Zugute kommt der 57-Jährigen, dass sie schnell wichtige Entscheidungen treffen kann, dass sie sich, wie sie sagt, auf ihre engagierten und kompetenten Mitarbeiter verlassen kann, dass sie ihrer sachlichen und unaufgeregten Art treu bleibt – und dass sie Orte hat, an denen sie zur Ruhe kommen und Kraft tanken kann. Einen inneren Kompass hat sie bei alledem auch: „Positiv nach vorn schauen.“ Ihr Glaube ist ihr dabei ein wichtiger Leitstern, sagt Ulrike Mohrs.
Frau Mohrs, Sie haben vier Jahre in der Lokalpolitik hinter sich. Bekommen Sie von außen gespiegelt, dass Sie eine Marke sind?
Ich denke, ich bin mir selbst treu geblieben, sowohl auf meinem Weg durch die Bundesagentur für Arbeit als auch bei meinem Wechsel ins Bürgermeisteramt. Man hat mich so eingekauft wie ich bin, und da kann man nicht erwarten, dass ich mich jetzt als Persönlichkeit verändere (lacht).
Sie wirken in der Öffentlichkeit meist offen, freundlich und gut gelaunt. Wann sind Sie schlecht gelaunt?
Wenn die Bürotür zu ist (lacht). Spaß beiseite. Ich bin wirklich ein ganz optimistischer und fröhlicher Mensch, weil ich glaube, dass man mit einem Lächeln mehr bewirken kann als mit einem griesgrämigen Gesicht, das keine Hoffnung verleiht. Hoffnung ist etwas ganz Wichtiges. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch, und mein Glaube gibt mir Kraft. Natürlich gibt es auch Situationen, in denen ich verärgert oder frustriert bin. Dann lasse ich das auch raus. Aber das tue ich dann wirklich dort, wo mich die Menschen gut kennen und wo sie damit umzugehen wissen. Bei meinem engsten Umfeld hier im Büro ist das absolut der Fall. Ich kann aber auch schnell wieder durchatmen und sagen, jetzt gucken wir nach vorn und finden auch dafür eine Lösung.
Worüber ärgern Sie sich?
Das betrifft Themen, von denen ich meine, dass es echt gut wäre, wenn wir das jetzt so machen würden. Und dann ärgere ich mich, wenn es an irgendeiner Stelle boykottiert oder torpediert wird und für mich die Gründe nicht nachvollziehbar sind. Wenn ich etwas nicht verstehen kann, ist es für mich schon manchmal schwierig.
Ein Beispiel ist die Unterbringung von geflüchteten Menschen. Wir brauchen dabei sehr viele Partner – auch stadtintern. Und es kann schon ein herausfordernder Prozess sein, dabei weiterzukommen, die entsprechenden Grundstücke zu finden und das Vorhaben schnell umzusetzen. Wir müssen alles beachten, was auch für private Bauherren gilt. Und wenn Sie dann merken, dass Ihnen die geflüchteten Menschen vor der Tür stehen, und Sie jetzt schnell Lösungen finden müssen, dann ist das schon manchmal richtig schwierig. Dann denken Sie, boah, und jetzt wieder die Vorschrift und diese Regel und diese Vorgabe. Das sind alles Dinge, die gut gemeint sind, die einen dann aber blockieren. Grad wenn es darum geht, dass man einem Menschen nicht helfen kann, macht mich das manchmal hilflos.
Sie haben seit dem 1. Dezember 2018 viele Entscheidungen treffen müssen, und man sagt über Sie, dass Sie dies sehr klar und zügig können. Erinnern Sie sich daran, welche wichtige Sie zuletzt gefällt haben?
Im Prinzip treffe ich ständig Entscheidungen. Aber die vergangenen Jahre waren schon extrem, gerade durch die Pandemie. Als verantwortliche Dezernentin für die Berufsfeuerwehr und damit auch für den Katastrophenschutz kommt man immer wieder in die Situation, dass man schnell entscheiden muss. Da bin ich wahnsinnig froh, dass wir hier eine so gut aufgestellte Berufsfeuerwehr haben, die mich bei diesen Entscheidungen hervorragend unterstützt.
Welche wichtige Entscheidung haben Sie konkret zuletzt getroffen?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Aber an die erste erinnere ich mich gut. Am zweiten oder dritten Tag meiner Amtszeit teilte man mir mit, dass das Freibad, so wie es ist, nicht mehr betrieben werden kann, weil es massiv Wasser verliert. Es liegt im Wasserschutzgebiet. Mir war schnell klar, dass wir mit dem Land zusammenkommen müssen, weil es keine Option war, dass einer der Partner das allein tragen kann. Wir brauchten das Land in der Förderung. Und es musste eine Lösung gefunden werden, die für alle tragbar ist.
Ich habe mit dem damaligen Innenminister Roger Lewentz hier zusammengesessen, jeweils mit unseren Fachleuten, und wir haben dann hier an meinem Tisch entschieden, wie die Lösung aussieht. Das Ergebnis können Sie im Freibad sehen. Es wurden Edelstahlbecken eingebaut, der Kleinkinderbereich neu gestaltet, der Übergang zur Liegewiese optimiert und und und.
Im Folgenden wüsste ich gern ...
... wollen Sie doch noch etwas zu den Entscheidungen wissen?
Ja, nur zu.
Die letzten wirklich großen und wichtigen Entscheidungen betrafen die Unterbringung der geflüchteten Menschen in Koblenz. Es ging darum, dass wir eine größere Containeranlage ankaufen. Die Entscheidung war sehr gut vorbereitet, sodass ich die auch gut treffen konnte. Wir kaufen die Anlage der Debeka, oder besser gesagt: Wir kaufen sie vom Hersteller und werden sie fest in Kobenz für die Unterbringung von geflüchteten Menschen installieren.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Sehr bunt. Im Prinzip ist kein Tag wie der andere. Ich habe natürlich immer sehr viele Termine, sowohl interne als auch externe. Manchmal habe ich das Gefühl, dabei kommt die Arbeit am Schreibtisch ein bisschen zu kurz. Deshalb habe ich mir fürs nächste Jahr vorgenommen, dass ich zwei halbe Tage in der Woche dafür blocke. Das werde ich nicht immer durchhalten können, aber da kann ich dann wirklich mal Dinge ganz konkret am Schreibtisch tun, wie beispielsweise in Ruhe Telefonate führen und Lösungen für anstehende Herausforderungen strategisch vorbereiten.
Wie ist es für Sie, mit Ihrer Arbeit als Person in der Öffentlichkeit Ihrer Heimatstadt zu stehen?
Ich hatte beruflich schon vorher ein gutes Training. Bei der Arbeitsagentur hatte ich als Mitglied der Geschäftsführung verschiedener Arbeitsagenturen und der Regionaldirektion auch entsprechende Medientrainings. Aber diese Häufigkeit war neu für mich, und in der Politik in der Öffentlichkeit zu stehen, ist schon etwas anderes. Denn egal, was Sie tun und wie Sie es tun, es gibt immer Menschen, die wissen, dass es anders oder besser gehen könnte. Natürlich hören wir auch mal, dass wir etwas gut gemacht haben. Aber unsere Einwohner hier in Koblenz bilden ein ganz buntes Spektrum ab. Das ist auch gut so. Dementsprechend ist dann auch die Meinungsvielfalt.
An was mussten Sie sich erst gewöhnen?
Ich bin ein sehr sachorientierter Mensch. Ich musste aber lernen, dass es im politischen Kontext nicht immer nur um Sachargumente geht, sondern dass es manchmal auch um Haltungen, Einstellungen und Ideologie geht. Und ich musste lernen, dass man es nicht zu persönlich nimmt.
Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich so häufig Begründungen nachliefern muss, die aus meiner Sicht schon gut erklärt waren – und dass ich sie vor allem deshalb nachliefern muss, weil es teilweise mehr um Ideologie als um die Sache geht.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ich stand beispielsweise sehr im Kreuzfeuer der Kritik, als wir Obdachlose im Winter in den Hotels untergebracht haben, und diese später einen Gebührenbescheid erhielten. Das ist im Polizei- und Ordnungsgesetz so geregelt, und das Ordnungsamt ist damit der gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen. Als das hinterfragt wurde, hatte ich deutlich gemacht, dass natürlich nur der, der leistungsfähig ist, auch entsprechend zahlen muss. Ansonsten werden natürlich die Forderungen niedergeschlagen. Häufig gibt es aber andere Sozialleistungsträger, die das finanzieren. Da ging es lediglich darum, sich das bei anderen zurückzuholen, etwa beim Jobcenter, um nicht den städtischen Haushalt zu belasten.
Bei diesem Thema habe ich schnell gemerkt, wie emotional die Diskussion wurde bis hin zu Rücktrittsforderungen, die an mich gerichtet waren. Das war für mich wirklich nur schwer nachvollziehbar. Sowohl mein Referent Jörg Pfeffer als auch ich und die Fachämter sind immer gern bereit, Dinge noch einmal zu erläutern, wenn etwas unklar ist. Ich musste allerdings immer wieder erklären: Wir hätten es einfach nicht anders machen können. Dass es aber trotzdem so auf die persönliche Ebene ging, das hat mich betroffen gemacht.
Haben Sie darüber hinaus schlechte Erfahrungen oder Anfeindungen als Bürgermeisterin erlebt?
Ja, ich habe Anfeindungen im vergangenen Jahr im Kontext der Corona-Märsche in Koblenz zu spüren bekommen. Ich bin mit der Polizei und dem Ordnungsamt mitgegangen, um mir selbst ein Bild von der Lage zu machen. Wir wollten eine Allgemeinverfügung erlassen, weil wir sagten, dass es so nicht weitergeht. Ich denke, wenn ich das selbst miterlebt habe, dann kann ich das ganz anders einschätzen. Aber dort bin ich sowohl von Marschierenden als auch von Gegnern der Corona-Märsche heftig beschimpft worden. Ich kann es nicht wortwörtlich wiedergeben. Aber das war schon sehr heftig. Auf dem Messangerdienst Telegram wurden teilweise auch Drohungen ausgesprochen. Das sind Dinge, die lassen einen nicht kalt.
Haben Sie sich in Situationen wie diesen in Ihren alten Traumjob als Chefin der Arbeitsagentur Mayen-Koblenz zurückgewünscht?
Wenn Sie mal in richtig heftigen Situationen sind, klar denkt man dann mal, hui, was hast du denn da gemacht. Aber die Entscheidung war absolut richtig. Ich bin froh, dass ich hier sitze, und ich bin weiterhin eine absolute Überzeugungstäterin im Amt der Bürgermeisterin.
Was macht Ihnen am meisten daran Spaß?
Vor allem der Umgang mit Menschen und das Gestaltenkönnen machen mir Spaß, aber auch, dass ich für meine Heimatstadt Verantwortung übernehmen kann – das alles mache ich voller Freude.
Wie blicken Sie auf Ihre erste Halbzeit zurück, gab es Tiefschläge?
Ich habe bestimmt einige Dinge nicht durchgesetzt, aber das würde ich nicht als Tiefschläge bezeichnen. In den ersten vier Jahren ist eine Menge passiert, und wir haben viel bewegt. Wir haben den Unruheherd im Kreuzchen mit den brennenden Mülltonnen deutlich beruhigt und die Situation am Münzplatz entschärft. Wir hatten dieses Jahr viele Veranstaltungen und sind zurzeit dabei, für die Innen- und Altstadt ein Sicherheitskonzept erstellen zu lassen, das dann auch die Veranstalter nutzen können.
Auch im Amt 50, Jugend und Soziales, haben wir vieles auf den Weg gebracht. Das Dreisäulenkonzept für den Hauptbahnhof war beispielsweise etwas, womit ich direkt am Anfang konfrontiert war, dazu gehören die Toilettenanlage, die aufsuchende Sozialarbeit, aber auch die stärkere Bestreifung. Das haben wir umgesetzt, und es hat auch dort zu einer Beruhigung geführt. Ich will nicht sagen, dass alle Probleme gelöst sind. Aber wir haben vieles ein Stück weit in den Griff bekommen. Das ist wichtig.
Was waren für Sie Höhepunkte?
Ich fand es ganz toll, als ich nach dem ersten Sanierungsabschnitt ins Freibad kam und sah, wie toll das geworden ist. Wir hatten sogar mehr gemacht als wir vorhatten. Das Freibad war in der ersten Woche so ein Riesenthema für mich, und es fühlte sich einfach toll an zu sehen, was man auf den Weg gebracht hat, und auch, ein erstes Projekt abzuschließen.
Klasse war auch, als wir in der Pandemie eine Anfrage von Wissenschaftlern und Autoren bekamen, weil wir laut einer Datenanalyse zu den zehn besten Kommunen deutschlandweit zählten, die das erste Jahr der Pandemie mit am besten bewältigt hatten. Das ist natürlich ein sehr gutes Gefühl, wenn man das noch einmal von extern bestätigt bekommt. In Rheinland-Pfalz waren wir die ersten, die eine Fieberambulanz aufgebaut und Pflegehilfseinrichtungen in der IGS-Turnhalle und im Berufsförderungswerk in Vallendar eingerichtet haben.
Hätten Sie in Ihrer ersten Hälfte der Amtszeit rückblickend etwas anders entschieden?
Kleinigkeiten sicher, aber mir fällt nichts Großes ein, wo wir gesagt hätten, das hätten wir besser ganz anders gemacht.
Sie standen beispielsweise in der Kritik, weil die Feuerwehr mit Restdosen geimpft wurde, während Menschen der Prioritätsgruppe 1 noch auf ihre Termine warteten.
Ich sage bis heute, das war absolut richtig. Unsere Feuerwehr ist die Feuerwehr der Pandemie. Die haben das Impfzentrum betrieben, die erste Fieberambulanz aufgebaut und mitbetrieben, die sind in die Altenheime gefahren, haben Sauerstoff gebracht und die Menschen in den Heimen isoliert, die haben die Pflegehilfseinrichtungen aufgebaut. Die waren immer da, und wir haben sie mit Restdosen geimpft.
Damals zu sagen, man hätte ja auch ganz andere Leute anrufen können, da muss man sich bitte mal überlegen, was das bedeutet: Wenn man am Tag mehrere Hundert Menschen impft und abends noch gucken soll, wo man fünf für die Restdosen herkriegt. Das war natürlich auch eine pragmatische Lösung, aber eine, die absolut im Sinne der Funktionsfähigkeit der Feuerwehr war. Wir hatten nur eine Wache. Wenn Sie da die Pandemie reinbekommen, dann steht Koblenz ohne Schutz der Berufsfeuerwehr da. Ich kann mich schon auch kritisch hinterfragen, aber das war nicht falsch.
Wenn Sie gewusst hätten, dass so viele gesellschaftliche Krisen in Ihrer Amtszeit auf Sie zukommen, hätten Sie dann vielleicht doch die Finger vom neuen Amt gelassen?
Ich hätte im Vorfeld tatsächlich nicht gedacht, dass das alles zum Job gehört. Aber meine Feuerwehrleute haben mir mal etwas sehr Schönes gesagt: ,Frau Mohrs, Sie können Krise. Je heftiger es wird, umso ruhiger werden Sie und umso klarer sind Ihre Entscheidungen.' Das ist ein wunderschönes Kompliment, das ich gern annehme. Natürlich hätte ich mir eine ruhigere Amtszeit gewünscht, aber wenn die Dinge eben so sind, Pandemie, Ahrflut, Flüchtlingskrise, dann müssen Menschen da sein, die diesen Dingen ein Stück weit entgegenstehen und dafür sorgen, dass es trotzdem gut weitergeht. Das ist aus meiner Sicht Aufgabe von Politik – auch von Kommunalpolitik: Menschen grad in schwierigen Situationen Sicherheit und Stabilität zu geben.
Wo tanken Sie auf, schöpfen Kraft?
Ich lebe mit meiner Frau im Verbund meiner Großfamilie. Das ist absolut mein Kraftquell, auch mein Glaube. Ich habe zudem einen kleinen Freundeskreis, dem ich absolut vertrauen kann, und der auch ein Kraftquell ist.
Was haben Sie sich für die nächsten vier Jahre vorgenommen?
Ich hoffe, dass wir aus dem Krisenmodus rauskommen. Dann sollen angefangene Dinge zu einem guten Ende geführt werden. Die Freibadsanierung soll auch in den letzten Phasen gut funktionieren. Eines meiner ganz großen Projekte ist der Sportpark Oberwerth, zu dem eine Machbarkeitsstudie läuft. Wir wollen einen Sportbegegnungspunkt für Individual- und Vereinssport mit unterschiedlichen Möglichkeiten entwickeln. Ich glaube, dass dort nicht nur Sport betrieben werden kann, sondern der Sportpark auch ein herrliches Eingangstor für die Buga 2029 wäre, den wir weiterentwickeln können.
Im Sozialen wünsche ich mir, dass es uns durch die Unterstützung vieler Partner gelingt, ein gutes System für Menschen bereitzustellen, die Hilfe brauchen. Und dass wir Menschen befähigen, wieder eigenbestimmter zu leben. Das gilt sowohl für Geflüchtete als auch für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen. Mein Herzensanliegen ist, dass wir als Stadtgesellschaft noch enger zusammenwachsen und miteinander gucken, wie wir gut in die Zukunft gehen.