Motorenlärm und Brandbomben
Großer Luftangriff auf Koblenz jährt sich zum 80. Mal
Das Foto, aufgenommen im Mai 1945, zeigt das zerstörte Koblenz zwischen der Schlossstraße/Stegemannstraße, dem damaligen Kaiser-Wilhelm-Ring (rechts), der heute Friedrich-Ebert-Ring heißt und dem Kurfürstlichen Schloss am Rhein (hinten links).
Landeshauptarchiv Koblenz, LHAKo

Vor genau 80 Jahren warfen mehr als 120 englische Flugzeuge Brandbomben und Luftminen auf Koblenz ab. Der Angriff ist tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert. Unsere Zeitung hat sich mit Videos und Interviews auf Spurensuche begeben.

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Wer mit Menschen spricht, die den großen Luftangriff auf Koblenz am 6. November 1944 miterlebt haben, der hört viele verschiedene Geschichten, erfährt von ganz verschiedenen Gefühlen und Erlebnissen. Die Erinnerungen fließen mal hierhin, mal dorthin. Manchmal haben sie Lücken, meist sind sie sehr subjektiv, immer sind sie nur ein Teil einer größeren Erzählung.

Ein Bild hat sich bei allen eingeprägt

Doch ein Bild hat sich fast allen Zeitzeugen eingeprägt, zumindest jenen, die unsere Zeitung in den vergangenen Wochen besucht hat. Sie erinnern sich gut an den Himmel über Koblenz. „Er glühte, der ganze Himmel glühte“, heißt es dann, oder: „Er brannte rot.“ Die zahlreichen Feuer in der Rhein-Mosel-Stadt loderten stundenlang in dieser Novembernacht und spiegelten sich am Firmament, weithin war das zu sehen.

Am heutigen Mittwoch jährt sich der große Luftangriff auf Koblenz zum 80. Mal. Bombardierungen auf die Rhein-Mosel-Stadt gab es schon davor und noch danach, aber der Luftangriff am 6. November 1944 war mit Abstand der schwerste. Danach war das damalige Koblenzer Stadtgebiet zu fast zwei Dritteln zerstört, in der Innenstadt stand kaum ein Stein mehr auf dem anderen, Zehntausende verloren ihr Zuhause. Als gegen 19.11 Uhr die Sirenen aufheulten und klar war, dass ein großer Angriff droht, flüchteten die Koblenzer in die Luftschutzkeller.

Ab etwa 19.30 Uhr warfen 122 Lancasterbomber der britischen Royal Air Force unter ohrenbetäubendem Motorenlärm Bombe um Bombe auf die Stadt. Binnen weniger Minuten richteten die Tausenden Stabbrandbomben, kombiniert mit mehr als 100 tonnenschweren Luftminen, ein Inferno und schwere Verwüstungen an. Mehr als 100 Menschen starben, 600 wurden verletzt.

Auch bekannte Gesichter

Die Redaktion unserer Zeitung hat schon im Sommer beschlossen, dem Jahrestag der Bombardierung einen multimedialen Schwerpunkt zu widmen. Unsere Reporterinnen und Reporter haben Zeitzeugen gesucht, getroffen und interviewt , darunter den Stadtführer, Autor und „Ur-Koblenzer“ Manfred Gniffke sowie die frühere Bundestagsabgeordnete Roswitha Verhülsdonk.

Sie haben Archivmaterial durchforstet, Bilder gesichtet, Videointerviews aufbereitet. Das Ergebnis dieser Recherchen gibt es hier, auf den Seiten 20 und 21 dieser Ausgabe, sowie online auf www.rhein-zeitung.de . Der Ansatz dieser Berichterstattung war und ist nicht die einseitige Darstellung der Koblenzerinnen und Koblenzer als Opfer der englischen und amerikanischen Fliegerangriffe.

Tief im kollektiven Gedächtnis verankert

Der Luftkrieg, den Nazideutschland vor allem gegen England entfesselt hatte, traf in den Jahren zuvor ebenfalls in schlimmem Maße die britische Zivilbevölkerung. Indes: Der 6. November 1944 war eben auch für Koblenz eine Zäsur, die sich tief ins kollektiv-historische Gedächtnis der Stadt an Rhein und Mosel eingegraben hat und die sie bis heute auch städtebaulich prägt. Der englische Luftangriff ist ein für die Rhein-Mosel-Stadt bedeutendes historisches Ereignis, das nachgezeichnet und erklärt gehört.

Unsere Redaktion möchte die Berichterstattung um einem Appell ergänzen: Noch gibt es Menschen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, die erklären können, wie sich Krieg anfühlt, die das Unvorstellbare ein Stück weit vermitteln können. Diese Zeitzeugen werden immer weniger. Wir sollten ihnen zuhören, solange es sie noch gibt.

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