Das 66 Seiten starke Werke, das auch mit interessanten Fotografien aufwartet, erzählt dabei nicht nur spannend die Geschichte der Maria-Hilf-Kapelle, sondern blickt auch auf die jüngere Geschichte der katholischen Gemeinde Lützel. Der Anfang der Maria-Hilf-Kapelle liegt im Dunkeln. Um es ein wenig aufzuhellen, bediente sich Hans-Werner Seul eines Tricks, den auch Filmemacher oft anwenden: Er erfand eine Geschichte: Johann, der Protagonist seiner kleinen Erzählung, geht Ende des 17. Jahrhunderts aus Bassenheim nach Koblenz. Er führt einen Ochsen mit sich, den er in Koblenz gewinnbringend veräußert.
Wie es zur Gründung kam, hat sich Seul ausgedacht
Auf dem Rückweg wird er auf Höhe der heutigen Maria-Hilf-Kapelle jedoch niedergeschlagen und seiner Barschaft zum Großteil beraubt. Aus Dankbarkeit, dass er den Überfall überhaupt überlebte, lässt er hier einen Bildstock mit einem Andachtsbild Mariens errichten. So könnte es sich durchaus zugetragen haben.
Hans-Werner Seul erzählt diese Geschichte nicht nur flott, er nutzt sie auch, um Koblenz am Ende des 17. Jahrhunderts zu skizzieren. So stellt er wohl zutreffend fest, dass in der Stadt damals eine rege Bautätigkeit herrschte. Der Grund: Die von der französischen Belagerung im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688) herrührenden Schäden mussten beseitigt werden. Ganz anders präsentierte sich jedoch die andere Moselseite, wie Hans-Werner Seul treffend vermerkt. Denn um ein freies Schussfeld zu haben, hatte der Kurfürst vor der Belagerung von Koblenz alles abgerissen. Lützel bestand um 1700 vor allem aus Wiesen, Feldern und Brachflächen.
Kapellen- und Ortsgeschichte von Lützel werden verwoben
Das Büchlein verharrt allerdings nicht nur bei den Anfängen der Kapelle. Auch die nachfolgenden drei Jahrhunderte unter anderem mit Abriss und Neubau der Kapelle werden von Hans-Werner Seul unterhaltsam dargestellt. Geschickt verwebt er dabei die Geschichte der Kapelle mit der Geschichte Lützels, der Bedeutung des Güterbahnhofs oder der Darstellung des Lebens in den zahlreichen Gaststätten und Ausflugslokalen.
Und er zeichnet die Geschichte der einst kraftvollen katholischen Gemeinde in Lützel nach. Nachdem im Zweiten Weltkrieg die Antoniuskirche an der Ringmauer nämlich nahezu zerstört worden war, wurden zwei Kirchen neu errichtet: in den 1950er-Jahren eine große Hallenkirche mit Platz für bis zu 600 Gläubige direkt neben der Maria-Hilf-Kapelle und in den 1960er-Jahren die neue Kirche St. Antonius im Brenderweg.
Kirche wird für Senioren- und Pflegeheim abgerissen
Vor fünf Jahren nun wurde die Hallenkirche für ein Senioren- und Pflegeheim abgerissen, im Zuge der Dechristianisierung war der Bedarf für eine so große Hallenkirche verschwunden. Die Maria-Hilf-Kapelle, die unter Denkmalschutz steht, blieb erhalten und ist heute direkt mit dem Seniorenheim verbunden.
Hans-Werner Seul hat über diesen Andachtsbau ein spannendes, reich bebildertes und mit Illustrationen von Nina Midi versehenes Buch geschrieben. „Die Maria-Hilf-Kapelle zu Lützel“ ist im Buchhandel erhältlich.