Der Haushaltsplan für 2024, den Verwaltung und Fraktionen in tagelangen Beratungen erarbeitet hatten, wurde bei einer Gegenstimme von AfD-Stadtrat Fabian Geissler verabschiedet (der zweite anwesende AfD-Politiker Joachim Paul war bei der Abstimmung nicht im Saal). Zuvor hatten die acht Fraktionen ihre Sicht auf Investitionen, Großprojekte und Beratungen in je 15 Minuten Redezeit dargelegt. Zumindest eins hatten alle gemein: ein ausdrückliches Lob für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Die Beiträge in Auszügen im Überblick:
Grüne (14 Ratsmitglieder): Ulrich Kleemann, stellvertretender Fraktionschef, lobte die Verwaltung für ein „wirkungsvolles Personalkostencontrolling“ in den vergangenen drei Jahren. So seien in diesem Zeitraum 80 Stellen weniger geschaffen worden als einst geplant. Vor genau drei Jahren hatte Kleemann die Verwaltung für den Anstieg der Personalkosten von rund 25 Millionen Euro in den Haushaltsplänen von 2018 bis 2021 scharf kritisiert.
Wörtlich sagte der Grünen-Politiker: „Der Haushaltsausgleich wäre bei ungebremstem Personalanstieg ohne Steuererhöhungen nicht erreicht worden.“ Allerdings lägen die Personalkosten trotz eines „achtprozentigen Vakanzfaktors mit mehr als 138 Millionen Euro auf einem sehr hohen Niveau“. Der Haushalt 2024 setzt bei geplanten Investitionen in Höhe von rund 166 Millionen Euro laut Kleemann „deutliche grüne Schwerpunkte im Klimaschutz und beim Ausbau des Radverkehrs, was wir auch als dringend erforderlich ansehen“.
Daher sei es erfreulich, dass die Umsetzung des Klimaschutzteilkonzepts „nun voll in Schwung gekommen ist“. Beim Ausbau des Radverkehrs gehe Koblenz mit „Riesenschritten voran“: etwa durch die „beiden Erfolgsprojekte“ Fahrradstraße und Fahrradparkhaus. 2024 sollen weitere 8 Millionen Euro in den Ausbau des Radwegenetzes investiert werden: etwa in die Verlängerung des Radweges in der Mainzer Straße, den Ausbau der Beatusstraße, die Fuß- und Radbrücke Goldgrube-Rauental und die Horchheimer Brücke.
Ferner hob Kleemann Investitionen in Kitas, Schulen und mobile Jugendarbeit hervor. Zwar seien die Kommunen nicht für die Bildungspolitik „zuständig, sie können aber Rahmenbedingungen für mehr Chancengleichheit schaffen“.
SPD (zwölf Mandate): Detlev Pilger, stellvertretender SPD-Fraktionschef ging ausführlich auf die Lage an den Koblenzer Kitas und Schulen ein: „Grundlage für gutes soziales Verhalten und eine stabile kognitive Entwicklung wird neben der positiven Begleitung in der Familie in den Kitas gelegt.“ Er forderte: „Wir müssen in Koblenz einen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu anderen Kommunen erzielen, durch ausreichende und gute Plätze in den Kitas.“
Dadurch werde die Stadt „noch attraktiver für die Ansiedlung von Firmen und für die Berufstätigkeit, insbesondere für Frauen und deren finanzielle Unabhängigkeit“. Allerdings fehlten derzeit mehr als 400 Kita-Plätze: „Das bringt Bildungsnachteile, gerade für die Kinder aus sozial schwierigen Lebenssituationen.“ Die geplanten Neubauten müssten schnellstmöglich realisiert werden.
Ferner ging er auf das bezahlbare Wohnen ein: „Auch in Koblenz ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt angespannt. Immer mehr Gruppen kämpfen um bezahlbaren Wohnraum und drohen, die Gesellschaft zu spalten: Junge gegen Alte, Studierende gegen Singles, Einheimische gegen Zugereiste.“ Die Auslastung der Wohnungsanbieter liege bei 100 Prozent und habe keinerlei Spielraum.
Bei einigen städtischen Grundstücken sollte die Stadt über „weitere Investoren nachdenken, die schnellstmöglich die Flächen in bezahlbaren Wohnraum verändern können“. Pilger: „Wichtig ist nicht nur, wer baut, sondern dass gebaut wird, wollen wir einer Spaltung der Gesellschaft nicht in diesem Bereich weiter Vorschub leisten. Wir müssen im Bereich Bauen deutlich an Tempo zulegen.“
CDU (elf Mandate): Fraktionschef Stephan Otto kritisierte, dass der Stadtvorstand um Oberbürgermeister David Langner (SPD) öffentlich die Erhöhung der Grundsteuern für 2024 angekündigt hatte, die „alternativlos“ gewesen sei. Wenige Tage später ruderte die Stadtspitze zurück: Inzwischen war klar geworden, dass Bund und Land die Flüchtlingskosten übernehmen würden. Das Thema Steuererhöhungen war zumindest für das nächste Jahr vom Tisch. Otto ging zudem auf ein Gutachten ein, das die CDU federführend in Auftrag gegeben hatte und das sich aus „finanzverfassungsrechtlicher Sicht mit der Förderpraxis des Landes“ befasst hatte.
Im Bereich Städtebau seien Planungsmittel für die Sanierung und den Neubau der Grundschule Arenberg und der Schulsporthalle für Wallersheim eingestellt worden. Zudem seien in Wallersheim die Voraussetzungen für die Ansiedlung eines Nahversorgers geschaffen worden.
Ferner betonte Otto, wie wichtig die Arbeit der freien Wohlfahrtsverbände für die Stadt sei: „100 000 Euro sind ein starkes Signal und ein Zeichen der Wertschätzung für die tolle Arbeit, die diese Verbände für die Allgemeinheit leisten. Ohne Sie alle geht es nicht, Sie sind das soziale Gewissen und der Charakter dieser Stadt.“
Der stärker „einsetzende Verdrängungswettbewerb bei den Parkflächen in Koblenz führt dazu, dass man neben dem Ausbau von Radwegen auch eine Antwort geben muss auf den immer noch unersetzbaren Individualverkehr und seine Parknot“.
Freie Wähler (sechs Mandate): Fraktionssprecher Stephan Wefelscheid ritt eine scharfe Attacke gegen die AfD. Es ging um eine Rede im Landtag von AfD-Politiker Damian Lohr zum Verteilungsschlüssel für Flüchtlingskosten: „An Hass, Hetze und Gruseligkeit war das nicht zu überbieten.“ Und direkt an AfD-Fraktionssprecher Joachim Paul gewandt, der wie Wefelscheid im Landtag sitzt: „Wenn man Ihrer Politik folgen würde, müsste man die Grundsteuer in Koblenz doch erhöhen.“ Dabei lasse sich der Koblenzer Haushalt mit Zuschüssen von Land und Bund für die Flüchtlingskosten ins „Positive kehren“.
Wefelscheid forderte ferner, dass Koblenz mehr Geld aus dem Kommunalen Finanzausgleich des Landes erhalte. So kritisierte er, dass die Pfaffendorfer Brücke, über die „eine Bundesstraße führt, überwiegend mit kommunalen Mitteln“ gebaut werde: Von den – Stand jetzt – 185,3 Millionen Euro an Gesamtkosten übernimmt das Land 75 Millionen Euro: „Eigentlich müssten die Anteile andersherum sein.“
AfD (vier Mandate): Fraktionssprecher Paul sagte: „Wir sind die einzige Fraktion, die die Massenzuwanderung auf den Punkt bringt.“ In Koblenz gebe es 10 000 Menschen, die Bürgergeld beziehen würden, davon habe die Hälfte einen Migrationshintergrund: „Das Migrantengeld ist ein Magnet für die Zuwanderung. Darunter leidet die öffentliche Sicherheit.“
Zur Wohnungsnot sagte er: „Die Rahmenbedingungen sind so, dass es für Investoren immer weniger planbar wird. Die Kosten dieser Bedingungen explodieren.“ Er kritisierte ferner die Verkehrspolitik: „Es wird Parkraum vernichtet, es gibt eine künstliche Gegenüberstellung von Rad- und Autofahrern.“ Dabei stehe die Frequenz auf den Radwegen in keinem Verhältnis. Auch deshalb lehne die AfD den Haushalt ab.
Wählergruppe Schängel (vier Ratsmitglieder): Torsten Schupp sagte: „Die Haushaltsberatungen waren geprägt vom großen ,Wünsch dir was' der großen drei Fraktionen. Alles, was die kleineren wollten, wurde abgelehnt.“ Immerhin sei die Wählergruppe Schängel Mitantragsteller bei der geplanten neuen Toilette in Ehrenbreitstein gewesen. Er sei es zudem leid, dass wegen „der verkorksten Landes- und Bundespolitik wir Bürger immer tiefer in die Tasche greifen müssen. Damit Gesetze erfüllt werden, die Bund und Land erlassen. Das ist ein Schlag ins Gesicht von uns allen, die seit 15 Jahren eine ganz solide Haushaltspolitik machen.“
Überwältigt war Schupp von den vielen persönlichen Reaktionen der Ratskollegen zu seiner Krebs-Erkrankung: „Dafür bin ich sehr dankbar.“
FDP (zwei Ratsmitglieder): David Hennchen sagte: „Die Folgen multipler Krisen prägen die Debatte im Rat und bei jedem einzelnen Bürger.“ Es sei Aufgabe des Stadtrats, „nachhaltige Entscheidungen für uns alle zu treffen, um das Vertrauen in die Stadt, den Staat und die Demokratie zu stärken“.
Künftig müsse man Aufgaben neu gewichten und mit „weniger Mitteln mehr Wirksamkeit erzielen“. So müssten auch schnellere Entscheidungen getroffen werden: „Wir unterstützen den Weg, in die Infrastruktur zu investieren, können aber mehr als nur Radverkehr. Wir müssen den Verkehrsmix anerkennen, ob zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Auto.“ Zudem könne Koblenz mehr für seine Stadtteile tun, besonders für die Aufenthaltsqualität dort. Bei der Digitalisierung forderte er mehr Tempo.
Die Linke/Die Partei (zwei Mandate): Kevin Wilhelm forderte „dringend weitere Klimaschutzmaßnahmen“. Das Radwegenetz müsse weiter ausgebaut werden, aber nicht auf Kosten der Fußgänger: „Beide Gruppen sind wichtig für den Wirtschaftsstandort.“ Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum müsse Priorität haben. Es gebe zwar einige Projekte wie das Rosenquartier, das Quartier in Stolzenfels und die ehemalige Fritsch-Kaserne: „Allerdings wäre es noch besser, wenn sich dort auch Leute mit kleinerem Geldbeutel Wohnungen leisten könnten.“
Jedenfalls seien an der Wohnungsnot nicht die Geflüchteten schuld, ebenso wenig an der Erhöhung des Bürgergelds: „Wenn das verschärfte Asylrecht durchgesetzt wird, werden wir weiterhin viele Menschen haben, die von ihrer Rente nicht leben können.“