insofern ist Rund ums Eck womöglich nicht nur eine Ortsbeschreibung der Rhein-Mosel-Kreuzung, sondern auch ein Synonym für die Quadratur des Kreises: Gesprächsformat sein, ohne „Laberpodcast“ zu werden.

Viele Stammhörer und nach eigener Auskunft vierstellige Streamingergebnisse in der Spitze nehmen die Macher als positives Feedback dafür, dass das gelingt. Und dass nach gut 100 Folgen noch längst kein Ende in Sicht ist: Die Gesprächspartner gehen so schnell nicht aus, versichern Röhr, Klöckner und Mahlow – auch, weil man inzwischen bereit ist, den Radius durchaus auch ein paar Kilometer zu erweitern. So waren etwa der BKA-Beamte und Autor Andy Neumann und der Pfarrer Jörg Meyrer, beide aus dem Ahrtal, schon zu hören.

Das Brigittchen wird vermisst

Nur ein Wunschgast wird Rund ums Eck nicht mehr beehren können: „Für das Brigittchen ist es leider zu spät“, sagt Manolito Röhr. Die stadtbekannte Prostituierte Brigitte Karbach, die nach Meinung einiger sogar eine nach ihr benannte Straße verdient hätte, ist schon 2008 gestorben. Einen Platz im sprechenden Stadtarchiv von Rund ums Eck hätte ihr wohl mancher gegönnt.

Transparenzhinweis
In einer Folge aus dem Oktober 2021 war auch Lars Hennemann, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, als Gast im Podcast Rund ums Eck eingeladen und gab ein Interview.

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