Bei seiner Geburt in Koblenz am 5. Oktober 1919 herrschte kurz nach dem Ersten Weltkrieg Not, Hunger und Mangel. Sein Vater betrieb einen Friseurladen am Hauptbahnhof. „Die damaligen vielen Freiflächen rund den Bahnhof bildeten für uns Kinder ein ideales Spielparadies, in dem wir rumtoben und Fußball spielten“, erinnert sich der Jubilar. Nach der Volksschule besuchte er die Höhere Handelsschule, um sich kaufmännisches Rüstzeug anzueignen. Kaum hatte er als Friseur ausgelernt, musste er wie damals üblich zum Arbeitsdienst. Der Krieg führte ihn als Soldat quer durch Europa. Er lernte in Pilsen (Tschechei) seine spätere Frau Rosel kennen, die von der Wehrmacht dienstverpflichtet war. Trotz Kriegswirren hielt man Kontakt, und 1946 wurde in Koblenz geheiratet. Als der Jubilar kurz vorher aus der Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt zurückkam, stand er vor den Trümmern seines Elternhauses und des Salons. Seine damalige wie heutige Devise „Nicht jammern, sondern anpacken“ zeigte Erfolg. Das Gebäude wurde wieder aufgebaut und ein kleiner Friseurladen eingerichtet.
Günter Scheinpflug holte die Meisterprüfung nach, und sein Salon entwickelte sich rasch zum führenden Friseurbetrieb in Koblenz. Die Koblenzerinnen durften sich gut gestylt fühlen, weil Scheinpflug schon vor 70 Jahren die ersten Dauerwellen in Rheinland-Pfalz nach dem Krieg anbot. Das Lebensgefühl der Wirtschaftswunderzeit spiegelte sich auch in den Frisuren wider. Immer höher und glamouröser musste es sein. Auch Ponyfrisuren und Elvistollen waren gefragt. Egal ob glatt, wellig oder voluminös – das Haar hatte immer natürlich auszusehen.
Zu Stammkunden zählten führende Leute aus Verwaltung, Wirtschaft, Presse, Kultur oder Sport. Deshalb ist es kein Wunder, dass zwischen Haare waschen und Fassonschnitt so manches „Problemchen“ auf dem kurzen Dienstweg gelöst wurde. Auch das leibliche Wohl der Kunden kam nicht zu kurz. Im benachbarten Cafe Besselink wurde bei Bedarf Kaffee, Kuchen, Bier, Wein oder bei besonderen Anlässen ein paar Gläser Sekt geordert.
Mehr als 40 Auszubildende erlernten im Salon Scheinpflug das Friseurhandwerk. Später wurde der Betrieb um eine Parfümerie und einen Kosmetiksalon erweitert. Im Meisterprüfungsausschuss setzte der Jubilar über Jahrzehnte Maßstäbe. Bis zu seinem 70. Lebensjahr blieb Günter Scheinflug seinem Handwerk und den Kunden treu. Er ist Mitglied von „Intercoiffure“. Die weltweite Vereinigung von Fünf-Sterne-Friseuren setzt nicht nur Qualitätsmaßstäbe, sondern übernimmt auch soziale Verantwortung – zum Beispiel für benachteiligte Kinder und Jugendliche.
Eine Wohlfühloase war stets der große Familiengarten. Entspannung und schöne Erinnerungen lieferten kulturelle Veranstaltungen, Kegelabende und der Stammtisch in einem Weinlokal. Stetiger Begleiter war auch die Rhein-Zeitung. Früher lag sie im Salon aus, und auch heute informiert sich der Jubilar gern über Neues aus der Stadt und aller Welt. Seinen 100. Geburtstag feiert Günter Scheinpflug mit Ehefrau Rosel, seinen Kindern, deren Familien und Freunden im Cafe Sonnenschein im Seniorenzentrum De Haye’sche Stiftung auf der Karthause.