Deshalb sagen Ulrike Bourry, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Koblenzer Stadtrat, und ihr Stellvertreter Ulrich Kleemann im RZ-Interview: „Die Zeit drängt, der Druck wächst. Im Februar wird es einige wichtige Entscheidungen geben.“
In einer Serie bittet die RZ die Vorsitzenden der Koblenzer Ratsfraktionen zum Redaktionsgespräch, um eine Einschätzung zu den großen Themen zu geben und darüber zu sprechen, was in diesem Jahr aus ihrer Sicht Wichtiges ansteht. Heute geben die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Ulrike Bourry und Ulrich Kleemann einen Ausblick.
Frau Bourry, Herr Kleemann, kurz vor Weihnachten haben die Stadt Koblenz und der Kreis MYK beschlossen, dass sie das Klinikum finanziell noch mal unterstützen, zunächst mit 5 Millionen Euro, dann mit weiteren 3,5 Millionen Euro. Warum haben Sie so entschieden?
Ulrich Kleemann: In der Politik ist eine breite Mehrheit dafür, da zu schauen, dass es ein tragfähiges Zukunftskonzept für das GKM gibt. Wir als Grüne sind noch immer dafür, Alternativen zu Sana zu prüfen. Aber die Zeit drängt, daher haben sich der Koblenzer Stadtrat und der Kreistag MYK entschieden, dem GKM weiteres Geld zur Verfügung zu stellen.
Sie haben sich also Zeit erkauft?
Ulrike Bourry: Ja, damit wir mehr Optionen haben, die wir sonst unter noch größerem Zeitdruck nicht hätten.
Ist Sana denn der richtige Partner, um die Mehrheitsanteile am GKM zu übernehmen?
Bourry: Klar ist: Die Sache mit dem Weihnachtsgeld ist bei niemandem auf Verständnis gestoßen und hat bei der Belegschaft immenses Vertrauen verspielt. So geht man nicht mit Mitarbeitenden um. Aber letztlich wird das nicht ausschlaggebend sein. Wir als Koblenzer Stadtrat entscheiden aber bekanntlich nicht allein, es gibt den Kreis und die Stiftungen. Jeder Beteiligte hat seine eigene Sichtweise, das macht die Entscheidung nicht einfacher. Am Ende muss für alle, für die Bürger:innen und die Mitarbeitenden, etwas Gutes rumkommen.
Wie stellt sich die derzeitige Lage aus Ihrer Sicht da? Worauf kommt es an?
Kleemann: Es gibt drei Schienen. Erstens: Am 1. April wird die Geschäftsführung neu besetzt, die Ausschreibung läuft, es gibt Interessensbekundungen von fähigen Unternehmen. Zweitens: Durch ein Gutachten, das wir als Stadtrat in Auftrag gegeben haben, wird juristisch geprüft, ob der Verkaufsprozess vergaberechtlich einwandfrei ist. Denn neben Sana gab und gibt es auch andere Bewerber, etwa die Johanniter, die schon lange sehr interessiert sind und einen Preis genannt haben. Die dritte Schiene ist: Mit Sana und den Johannitern laufen Gespräche, dazu auch mit den Banken. Im Februar wird es einige wichtige Entscheidungen geben.
Wegen den Verhandlungen mit Sana gibt es die große Sorge, dass die Kommunen und Stiftungen das Ruder beim GKM aus der Hand geben. Bei den Johannitern als Partner wäre das genauso.
Kleemann: Der Zeitdruck, unter dem wir stehen, macht es so schwer, über Alternativen nachzudenken. Ich habe mich immer für eine kommunale Lösung starkgemacht, das hätte ein Zweckverband sein können. Aber wenn zum Zeitdruck die Stiftungen noch das Verfahren blockieren und der Kreis auch kein Interesse an einer Alternative hat, wählen wir mit dem Verkauf das kleinere Übel.
Bourry: Das Angebot funktioniert nur für den Klinikverbund, man kann nicht die beiden Koblenzer Krankenhäuser herauslösen und allein für sie entscheiden. Das ist unser Knebel. Wenn man zwei Angebote hat, kann man wählen. Es geht dann nicht nur um den Kaufpreis, sondern auch um die Eckpunkte. Ich kenne das Tageszentrum der Johanniter am Kemperhof, damit sind sie für mich ein lokaler Player. Aber klar ist: Wir müssen auf Basis der Faktenlage entscheiden.
Die Stiftungen haben sich lange Zeit nicht öffentlich geäußert und bisher eher eine klare Abwehrhaltung zu allem gehabt. Kürzlich haben sie dann mitgeteilt, sie hätten ein Ergebnis mit Sana erzielt, seien aber beim Verkaufspreis deutlich runtergegangen.
Bourry: Das hat mich stark befremdet. Es kann nicht sein, dass die Stiftungen verhandeln, ohne Stadt und Kreis zu informieren. Bei uns gibt es auch viele Fragezeichen, aber ein Alleingang geht nicht.
Kleemann: Das war wie auf einem Basar. Die Stiftungen sahen ihre Felle davonschwimmen. Das hat den Preis enorm reduziert und geht zulasten der Kommunen. Die Stiftungen wollen aus den Verhandlungen Geld herausholen, aber kein Kapital investieren. Das hilft natürlich nicht weiter. Es geht doch darum, ein besseres Ergebnis für das GKM zu erzielen, auch aus vergaberechtlicher Sicht.
Wie geht es nun weiter? Sind Sie bis zum 1. April mit den Verhandlungen so weit, dass man sagen kann, es braucht danach keine Geschäftsbesorgung mehr?
Bourry: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir erst nach dem 1. April einen Abschluss mit einem der Interessenten haben werden. Es wird immer schwieriger, die Zeit drängt, der Druck wächst.
Kleemann: Im Februar müssen die Entscheidungen getroffen werden. Die Optionen sind: Sana übernimmt die Mehrheitsanteile, Sana übernimmt sie nicht, oder die Johanniter übernehmen sie. Entscheidend ist, was die juristische Prüfung bringt.
Mal abgesehen vom GKM, welche anderen wichtigen Themen unter derzeit schwierigsten Rahmenbedingungen stehen dieses Jahr aus Grünen-Sicht an?
Bourry: Das wichtigste Thema ist für uns weiterhin der Klimaschutz. Mit einem Förderprogramm für Kommunen gibt uns das Land die Chance, da ganz viel zu machen – etwa die Prüfung der Nutzung der Moselwärme für das neue Hallenbad oder für ein Nahwärmekonzept für Industriegebiete. Dazu gibt es viele kleinere Maßnahmen, etwa zu Fotovoltaikanlagen, Umstellung auf LED und bei Heizungsanlagen.
Kleemann: Bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen in Koblenz sehen wir noch Luft nach oben.
Wie zufrieden sind Sie mit dem, was beim Radverkehr bislang erreicht worden ist?
Bourry: Wer durch Koblenz fährt, merkt eine absolut deutliche Verbesserung. Auch wenn man sagen könnte, manche Dinge sind nur aufgemalt worden. Es gibt die erste Fahrradstraße, bessere Verbindungen in der Stadt und im März ein Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof. Ich fahre sehr viel Rad, da ich auf ein eigenes Auto verzichte. Das Nächste sind die Ampelschaltungen, die man verbessern kann. Wir dürfen uns nicht ausruhen. Die Stadt hat viel vor, die Verwaltung braucht Zeit zur Umsetzung. Aber wir müssen auch hinterher sein, das ist unser Job.
Kleemann: Ja, das Fahrradparkhaus freut uns, und es passiert insgesamt viel. Aber jetzt müssen wir die Verkehrsführung rund um den Bahnhof und die Löhrstraße im Blick haben. Wir werden hier einen Schwerpunkt setzen.
Bourry: Einen Schwerpunkt haben wir auch bei dem Ausbau der Schulsozialarbeit gesetzt. Den jungen Menschen geht es nach der Pandemie gar nicht gut. Da sind Hilfe und Beratung sehr wichtig und entlasten die Familien. Für den Stadtteil Neuendorf wünschen wir uns ein ganzheitliches Konzept der Jugend- und Jugendsozialarbeit mit entsprechenden Räumlichkeiten. Die müssen jetzt dringend gebaut werden. Derzeit ist der Förderantrag gestellt. Die Umsetzung muss zügig erfolgen, ebenso wie die inhaltliche Weiterentwicklung.
Wenn das Geld im städtischen Haushalt überall immer knapper wird, muss man dann nicht Steuern erhöhen?
Kleemann: Wir haben erneut einen ausgeglichenen Haushalt, daher ist das von der Aufsichtsbehörde bislang nicht gefordert worden. Wir haben den Beschluss gefasst, dass die Realsteuern nicht erhöht werden. Insgesamt müssen wir schauen, ob wirklich jede geplante Erhöhung von Abgaben sinnvoll ist, etwa bei der Abfallentsorgung. Wir gehen mit Erhöhungen eher moderat um.
Gibt es etwas, das Sie sich trotz der schwierigen Lage derzeit für dieses Jahr und für Koblenz erhoffen?
Bourry: Ganz viel, etwa beim Großthema Fortschreibung Flächennutzungsplan, der zukunftsweisend für Jahrzehnte sein wird. Da stellt sich die Frage, wo es Sinn macht, neue Flächen auszuweisen und wo wegen des Klimaschutzes nicht. Wir wollen noch lange in Koblenz leben und müssen daher das Klima schützen, um uns nicht hinterher an den Klimawandel noch stärker anpassen zu müssen.
Kleemann: Durch die Kessellage ist Koblenz klimatisch besonders betroffen, und das wird sich künftig noch verschlimmern.
Das Interview führten Ingo Schneider und Jan Lindner