Koblenz
Hilfe für junge Wohnungslose in Koblenz wird ausgebaut

Wohnungslosigkeit mitten in Koblenz: Die Situation der Menschen wird immer schwieriger. Und die Menschen, die auf der Straße leben, werden immer jünger. Das zeigt auch eine ganz neue Studie der Koblenzer Hochschule.

Doris Schneider

Koblenz – Gerade ist die Studie der Hochschule Koblenz zur Wohnungslosigkeit abgeschlossen worden, und die Ergebnisse decken sich mit den Wahrnehmungen, die Streetworker und Jobcenter-Mitarbeiter in Koblenz schon seit mindestens drei Jahren machen: Der Anteil junger Leute unter den Wohnungslosen wächst. Und mittlerweile ist ein Viertel von ihnen weiblich.

Von unserer Redakteurin Doris Schneider

Die Stadt bringt gerade ein Projekt auf den Weg, das da ansetzt. In zwei Wohngemeinschaften sollen je drei junge Frauen und Männer betreut leben können und die Zeit nutzen, um in den Alltag (zurück) zu finden, sagt Thomas Muth vom Jugendamt der Stadt. Sie werden von Sozialarbeitern mit insgesamt 1,5 Stellen betreut, die aber nicht mit in den WGs wohnen. Mit ihnen gemeinsam soll in jedem Einzelfall geklärt werden, wie eine gute Tagesstruktur zu erreichen ist, welche beruflichen Wünsche bestehen und wie man da hinkommen kann. Aber auch rechtliche Fragen und Themen wie Schulden spielen eine Rolle. Die Wohnzeit ist nicht auf Dauer angelegt, aber auch nicht von vorne herein begrenzt. Denn mancher findet schneller wieder Tritt, andere haben so viele Probleme, dass es länger dauert, bis sie selbstständig leben können. Auch auf dem Weg in eine eigene Wohnung werden die jungen Leute unterstützt. „Das Ziel ist die Verselbstständigung“, sagt Thomas Muth. „Wir werden die jungen Leute nicht pampern, aber wir werden sie auf ihrem Weg unterstützen.“

Noch ist das Projekt nur ein Plan, aber ein sehr konkreter. Denn die Abstimmungen mit dem Träger der Maßnahme laufen bereits, und noch im Laufe dieses Jahres sollen die WGs eingerichtet werden. Wo die Wohnungen sein werden, ist noch offen, sagt Thomas Muth. Finanziert wird die Maßnahme aus kommunalen Geldern; man hofft auf Unterstützung durch den Europäischen Sozialfonds.

Die Hilfe ist bitter nötig. Denn bisher fallen junge Leute, die aus den verschiedensten Gründen keine Wohnung haben und/oder nicht mehr zu Hause leben können, mehr oder weniger durchs Raster. Zwar hat das Jugendamt eine Kooperation mit dem Kolpinghaus, in dem zwei oder bei Bedarf auch mehr junge Leute wohnen können, und bei der Kinder- und Jugendhilfe Arenberg gibt es für unter 18-Jährige die Möglichkeit unterzuschlüpfen.

Aber um zu verhindern, dass sich eine regelrechte „Wohnungslosen-Karriere“ entwickelt, brauchen die jungen Frauen und Männer alle Hilfe, die sie bekommen können. Viele von ihnen sind suchtkrank, und auch der Anteil derer, die psychische Störungen haben, wächst. Ob dies Ursachen oder Folgen der Wohnungslosigkeit sind, ist schwer zu sagen. Menschen mit ganz schweren Suchterkrankungen oder psychischen Störungen werden in den WGs allerdings nicht betreut werden können. „Sie brauchen mehr Hilfe als wir leisten können“, sagt Thomas Muth.

Studie der Hochschule Koblenz zeigt: Wohnungslose werden immer jünger, und der Anteil der Frauen wächst

161 Wohnungslose in Rheinland-Pfalz sind von Sozialwissenschaftlern der Hochschule Koblenz befragt worden. In Mainz, Koblenz, Kaiserslautern, aber auch kleineren Städten wie Lahnstein und Mayen sind die Gespräche geführt worden, die ein Bild von der Situation der Wohnungskosen im Land zeichnen. Wie alt sind sie? Welche Schulabschlüsse sind vorhanden? Wie gesund sind sie? In sehr ausführlichen persönlichen Gesprächen wurden die Fragen beantwortet, erklärt Prof. Dr. Robert Frietsch.

Heraus kam folgendes Ergebnis: Die Wohnungslosen sind im Schnitt 35 Jahre alt, ein Viertel von ihnen ist jünger als 25. Jeder Vierte, der auf der Straße lebt, ist eine Frau. Und: Die Zahl derer, die psychische Verhaltensauffälligkeiten oder Krankheiten aufweisen, wächst. Viele Wohnungslose sind überschuldet und suchtkrank, die meisten haben nur sehr niedrige Schulabschlüsse.

Für Frietsch und seine Kollegen Dirk Holbach und Sabine Link vom Institut für Forschung und Weiterbildung der Hochschule Kobenz stellt sich die Situation so dar: Die Lage der Wohnungslosen hat sich verschärft, und Wohnraum bereitzustellen ist nur ein Aspekt eines großen Hilfebedarfs. Denn die Problemlagen der Menschen sind so vielschichtig, dass sie auf ebenso vielen Ebenen Unterstützung brauchen. „Fachleute der verschiedenen sozialen und medizinischen Bereiche und auch der Jobcenter müssen kooperieren und sich gemeinsam um die Lösung der einzelnen Probleme kümmern“, so Frietsch. „Nur so ist eine Rückkehr der Betroffenen in die Gesellschaft mit gesichertem Wohnraum möglich.“ In einem Modellprojekt könnte man für Koblenz Strukturen entwickeln und aufbauen, die ein solches „Schnittstellen-Management“ ermöglichen, so Frietsch. Nur wer die Hilfe finanzieren will, kann und soll, das ist unklar.

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