Auch wenn Kenner durchaus mit dem Ergebnis gerechnet hatten, gab es dennoch eine Überraschung, die den nicht öffentlichen Teil der Sondersitzung des Kreistages in der Vallendarer Stadthalle in die Länge zog. Wie Achim Hütten (SPD) im folgenden öffentlichen Teil bekannt gab, hatte sich derder Konzernbetriebsrat des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein eingeschaltet. Von dieser neuen Entwicklung erfuhren einige Kreistagsmitglieder erst sehr spät. Da es in dem Schreiben des Gremiums aber um die Bewahrung der Interessen der Mitarbeiter ging, einigte man sich darauf, den ursprünglichen Beschluss zu erweitern. Demnach muss der der Konzernbetriebsrat des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein bei den nun folgenden Detailverhandlungen gehört werden.
Perspektiven für Mitarbeiter schaffen
Themen sind dabei unter anderem Bezahlung nach Tarif, Zusatzversorgung der Mitarbeiter und die langfristige Sicherung der Arbeitsplätze. Diese Sicherheitskomponente dürfte am Ende zu dem deutlichen Abstimmungsergebnis beigetragen haben. Was am Abend der Entscheidung noch fehlte, war die Zustimmung des Koblenzer Stadtrates, die in der Sitzung am Donnerstag folgen sollte, und der Gremien der beteiligten vier kirchlichen Stiftungen, die sich in den kommenden Tagen mit gleichlautenden Beschlussvorlagen befassen werden. Sollte es grünes Licht geben, können die Details verhandelt und zum Jahresende ein notarieller Kaufvertrag abgeschlossen werden.
Eine für uns sehr wichtige Grundvoraussetzung ist, dass die kommunalen Gesellschafter dauerhaft eine starke Stellung im Unternehmen beibehalten und mit rund 40 Prozent beteiligt bleiben.
Landrat Alexander Saftig
Aus Sicht der Befürworter ist die Entscheidung pro Sana keine klassische Privatisierung, zumal die Rechtsform der gemeinnützigen GmbH erhalten bleibt und die Gründungsgesellschafter des GK weiterhin eine starke Position einnehmen. Darauf wies auch Alexander Saftig hin. „Eine für uns sehr wichtige Grundvoraussetzung ist, dass die kommunalen Gesellschafter dauerhaft eine starke Stellung im Unternehmen beibehalten und mit rund 40 Prozent beteiligt bleiben“, so der Landrat, der auch Vorsitzender der Gesellschafterversammlung des GK ist. Saftig wies zudem auf die Einbindung der Interessenvertretungen für die rund 4300 Mitarbeiter inklusive der Gewerkschaften hin.
400 Millionen Euro erforderlich
Für den Einstieg von Sana gibt es vor allem finanzielle Argumente. So stellte Jörg Lempertz für die CDU heraus, dass die erforderlichen Investitionen in das GK so hoch seien, dass sie von den bisherigen Gesellschaftern unmöglich allein gestemmt werden können. Im Raum steht eine Gesamtsumme von rund 400 Millionen Euro. Davon sind 300 Millionen Euro für den Standort Koblenz und ein hoher zweistelliger Millionenbetrag für St. Elisabeth in Mayen vorgesehen. Hier sollen das Evangelische Stift St. Martin und der Kemperhof zu einem Haus verschmolzen werden. Im Zuge der damit verbundenen Investitionen soll der Standort Koblenz in seiner Rolle als Maximalversorger gestärkt werden.
Jörg Lempertz betonte, dass man keinen Moment mehr warten könne, weil sonst eine Chance vertan würde. Aus seiner Sicht spricht für die Entscheidung pro Sana einiges: Der Konzern, der bereits die Geschäftsführer am GK stelle, kenne die Verhältnisse und sei offen für Verhandlungen. Andernfalls müsste man europaweit ausschreiben, und dann gehe es, betonte Lempertz, nur noch ums Geld. Diese Argumente teilt auch die SPD, wobei die Fraktion vor allem den Qualitätsanspruch herausstellte. „Es geht um Hochleistungsmedizin im Großraum Koblenz“, machte Achim Hütten deutlich. Er hob hervor, dass die Entscheidung vor allem Planungssicherheit für die Mitarbeiter bringen wird. „Das Gemeinschaftsklinikum stand mit dem Rücken zur Wand“, bilanzierte Ekkehard Raab (FDP). Und aus Sicht der Grünen, die ebenfalls mit Ja stimmten, hat das ständige Hin und Her die Mitarbeiter stark belastet. Martin Schmitt hob hervor, dass es nun ein professionelles Management, wirtschaftliches Stärke und ein starkes Team als tragende Säule brauche.
Privatisierung durch die Hintertür?
Und was sagen die Kritiker? Sie werfen den Befürwortern vor, nach der ersten richtungweisenden Entscheidung im Kreistag am 16. Juli 2021 nicht mehr ernsthaft über Alternativmodelle nachgedacht zu haben. Zwar bescheinigte Ralf Schmorleiz (FWG) der Kreisverwaltung und der begleitenden Kanzlei Martini, Mogg, Vogt ein hohes Maß an Professionalität, doch sei am Ende alles zugunsten von Sana gelaufen. Aus FWG-Sicht ist auch eine Mehrheitsbeteiligung des Konzerns letztendlich nichts anderes als eine Privatisierung. In diesem Sinne äußerten sich auch Hans-Georg Schönberg (FWM3) und Aziz Aldemir (Die Linke). Sie hoben hervor, dass die Verhandlungsmacht des Kreistags gegenüber Sana seit einem Jahr gleich null ist. Und: Der Konzern habe immer wieder den Druck erhöht, zuletzt durch Kündigung des Managementvertrags zum 31. März 2023. Das zeuge nicht von Verhandlungen auf Augenhöhe, sondern zeige eher die kalte Schulter des Investors, so Schönberg, der den politisch Verantwortlichen auch vorhielt, sich wegzuducken. Er ergänzte: „Dass die Gemeinnützigkeit des GK zeitlich begrenzt ist und unter der Sana Kliniken AG enden wird, pfeifen bereits die Spatzen vom Kreishausdach.“
Bislang mangelhafte Finanzierung
Ganz anders die AfD, die für den Grundsatzbeschluss stimmte. „Die viel beschworenen Forderungen, wonach unsere Krankenhäuser in die öffentliche Hand gehören, wären sinnvoll, wenn die verantwortlichen Stellen im Bund, wie in den Ländern, dies tatsächlich so gewollt hätten“, betonte Walter Scharbach.
Der Fraktionschef ergänzte: „Aufgrund der bekannten mangelhaften Finanzierung der Krankenhäuser durch das Land und Managementfehler innerhalb des GKM-Konzerns befinden wir uns heute in einer Situation, in der die Zukunft des GKM und der damit verbundenen 4000 Arbeitsplätze bedroht ist und nur noch durch eine Mehrheitsbeteiligung eines finanzkräftigen Investors gesichert werden kann.“ Auch sein Fraktionskollege Horst Knopp bewerte das neue Modell einen Beitrag zur Zukunftssicherung.