Bei den fast 4300 Mitarbeitern sind Frust und Unverständnis groß - Geschäftsführerin verweist auf schlechte finanzielle Lage
GKM kürzt Weihnachtsgeld um 70 Prozent: Frust und Unverständnis bei den fast 4300 Mitarbeitern sind groß
Um das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gibt es seit Monaten Diskussionen. Der Verkauf der Mehrheitsanteile an einen Investor wegen Geldsorgen ist umstritten. Nun wird den Beschäftigten offenbar das Weihnachtsgeld gestrichen.
Sascha Ditscher

Koblenz/Region. Schock, Ärger, Frust und Unverständnis bei den fast 4300 Mitarbeitern des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein (GKM) sind groß: Am Dienstagnachmittag hat ihnen Geschäftsführerin Melanie John per E-Mail mitgeteilt, dass ihr Weihnachtsgeld um 70 Prozent gekürzt wird – und das wenige Tage vor der Auszahlung. Auch die Mitglieder des Kreistags Mayen-Koblenz wurden am Montag überrascht.

Um das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gibt es seit Monaten Diskussionen. Der Verkauf der Mehrheitsanteile an einen Investor wegen Geldsorgen ist umstritten. Nun wird den Beschäftigten offenbar das Weihnachtsgeld gestrichen.
Sascha Ditscher

Die GKM-Geschäftsführerin begründet ihre Entscheidung, das Weihnachtsgeld drastisch zu kürzen, damit, dass sich die finanzielle Lage des GKM verschlechtert habe. In der Mail, die am Dienstag um 13.48 Uhr an alle GKM-Beschäftigten abgesendet wurde und die unserer Zeitung vorliegt, heißt es wörtlich „Durch eine Reihe von liquiditätsrelevanten Sondereffekten (z.B. Pandemie, Inflation), die sich negativ auswirken, mussten wir nun, nach Unterrichtung der Gesellschafter und Betriebsräte, eine für Sie sehr unbefriedigende Entscheidung treffen“, die die Geschäftsführung „außerordentlich bedauere“.

Und weiter: „Zur Sicherung des Unternehmens können die im November fälligen tariflichen Jahressonderzahlungen … leider nicht vollumfänglich (nur 30 Prozent) ausgezahlt werden.“ Die einzige Ausnahme gebe es für Azubis – ihnen werde die Jahressonderzahlung fristgerecht und vollständig ausgezahlt.

Nachzahlungen geplant

Diese Entscheidung „zur Zukunftssicherung des Unternehmens ist uns sehr schwergefallen“, teilt John weiter mit: „Wir bitten um Ihr Verständnis und sichern Ihnen zu, sobald als möglich die Nachzahlungen vorzunehmen, sodass Sie die Ihnen zugesicherten Jahreszahlungen komplett erhalten.“

Vor einigen Wochen hätte die Geschäftsführung die Mitarbeiter über die Initiative „Alarmstufe ROT: Krankenhäuser in Gefahr“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft informiert. Weiter heißt es in der E-Mail: „An den Herausforderungen der Pandemie und den damit einhergehenden Leistungsminderungen, verbunden mit extremen Preissteigerungen und anhaltenden Personalengpässen hat sich jedoch leider nichts in die richtige Richtung entwickelt.“

So reagieren die GKM-Mitarbeiter: Einige Beschäftigte haben sich per E-Mail und Telefon an unsere Zeitung gewandt. Einhelliger Tenor: Frust, Ärger, Enttäuschung, Unverständnis sind groß. Weil sie sowieso schon unter Corona- und Energiekrise und Inflation zu leiden haben und ihnen nun wenige Tage vor der Auszahlung des Weihnachtsgelds, das ihnen vertraglich zusteht, diese bittere Nachricht übermittelt wird – ohne vorherige Information und Abstimmung.

Das sagt GKM-Geschäftsführerin Melanie John: Auf RZ-Anfrage stellt sie zunächst klar: „Es ist zwar korrekt, dass die Sana Kliniken AG auf der Basis eines Management-Vertrags die Geschäftsführung stellt. Gleichwohl werden die Entscheidungen ausschließlich im GKM in Abstimmung mit (ggf. auch nur nach deren Unterrichtung) Gesellschaftern sowie weiteren einzubeziehenden Stellen bzw. Gremien getroffen.“

Die Gründe für die aktuelle Situation seien vielfältig. Ein Grund liege in gestiegenen Energie- und Sachkosten. Die Krankenhäuser sollten hierfür Gelder in Höhe von 6 Milliarden Euro erhalten, um die gestiegenen Energiekosten auszugleichen. Außer Absichtsbekundungen liege aber noch nichts vor, sodass die Krankenhäuser diese gestiegenen Kosten aktuell vollumfänglich stemmen müssten.

Hinzu kämen die durch die Corona-Pandemie geprägten Leistungsschwankungen: Allein in diesem Oktober seien an den fünf Krankenhausstandorten des GKM dauerhaft mehr als 100 Corona-Patienten versorgt worden. John: „Diese Tatsache und die seit diesem Zeitpunkt bestehende massive Krankheitswelle haben zu einer nicht vorhersehbaren, deutlichen Leistungsminderung geführt.“

„Der Abrechnungssatz hätte eigentlich schon am 21. November übermittelt werden müssen, sodass die Fristverlängerung bis Dienstag früh ein großes Entgegenkommen war.“

GKM-Geschäftsführerin Melanie John

Die Geschäftsführung habe im Sinne der Risikoabwägung eine Entscheidung zur Sicherung des Unternehmens treffen müssen. John versichert: „Maßnahmen zur Sicherstellung einer vollständigen und schnellstmöglichen Auszahlung der Jahres-Sonderzahlung wurden durch die Geschäftsführung des GKM bereits eingeleitet.“ Die Geschäftsführung habe den Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung über die Entscheidung unterrichtet, die die Geschäftsführung zu treffen hat.

John weiter: „Der Abrechnungssatz hätte eigentlich schon am 21. November übermittelt werden müssen, sodass die Fristverlängerung bis Dienstag früh ein großes Entgegenkommen war.“ Sie habe ebenfalls erläutert, dass eine Nachzahlung umgehend erfolgen solle, wenn mehr Sicherheit zur Liquiditätslage ab Januar bestehe. Dies soll sehr zeitnah der Fall sein.

Das sagen Alexander Saftig, Landrat des Kreises Mayen-Koblenz und derzeit Vorsitzender der GKM-Gesellschafterversammlung, und David Langner, stellvertretender Vorsitzender: Wie Martin Gasteyer, Büroleiter des Landrats der RZ mitteilt, hat GKM-Geschäftsführerin John den Landrat am vergangenen Freitag eine geänderte Liquiditätshochrechnung vorgelegt, die gegenüber der zuletzt Ende Oktober vorgelegten Liquiditätshochrechnung für die Zeit ab Ende Oktober 2022 eine deutliche Verschlechterung der ohnehin angespannten finanziellen Situation der Gesellschaft aufgezeigt habe. Am Sonntag und Montag sei Saftig erstmals von der Geschäftsführung mit Überlegungen zur Aussetzung beziehungsweise Kürzung der Jahressonderzuwendung konfrontiert worden.

Nach Beginn der Kreistagssitzung am Montag in der Kulturhalle in Ochtendung um 14 Uhr habe die Geschäftsführerin den Landrat auf dessen Nachfrage per E-Mail um 14.42 Uhr „davon unterrichtet, verschiedene Szenarien in Bezug auf die Aussetzung bzw. Kürzung der Jahressonderzuwendung in Erwägung zu ziehen und dem Landrat zugleich mitgeteilt, dass die Entscheidung aus technischen Gründen bis 18 Uhr fallen werde“.

Der Landrat habe sämtliche Gesellschafter sofort unterrichtet und sich trotz der laufenden Kreistagssitzung darum bemüht, über die Geschäftsführung weitere Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Auf diese Bemühungen hin habe die Geschäftsführerin dem Landrat in der laufenden Kreistagssitzung telefonisch über die Entscheidung unterrichtet, das Weihnachtsgeld zunächst nur in Höhe von 30 Prozent zur Auszahlung zu bringen und den Restbetrag nach Verbesserung der Liquiditätsentwicklung.

Bereits am Montagvormittag habe sich Saftig in Abstimmung mit Langner sowie den weiteren Gesellschaftern über „eine Überprüfung der zu diesem Zeitpunkt bekannten Vorgänge abgestimmt und eine Prüfung angeordnet“. Erste Prüfungshandlungen seien am Dienstag durch das durch die Gesellschafter beauftragte Beratungsunternehmen erfolgt. Gegenstand der Prüfung sei neben der „Plausibilisierung der aktuellen Liquiditätslage und -entwicklung auch die Frage, wie es in dem kurzen Zeitraum seit Ende Oktober zu der deutlichen Verschlechterung der Liquiditätslage kommen konnte“.

Kurzfristigkeit sei ein schlag ins Gesicht

Gasteyer teilt als Sprecher des Landrats weiter mit: „Die Nichtauszahlung der Jahressonderzuwendung, auf die die Beschäftigten einen klaren Anspruch haben, bedeutet für diese eine enorme finanzielle Belastung in einer ohnehin schon schwierigen Zeit.“ Die extreme Kurzfristigkeit dieser Entscheidung sei ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Menschen, denn „sie haben das Geld fest eingeplant“.

Saftig und Langner seien bestürzt über die von der Geschäftsführung „völlig überraschend getroffene Entscheidung“. Beide hätten sich eine andere Vorgehensweise und Entscheidung gewünscht, müssten diese leider aber zunächst hinnehmen. Der Sachverhalt müsse jetzt mit Hochdruck aufgearbeitet werden.

Das sagt die Gewerkschaft Verdi: Tobias Zejewski, Verdi-Gewerkschaftssekretär Bezirk Mittelrhein, sagte auf RZ-Anfrage: „Es geht um das 13. Monatsgehalt und nicht um Peanuts. Es ist auch keine freiwillige Zahlung, sondern tariflicher Anspruch der Beschäftigten.“ Die meisten Mitarbeiter hätten das Geld fest wegen Energiekrise und Inflation eingeplant.

Vergangene Woche habe es eine Betriebsversammlung im Kemperhof gegeben, da sei die Kürzung des Weihnachtsgelds „überhaupt kein Thema“ gewesen. Zejewski weiter: „Wir kritisieren den Zeitpunkt, da davon auszugehen ist, dass das GKM ein Monitoring haben müsste, um mögliche Liquiditätsprobleme vorher festzustellen.“ Und nicht rund eine Woche vor der Auszahlung.

Ein Arbeitgeber könne sich die Leistungen eines verbindlichen Tarifvertrags keinesfalls einfach aussuchen: „Wir erwarten deshalb eine schnelle Lösung im Sinne der Beschäftigten des GKM und dessen Gesellschaftern.“

Verhandlungen sollen bis Jahresende abgeschlossen sein

Zurückhaltender beantwortet Zejewski die Frage, ob die Kürzung des Weihnachtsgelds durch die von Sana bestellte GKM-Geschäftsführung eine weitere Eskalationsstufe rund um die geplante Übernahme der GKM-Mehrheitsanteile durch Sana ist: „Ohne die Buchführung von Sana zu kennen, ist das reine Spekulation. Und selbst dann wäre eine Einschätzung schwierig.“

Das sagt Sana zu dem Vorgang: Unternehmenssprecher Volker Knauer teilt mit: „Die Sana Kliniken AG ist nach wie vor davon überzeugt, dass die Zukunft des GKM im Sinne der Patienten, der Beschäftigten und der Eigentümer am besten durch eine neue Eigentümerstruktur gesichert werden kann.“ Diese solle einen Mehrheitseigentümer beinhalten, der aus der Branche komme und über ausreichend personelle und finanzielle Ressourcen verfüge, „um die notwendige Weiterentwicklung des GKM gewährleisten zu können“. Sana sehe sich weiterhin als geeigneten Partner des GKM und stehe für eine Mehrheitsbeteiligung am GKM unter den bekannten Annahmen zur Verfügung.

Sana vertraue zudem auf die Aussagen des Koblenzer Oberbürgermeisters, wonach die Verhandlungen bis Jahresende abgeschlossen sein sollen. Knauer: „Alle Beteiligten und vor allem die Beschäftigten brauchen Planungssicherheit.“

Von Jan Lindner

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