Dass in Güls sinnbildlich die Hütte brennt, wurde vielen Aktiven noch einmal klar, als sie Mitte Oktober an der Veranstaltung „Regionalkultur am Ende? Nöte der Vereine“ teilnahmen. Beim Austausch, den die Gülser SPD organisiert hatte, war auch der Ehrenamtslotse aus dem Büro des Oberbürgermeisters dabei. Viele Aktive schätzen ihn, ist immer wieder zu hören, wünschten aber, er hätte mehr Entscheidungsbefugnis.
Mich macht das alles sehr sehr müde.
Franz-Josef Möhlich, Vorsitzender des Gülser Ortsrings
Die Vereine haben einen offenen Brief an die Verwaltung und den Stadtvorstadt verfasst, in dem sie vier Vorschläge machen, wie die Situation für alle Vereine in Koblenz besser werden könnte. Aktuell sammeln sie Unterschriften, die sie Oberbürgermeister David Langner am Dienstag, 5. Dezember, dem Ehrenamtstag, überreicht wollen. Bis Montag hatten knapp 1000 Gülser unterschrieben – insgesamt leben 6151 Menschen in dem Moselort (Stand: Oktober).
Viele Gülser vom Konflikt betroffen
Nicole Flick, Vorsitzende des Karnevalsvereins Gülser Seemöwen, erklärt die Aktion so: “Die Stadt soll merken, wie viele Menschen das Problem betrifft." Christopher Bündgen, der in örtlichen Vereinen aktiv ist und hier nicht als Chef der Koblenzer Grünen wahrgenommen werden möchte, verfasste den offenen Brief, der auch uns vorliegt. Der gebürtige Gülser meint: „Die Priorität des Ehrenamtes sollte bei der Stadt an Stelle eins stehen und nicht gefühlt an Stelle 17.“
Die Lage in Güls ist angespannt - und die Sorgen der Vereinsleute sind nachvollziehbar. Wenn die Stadt nicht schneller handelt, verfällt das Bühnenhaus immer weiter und mit ihm das Vertrauen in die Verwaltung, kommentiert Redakteurin Katrin Steinert.Kommentar zum Frust in Güls: Die Stadt muss schneller handeln
Die Stadt kontert auf Anfrage unserer Zeitung, ob das Ehrenamt im praktischen Alltag keinen Stellenwert hat: „Dass dem nicht so ist, ist doch dadurch erkennbar, dass es eine Stelle des Ehrenamtslotsen im Dezernat 1 gibt und einen einheitlichen Ansprechpartner beim Ordnungsamt, der für Genehmigungsverfahren für Veranstaltungen zuständig ist.“
Wir haben das Gefühl, uns werden eher Steine in den Weg gelegt, als dass geguckt wird, wie man uns helfen kann.
Christopher Bündgen, war Vorsitzener im Musikverein
Bündgen betont, dass es immer schwieriger wird, Leute für die Vorstandsarbeit in Vereinen zu finden. Und die, die es machen, sind aufgerieben, weil sie sich alleingelassen fühlen. Bündgen erklärt: „Wir haben das Gefühl, uns werden eher Steine in den Weg gelegt, als dass geguckt wird, wie man uns helfen kann.“ Exemplarisch nennt er wiederkehrende Veranstaltungen wie das Blütenfest oder den Adventsmarkt, die jedes Jahr neu beantragt werden müssen und jedes Jahr erneut geprüft werden.
Vereine wollen planen können
An deren Genehmigungen sind mehrere Ämter beteiligt. „Und das Okay kommt dann meist erst kurz vor dem Fest“, sagt Bündgen. Verpflichtungen mit Künstlern und Firmen gingen die Vereinsvorstände aber oft ein bis anderthalb Jahre vorher ein, und hätten keine Planungssicherheit. „Wir machen das alle ehrenamtlich“, betont er.
Aus der Pressestelle der Stadt heißt es dazu: „Die Stadt Koblenz steht im gutem und regen Austausch mit den Veranstaltern, welche wiederkehrende Veranstaltungen in Güls planen und durchführen.“ Bei Treffen von Ordnungsamt und Veranstalter im Frühjahr, um das Blütenfest durchzusprechen, erhalte der Veranstalter die erforderliche Planungssicherheit. Danach müssen weitere Fachbehörden beteiligt werden. Dabei „hält die Ordnungsbehörde den Veranstalter stets auf dem laufenden Stand, informiert ihn über behördliche Anforderungen zur Gefahrenabwehr und begleitet ihn somit im gesamten Genehmigungsprozess“.
Einer, der die Lage der Vereine bestens kennt, ist Franz-Josef Möhlich. Der 63-Jährige ist Vorsitzender des Gülser Ortsrings, in dem die Vereine organisiert sind, und wirkte elf Jahre als AKK-Präsident. Möhlich ist stinksauer und poltert: „Da wird doch immer nur geguckt, dass die Vorschriften zu 1000 Prozent erfüllt sind, und nicht, wie man das anders lösen könnte.“
Bühnenhaus verkommt immer mehr
Wir treffen den Gülser im alten Bühnenhaus, das nur noch wenige Vereine nutzen. Es hätte längst zum richtigen Bürgerhaus umgebaut werden sollen, wo Alt und Jung basteln, krabbeln, singen oder tanzen, und wo Menschen ihren Geburtstag feiern. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zuletzt verkommt das Gebäude immer mehr.
Das Dach ist undicht, es hat in Strömen rein geregnet. Das Erdgeschoss war mehrfach geflutet. Die Heizung fällt seit Langem immer wieder aus, und der Jugendtreff im Keller ist auch seit einigen Monaten dicht – wegen Nässe bildete sich Schimmel. Eigentümerin des Bühnenhauses: die Stadt Koblenz.
Vieles, was zur Schadensbegrenzung gemacht wurde, wie Wasser herauspumpen, Heizung in Gang bringen, Elektrikanschlüsse und -verteiler für den Wochenmarkt bereitstellen: Das übernehmen oftmals Privatleute, Ehrenamtler, die in Vereinen aktiv sind, sagt Möhlich. „Aber das ist doch Aufgabe der Stadt!“
Mit dem Verfall des Bühnenhauses fehlt im Ort ein wichtiger Treffpunkt. Der Frust ist dem 63-Jährigen anzumerken. „Mich macht das alles sehr sehr müde“, sagt er, während er drinnen auf der Treppe sitzt, den Saal im Rücken, wo nur noch wenige Tanzgruppen proben.
Sein Blick schweift durch den Flur, in dem die alten Wasserränder auf Schienbeinhöhe mit Salpeter gesäumt sind. Der Lagerraum ist immer noch nass, im Korb, in dem Geschirr lagert, steht das Wasser, das von oben runterfloss. „Es sollte hier alles so schön werden, und was ist passiert? Nichts!“
Möhlich betont: „Ich kenne niemanden, der so mit seinem Eigentum umgeht. Dreimal haben wir die Stadt informiert, dass es bei starkem Regen in Bächen rein regnet. Erst als wir den OB informierten, tat sich was“, lautet der Vorwurf der Vereine, den Möhlich formuliert.
Dach nach vier Wochen repariert
Auf Nachfrage erklärt die Pressestelle der Stadt: „Der erste Wasserschaden wurde der Stadtverwaltung am 17. August gemeldet.“ Bei dem Starkregenereignis in der Nacht zuvor kam es zu einem Wassereinbruch ins Gebäude. „Die zuständige Rahmenvertragsfirma wurde am 18. August mit der Reparatur des Daches beauftragt.“ Doch am 13. September regnete es erneut in Bächen rein. Deshalb informierten Möhlich und Co. dann nicht mehr nur die Verwaltung, sondern auch den Oberbürgermeister als Chef direkt mit.
Auf Nachfrage unserer Zeitung, wann das Dach von der Vertragsfirma tatsächlich repariert wurde, heißt es nun: „Die Arbeiten fanden am 14. September statt.“ Also tatsächlich erst, als auch der OB informiert worden war.
Nicole Flick, Chefin der Gülser Seemöwen, von denen drei Tanzgruppen den Saal nutzen, erzählt, dass auch sie den Wasserschaden an den Ehrenamtslotsen weitergab, mit der dringenden Bitte einzuschreiten. „Aber ich bekam keine Info, ob das erledigt wurde“, ärgert sie sich. Sie konnte also auch ihren Gruppentrainern nicht sagen, was Sache ist. „Es ist mühsam, keine Informationen zu erhalten.“
Mit Finanzspritzen durchs Stadtdörferprojekt soll das Haus künftig saniert und zum Bürgertreff hergerichtet werden. Das Land übernimmt dabei 186.500 Euro, bei der Marktplatzumgestaltung 93.250 Euro. Die Stadt legt 332.250 Euro obendrauf. Franz-Josef Möhlich ärgert sich, dass noch nichts passiert sei: „Die Pläne lagen schon vor zwei Jahren vor.“
Das erste OG, zu dem eine schmale steile Treppe führt, sollte nutzbar gemacht werden, was sich als zu teuer zeigte, weil es mittels Außenaufzug barrierefrei erschlossen werden müsste. Die WC-Anlagen und eine kleine Teeküche sollen neu gemacht und drei Lagerräume angebaut werden – für Vereine, das Marktteam und als Lager fürs Haus.
Koblenz. Genau 917.250 Euro fließen in der zweiten Runde des Landesprogramms „Stadtdörfer“ von Mainz nach Koblenz. Damit werden Bau- und Gestaltungsprojekte in Arzheim, Güls und Arenberg-Immendorf gefördert.Innenminister übergibt Förderbescheide: Fast 2 Millionen Euro für Koblenzer „Stadtdörfer“
Wie weit sind die Projekte?
Viele Gülser fragen sich, warum bislang nichts in Sachen Sanierung passierte. Die Fördergelder müssen bis Ende 2023 abgerufen werden. Möhlich und Bündgen sind besorgt, dass sie ungenutzt verfallen.
Auf Anfrage erklärt die Stadt: „Die ersten Vorplanungen für den Erdgeschossumbau liegen bereits seit Oktober 2021 für die Förderantragsstellung vor.“ Allerdings mussten verschiedene Varianten für den Dachgeschossausbau und eine barrierefreie Erschließung erstellt und geprüft werden. Das ist laut Stadt aber wegen der enormen Kosten für den Aufzug nicht umsetzbar. Zudem mussten Varianten für den Lageranbau und die barrierefreie Erschließung des Erdgeschosses erstellt und geprüft werden, was auch eine private Anliegerstraße betraf.
Die rechtliche Prüfunge konnte erst im Oktober 2023 abgeschlossen werden, heißt es. Dazu kamen technische Varianten und Klärungsbedarfe, die hinsichtlich Heizung, Sanitär und Lüftung abgestimmt werden mussten. Wie auf Nachfrage zu erfahren ist, hat die Stadt weitere 702.000 Euro für die technische Sanierung des Bühnenhauses eingeplant.
Gute Nachrichten für die Gülser Vereine: Die Stadt kauft per Eilentscheid das alte Bühnenhaus samt Gelände an der Gulisastraße – und kommt einem Privatinteressenten zuvor. Zurzeit läuft die Abwicklung.Stadt kauft per Eilentscheid das Bühnenhaus: Gülser Vereine sind erleichtert
Der Mittelabruf für das Stadtdörferprojekt 2023 sei dem Land fristgerecht vorgelegt worden. Auf Nachfrage heißt es: „Die Stadt hatte die Verlängerung für die Einzelprojekte im Mai 2023 beantragt. Der Mittelabruf 2023 wurde im Oktober beim Land eingereicht.“
Aber nicht nur die Zukunft, sondern auch der aktuelle Zustand beschäftigt Nicole Flick: „Was ist mit dem feuchten Keller? Werden Trocknungsgeräte aufgestellt? Wann kann er wieder von den Jugendlichen genutzt werden?“ Flick findet es schlimm, dass die Vereine kaum Infos bekämen. „Es ist ja nett, dass die Stadt das Bühnenhaus gekauft hat. Aber dann soll sie es auch instand halten.