Secondhandladen in Koblenz
Im Kleiderladen gibts zur Hose auch mal eine Umarmung
Tag für Tag hängen Tatjana Juferew und ihr Team neue Kleidungsstücke in den Verkaufsraum des Kleiderladens.
Matthias Kolk

Früher wurden Klamotten noch über einen Kneipentresen an Bedürftige verteilt, heute stöbern Jugendliche im Kleiderladen der Caritas nach trendiger Mode. An seinen Wurzeln hält der Betrieb bis heute trotzdem fest. Hier geht’s um mehr als Warenverkauf.

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Als eine Dame kürzlich zum ersten Mal einen Fuß in den Kleiderladen der Caritas in der Hohenzollernstraße setzte, fiel ein Satz, den vermutlich auch andere schon im Kopf hatten: „Ich dachte immer, ich darf hier nichts kaufen“, erinnert sich Andrea Steyven, Geschäftsführerin des Inklusionsbetriebs CarMen, an die Worte der Frau.

Der Ruf, der Kleiderladen sei nur für Menschen da, die hilfsbedürftig sind, hält sich offenbar wacker. „Viele denken, sie kaufen den Bedürftigen etwas weg“, sagt Steyven, die diese Sorge aber sofort entkräftet: „Hier darf jeder kaufen.“ Und wohl noch nie traf dieser Satz so zu wie jetzt. Denn zum 25-jährigen Bestehen ist die Kundschaft des Kleiderladens bunter denn je.

Andrea Steyven, Geschäftsführerin der CarMen gGmbH des Caritasverbandes Koblenz
Matthias Kolk

Eine Hose kostet 6,50 Euro, die Bluse gibts zum Festpreis von 5 Euro. Preise wie im Kleiderladen sucht man in herkömmlichen Modegeschäften vergeblich. Klar, neu ist hier nichts. Aber nur, weil Klamotten oder Schuhe einen Vorbesitzer hatten, müssen sie nicht gleich schlecht sein, im Gegenteil: Im Verkaufsraum in der Hohenzollernstraße 118-120 landet nur, was noch tragbar ist. Die Mode aus zweiter Hand ist nicht nur ressourcenschonend, sondern derzeit auch sehr angesagt, berichtet Tatjana Juferew, die Leiterin des Kleiderladens. „Es kommen heutzutage deutlich mehr junge Leute vorbei zum Stöbern“, sagt sie.

Längst ein Ort für alle

Wo sich früher Menschen vielleicht aus Vorbehalten nicht hineingetraut haben, gehen heute die mit kleinem Geldbeutel genauso aus und ein wie Schnäppchenjäger oder Leute auf der Suche nach einem besonderen Einzelstück. Im Kleiderladen gibt es keine sozialen Schichten. „Der Bedarf an günstiger Kleidung ist generell sehr, sehr groß geworden“, sagt Andrea Steyven. Aber nicht nur der.

Eltern finden im Kleiderladen günstiger ein Fahrrad für ihre Kinder, Studenten Geschirr für ihre WG, zurzeit ist vor allem das mit Goldrand (wieder) angesagt, hat Tatjana Juferew festgestellt. „Manche bringen die Sachen, die sie hier gekauft haben, nach ein paar Jahren wieder zu uns als Sachspende zurück.“ In dem Secondhandladen schließt sich so immer wieder der Kreis.

Der Kleiderladen des Caritasverbandes Koblenz in der Hohenzollernstraße 118-120 feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen.
Matthias Kolk

Auf Gewinnmaximierung ist der Kleiderladen trotz breit gefächerter Kundschaft nicht aus. Seit 2011 ist er beim Caritas-Inklusionsbetrieb CarMen angedockt. Der Erlös dient vor allem dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Neben Juferew und einigen Ehrenamtlern sind aktuell vier weitere Menschen angestellt, drei von ihnen haben eine Schwerbehinderung. Der Kleiderladen gibt ihnen die Chance, am Arbeitsleben teilzunehmen. „Jedes gekaufte Stück sichert Arbeit für die, die sonst nicht arbeiten dürften“, betont Steyven.

Kneipentresen als Verkaufstheke

Entsprungen ist der Kleiderladen aus einem Ehrenamtsprojekt der Caritas, der Kleiderkammer. In der Anfangszeit war die Anlaufstelle, bei der ausschließlich Hilfsbedürftige Kleidung bekamen, nicht größer als 12 Quadratmeter. Mit einem entsprechenden Nachweis konnten sich Menschen so vor Jahrzehnten zweimal im Jahr kostenlos eindecken – beziehungsweise wurden sie eingedeckt.

Denn aussuchen durften sie sich ihre Klamotten damals nicht, erzählt Tatjana Juferew. Heute sei das zum Glück anders. Kostenlose Kleidung gibt es mit entsprechendem Nachweis immer noch, „man darf sich aber jetzt aussuchen, was man tragen will“.

Von 2000 bis 2015 befand sich der Kleiderladen der Caritas in einer alten Kneipe in der Hohenzollernstraße 125.
Caritasverband Koblenz/Marco Wagner

Im Jahr 2000 eröffnete der Kleiderladen als Nachfolger der Kleiderkammer mit erweitertem Konzept in einer alten Kneipe in der Hohenzollernstraße 125. Schmale Fenster mit Gitter statt Schaufenstern und ein dunkler Tresen statt Verkaufstheke: Das Kneipenflair blieb, nur wurden jetzt Schuhe und Hemden statt Bier verkauft. Als das Geschäft florierte und die Sachspenden zunahmen, eröffnete sich 2015 die Chance, in größere Flächen in der Hohenzollernstraße 118-120 umzuziehen, quer gegenüber.

Mehr als ein Geschäft

Stammkunden kommen in all den Jahren teilweise täglich vorbei, erzählt Juferew, „manche sogar mehrmals am Tag, weil bei uns ja immer wieder neue Sachen reinkommen“. Manchmal bringen sie Süßes für die Mitarbeiter mit, als kleines Dankeschön. Teilweise begrüßt man sich mit einer Umarmung. Der Kleiderladen ist für viele ein Ort der Begegnung. Und das ist so gewollt. „Bei manchen fällt uns direkt auf, wenn sie mal nicht da waren. Wir hoffen dann immer, dass nichts Schlimmes passiert ist“, erzählt Juferew.

Im Sortiercontainer des Kleiderladens stapeln sich die gepackten Kleidersäcke. Hier wird jeder einzelne geöffnet und begutachtet.
Matthias Kolk

In seinem 25-jährigen Bestehen hat der Kleiderladen immer wieder seinen gesellschaftlichen und sozialen Wert unter Beweis gestellt. Als im Jahr 2015 Millionen Syrer vor dem Krieg nach Deutschland flüchteten, gab der Kleiderladen rund 9000 Kleidungsstücke kostenlos an Betroffene weiter. Ähnlich lief es, als vor rund drei Jahren gleichzeitig sehr viele Ukrainer auf einen Schlag nach Koblenz kamen. Oder als zuletzt Menschen bei einem Brand in Ehrenbreitstein ihr Hab und Gut verloren.

25 Jahre Kleiderladen. Das wollen die Verantwortlichen in diesem Jahr noch gebührend feiern. Wie das genau aussehen soll, steht noch nicht fest. Aber vielleicht wird es ja wieder kreativ: Zum Umzug in die heutigen Räumlichkeiten im Jahr 2015 hatte man sich eine Aktion einfallen lassen, von der in Caritas-Kreisen noch heute erzählt wird: eine Modenschau mit rotem Teppich.

Wie man den Kleiderladen unterstützen kann

Der Kleiderladen ist auf Sachspenden angewiesen. Berge von mit Kleidung gefüllten Tüten häufen sich im Sortiercontainer im Hinterhof der Caritas-Zentrale in der Hohenzollernstraße 118-120. Wer hier oder in einem der vielen Spendencontainer Sachspenden abgeben möchte, sollte ein paar Dinge beachten.

Grundsätzlich sollten alle Kleidungsstücke sauber und gewaschen sein. Zudem betont Tatjana Juferew: „Wir haben hier nicht die Möglichkeit, Kleidung aufzubereiten.“ Soll heißen: Mit ausgeleierter Kleidung, Klamotten mit Löchern oder defektem Reißverschluss kann der Kleiderladen nichts anfangen. Erwünscht sind neben gut erhaltener Bekleidung und Schuhen auch Spielsachen, Stofftiere, Geschirr oder auch Fahrräder.

Geöffnet hat der Kleiderladen montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr. Eine Liste aller Spendencontainer der Caritas gibt es im Internet unter www.ku-rz.de/derkleiderladen

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