Koblenz – Vor mehr als zehn Jahren hat die Stadt Koblenz illegalen Schmierereien den Kampf angesagt. Heute steht fest: Sie hat gewonnen. Graffiti sind aus dem Stadtbild quasi vollständig verschwunden. Zu danken ist das einer Gruppe von Mitarbeitern der Verwaltung. Die „Taskforce“ rückt mit Spezialgerät jedem Schriftzug und jedem Bild zu Leibe, das Wände verunstaltet.
71.293 Quadratmeter an Graffiti-Schmierereien hat die Stadt Koblenz seit 2001 entfernen und überpinseln lassen – eine Fläche, die etwa der Größe von zehn Fußballfeldern entspricht. Bei rund 25 Euro, die pro Quadratmeter Reinigung an Kosten anfallen, hat der Kampf gegen die Sprayer das Rathaus und damit den Steuerzahler rund 1,8 Millionen Euro gekostet. Gut angelegtes Geld, wie Berthold Temmler überzeugt ist. Der Leiter der „Graffiti-Taskforce“ unter dem Dach des Koblenzer Entsorgungsbetriebes kann rund zwölf Jahre, nachdem seine Einheit etabliert wurde, eine positive Bilanz ziehen: „Die Graffiti sind von Jahr zu Jahr weniger geworden. Eine echte Szene gibt es in Koblenz heute nicht mehr“, stellt Temmler fest.
2001 wurde Temmler nach einem entsprechenden Stadtratsbeschluss quasi über Nacht zum Graffiti-Beauftragten der Stadt. Bis dato Werkstattleiter beim Entsorgungsbetrieb, sollte der gelernte Kfz-Meister gemeinsam mit einem weiteren Kollegen an seiner Seite konsequent gegen die an allen Ecken und Enden mit Farbschmierereien zugesprühte Stadt vorgehen – und den Sprayern dabei massiv auf den Pelz rücken. „Unsere Strategie von Anfang an war: Erst einmal die Altlasten reinigen und dann neue Aktionen sofort im Keime ersticken“, erinnert sich Temmler. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Bereits ganz früh am Morgen, spätestens ab 3 Uhr in der Frühe, gibt es Kontrollfahrten. Werden neue Graffiti entdeckt, dann rückt sofort der Reinigungstrupp aus. Dazu steht beim Entsorgungsbetrieb ein spezielles Fahrzeug zur Verfügung, ausgestattet mit Stromgenerator, Hochdruckreinigern, allerhand Chemikalien, Farbeimern und einer hochmodernen Farberkennungsmaschine. „Die brauchen wir, um den genauen Farbton zu treffen, wenn wir die Graffiti mit dem original Farbton einer Hauswand oder Mauer wieder überstreichen wollen“, erklärt Temmler. Warum aber diese Eile am Morgen? „Ganz einfach, weil wir den Sprayern den Triumph nicht gönnen wollen. Wenn die am Morgen sehen, dass ihr Kunstwerk schon wieder verschwunden ist, dann ist die Motivation ganz schnell dahin, es noch einmal zu probieren.“ Dass diese Taktik wirkt, zeigt die Statistik: „Heute kann man von einem Graffiti-Problem in Koblenz eigentlich gar nicht mehr sprechen. Was wir entdecken, sind überwiegend Schmierereien mit Edding auf Briefkästen und gefliesten Fassaden“, erklärt Temmler.
In der Szene habe sich schnell herumgesprochen, dass Koblenz ein gefährliches Pflaster ist. Auch das spiegelt sich in den Zahlen wider: 11.794 Farbschmierereien hat das Ordnungsamt seit 2001 zur Anzeige gebracht. Etliche Täter wurden auf frischer Tat ertappt – und zum Teil hart bestraft. Das konnte durch eine enge Kooperation mit der Polizei erreicht werden, die auf ihren nächtlichen Streifenfahrten verstärkt auch auf die Sprayer achtet. Waren es 2001 noch täglich rund 300 Quadratmeter, die der Reinigungstrupp säubern musste, sind es heute nur noch 15 bis 20 Quadratmeter täglich.
Ein weiterer Mosaikstein im Kampf gegen die Sprayer war zudem eine Zusammenarbeit mit den örtlichen Baumärkten. „Die haben Farbsprühdosen, deren Verfallsdatum überschritten war, früher einfach verschenkt“, erzählt Temmler, „für Sprayer war das natürlich eine feine Sache, dass sie das Material auch noch kostenlos bekommen haben.“ Schon im Jahr 2002 vereinbarte der Entsorgungsbetrieb mit den Unternehmen, die abgelaufenen Spraydosen abzuholen und auf städtische Kosten zu entsorgen. Damit war die Gratisquelle versiegt.
Ganz verschwunden sind die gesprühten „Kunstwerke“ aus dem Stadtbild allerdings noch nicht, wie Temmler einräumt. „Hin und wieder schlagen die Sprayer doch noch einmal mit größeren Aktionen zu.“ 2007 etwa war über Nacht die komplette Lärmschutzwand entlang der Römerstraße an der B9 zugesprüht. Ein Jahr später verursachten Sprayer im Lützeler Industriegebiet einen erheblichen Schaden an den Fassaden mehrerer Firmengebäude. Die Täter konnten nicht ermittelt werden, wie Temmler immer noch bedauert. Auf frischer Tat geschnappt wurde dagegen ein junger Mann, der gegen halb vier Uhr morgens auf der Schlossstraße Liebesgrüße an seine Freundin auf die Straße sprühen wollte. „Der wollte sogar noch weitersprühen, als die Beamten der Polizei schon hinter ihm standen“, erinnert sich Berthold Temmler, der „bei so viel Doofheit“ sogar ein wenig Mitleid mit dem Täter empfindet.
Von unserer Mitarbeiterin Annette Hoppen