Unter einer Möhne versteht man landläufig eine Karnevalistin, einen weiblichen Jecken. Ein Möhnenverein ist dieser Logik folgend ein Frauenkarnevalsverein. Der größte Möhnenverein Deutschlands – der Möhnenclub 1950 Mülheim – öffnet sich nun auch offiziell für männliche Mitglieder – ein Schritt, den auch andere Möhnenvereine in der Region gewagt haben. Und das feiern die Möhnen am 27. Juni mit einer großen „Möhnenparty“, bei der „die Männer in den Club eintreten können, um unsere Mitgliederzahl zu verstärken“, heißt es von Vereinspräsidentin Martina Niepagen. Eine standesgemäße Taufe gibt es natürlich auch.
Bevor der erste Mann beigetreten ist, hat unsere Zeitung mit Niepagen und der mittlerweile Ersten Vorsitzenden des Vereins, Susanne Mattlener, gesprochen: Wie kam es zu der Öffnung? Wie sollen und können sich die Männer im Verein einbringen? Und was bedeutet es eigentlich, eine Möhne zu sein?
„Bei den Möhnen fühlen sich alle wie bei Muttern zu Hause.“
Vereinspräsidentin Martina Niepagen
Sie waren ja schon immer da und haben mitangepackt, haben geholfen und mitgefeiert – die Partner, das männliche Umfeld der einzelnen Möhnen aus Mülheim-Kärlich, erklären Niepagen und Mattlener. „In erster Linie war es ein Wunsch der Männer, dem Möhnenclub beitreten zu können“, sagt Niepagen. „Das haben wir reflektiert und uns dann entschlossen, den Männern diesen Wunsch zu gewähren.“
Damit wird dann auch die Vereinsstärke, die Mitgliederanzahl, gestärkt. Die neuen männlichen Möhnen können dann ganz offiziell im Verein mitmachen, bilden aber quasi einen Seitenarm des Vereins. „Sie können alles machen und tun“, betont Niepagen. Nur eines bleibt den Damen im Verein vorbehalten: das Wahlrecht – sowohl passiv als auch aktiv.
Warum zieht es Männer überhaupt zum Möhnenclub? Schließlich gibt es allein in Mülheim-Kärlich genügend andere Karnevalsvereine. „Wir haben ein gutes, herzliches und inniges Vereinsleben. Auch außerhalb der Session sehen wir zu, dass wir viel gemeinsam machen“, ist Niepagens Antwort und sie ergänzt lachend: „Bei den Möhnen fühlen sich alle wie bei Muttern zu Hause.“
Eine Möhne zu sein, sich im Möhnenclub zu engagieren – das ist für die beiden Frauen aus Mülheim-Kärlich Brauchtumspflege. Und da gibt es eben immer einen schmalen Grat zwischen der Pflege der Tradition und deren Weiterentwicklung. Das Möhnenpaar samt Hofstaat, der Schwerdonnerstagsumzug, der jecke Frohsinn aber auch Fantasie und Freude am Leben – so beschreibt Niepagen das Möhnentum.
„Wenn es bei unserem traditionellen Schwerdonnerstagsumzug regnet, stellen wir uns vor, wir stehen unter einem wahnsinnig schönen Wasserfall. Und wenn es schneien würde, dann bauen wir eben ein Iglu.“ So erklärt Niepagen den zweiten Teil ihrer Definition des Möhnentums.
Um das Brauchtum auch in Zukunft beizubehalten, brauche es aber eben Mitglieder, die die Traditionen leben. Die Möhnen in Mülheim-Kärlich sind zwar gut aufgestellt – mit momentan 850 Mitgliedern sind sie der größte Möhnenverein Deutschlands. Das soll auch in Zukunft so bleiben, was ebenfalls ein Grund der Öffnung des Vereins für Männer ist. „Den Verein gibt es seit 1950. Ganz viele Frauen haben seitdem und bis zum heutigen Tag einen tollen Job gemacht, den Möhnenclub am Leben zu halten und ihn mit Leben zu füllen“, berichtet Niepagen. „Unser Wunsch ist einfach, dass, auch wenn wir mal nicht mehr können, der Verein und unser Brauchtum weitergehen.“ Und Mattlener ergänzt: „Deswegen ist uns auch so wichtig, den Nachwuchs zu fördern.“

Der Junge, der für Möhnen tanzt: Ben aus Mülheim-Kärlich gewinnt als Solotänzer Landesmeisterschaft
Er sei oft der Hahn im Korb, gibt Susanne Mattlener zu: Ihr elfjähriger Sohn Ben tanzt als einziger männlicher Solist im Gardetanz ihres Vereins, dem Möhnenclub Mülheim 1950. 850 Frauen stark ist der deutschlandweit größte Verein, sagt Präsidentin Martina Niepagen.
Für die Erste Vorsitzende Mattlener hat die Öffnung des Vereins eine familiäre Komponente: Sohn Ben Mattlener, der mehrfach den Titel des Deutschen Meisters im Solo-Gardetanz ertanzt hat, möchte unbedingt offiziell dem Verein beitreten. „Fragt man ihn zu diesem Zeitpunkt, ob er den Verein wechseln möchte, sagt er ,Nein, ich bleibe bei den Möhnen’“, berichtet Mattlener.
Beim Möhnenclub hat Tanzmajor Ben seine Karriere begonnen, hier trainiert er und tritt auch bei Wettbewerben für den Möhnenverein an. „Er fühlt sich eben wohl in unserem Verein“, erklärt seine Mutter. „Er freut sich darauf, offiziell Mitglied werden zu können, und sagt auch die ganze Zeit, dass er gerne der Erste wäre.“ Ganz so einfach ist das aber nicht: Ben Mattlener ist 13 Jahre alt, laut Statuten dürfe man aber erst ab 16 Jahren dem Verein beitreten. Für den Tanzmajor wird es aber eine Ausnahme geben, und er wird das erste männliche Mitglied der Möhnen werden.
„Er freut sich darauf, offiziell Mitglied werden zu können, und sagt auch die ganze Zeit, dass er gerne der Erste wäre.“
Susanne Mattlener, Erste Vorsitzende des Möhnenclubs, über ihren Sohn Ben
Apropos Statuten: Für die Möglichkeit, in Zukunft Männer in den Verein aufnehmen zu können, musste der Möhnenclub seine Satzung ändern. Und das geht nur offiziell über das Amtsgericht. Zusammen mit der Aufnahme von Männern sollten dabei weitere kleinere Änderungen angegangen werden, so wurde es auf der Jahreshauptversammlung 2024 beschlossen.
Das Amtsgericht wiederum war mit einigen Formulierungen nicht ganz einverstanden, wie Niepagen und Mattlener berichten, weswegen diese dann umformuliert wurden. Viel Korrespondenz und mit Sicherheit auch Nerven wurden also für die Satzungsänderungen schon vor der großen Feier am Freitag investiert. Diese findet ab 19 Uhr in der Grillhütte Hümmeroth in Mülheim-Kärlich statt.